David Zollinger, früher Staatsanwalt im Kanton Zürich und heute Partner der St.Galler Privatbank Wegelin & Co. – bekannt durch ihren geschäftsführenden Partner Konrad Hummler –, schreibt in seinem Weblog einmal mehr kenntnisreich über den amerikanisch-schweizerischen Bankenstreit (leider nicht verlinkbar). Er befasst sich insbesondere mit den möglichen Folgen einer amerikanischen Strafklage gegen eine Schweizer Bank, einerseits in Amerika …
«Erstens ist es denkbar, dass die Geschäftstätigkeit einer Bank mit Lizenz in den USA bei einer Anklageerhebung bis zum Abschluss des Verfahrens suspendiert wird. […] Zweitens ist es – auch für eine Bank ohne Präsenz in den USA – denkbar, dass die sog. Nostro-Konti in den USA mit einer Sperre belegt werden. Der Dollarzahlungsverkehr wird jeweils über Korrespondenzkonti bei Banken in den USA abgewickelt; dort darauf können sich von ein paar Dutzend Millionen bis zu mehreren Hundert Milliarden Guthaben befinden, auf die dann nicht mehr zugegriffen werden kann. […] Drittens könnten die US-Behörden den Unternehmen in den USA befehlen, keine weiteren Geschäfte mit dem angeklagten Unternehmen bis zum Abschluss des Verfahrens zu tätigen; offene Kontrakte würden verfallen, und die Zahlungen würden wohl vorübergehend ausgesetzt. Schaden ohne Ende.»
… und andererseits ausserhalb Amerikas:
«Denkbar sind aber auch Folgen ausserhalb der USA. Verschiedene Verträge (z.B. beim Fondsvertrieb im institutionellen Bereich) sehen ein ‹Good Standing› (guter Leumund) der Parteien vor – fehlt dieses, kann die andere Partei den Vertrag umgehend kündigen. […] Eine Bank, die angeklagt wird, könnte innert kürzester Zeit völlig isoliert dastehen und all ihrer Vertragspartner verlustig gehen. Was aber noch viel schwerer wiegt: Das Vertrauen des Marktes (also der Kunden) wäre wohl auch schwer erschüttert. Kaum jemand wird sein Geld bei einer Bank anlegen, wo er annehmen muss, dass kriminelle Machenschaften im Spiel sind. Nicht nur die Vertragspartner, auch die Kunden wären wohl weg.»
Das Fazit von David Zollinger ist aus schweizerischer Perspektive ernüchternd:
«Ob die Banken diese Situation selbst verschuldet haben, spielt heute kaum mehr eine Rolle. Tatsache ist, dass sich die Schweiz in eine Position manövriert hat, aus der sie ohne markante Zugeständnisse (nochmalige Herausgabe von Kundendaten) kaum mehr herauskommen wird. Um es wieder einmal zu sagen: Die Wahl dürfte darin bestehen, jetzt im Amtshilfebereich die dafür erforderlichen Rechtsgrundlagen zu schaffen – oder aber zu warten, bis zusätzlicher Schaden (siehe oben) entstanden ist, um dann die für eine Datenherausgabe erforderlichen Grundlagen zu schaffen. Was ist für die Schweizer Volkswirtschaft das kleinere Übel?»
Bild: Wikimedia Commons / MonteCarloGenerator, Public Domain.