«Nein» zur Buchpreisbindung in der Schweiz

Foto: Stimmzettel zur Volksabstimmung über die Buchpreisbindung mit Antwort «Nein»

Am 11. März 2012 endet die Volksabstimmung über die Wiedereinführung der Buchpreisbindung in der Schweiz. Mit dem neuen Bundesgesetz über die Buchpreisbindung (BuPG, PDF) soll der freie Preiswettbewerb, der seit der bundesgerichtlichen Aufhebung der früheren Buchpreiskartells («Sammelrevers») im Frühjahr 2007 herrscht, beseitigt werden. Ich lehne die Wiedereinführung der Buchpreisbindung ab und hoffe, dass die Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in der Schweiz genauso «Nein» stimmen wird. Die erneute Buchpreisführung würde die postulierten Ziele verfehlen und wieder zu höheren Buchpreisen führen.

Höhere Preise durch Buchpreisbindung

Für mich liegt der wichtigste Grund gegen die geplante Buchpreisbindung in den zu erwartenden höheren Preise für gedruckte Bücher in der Schweiz. Mit dem Wegfall des früheren Buchpreiskartells gerieten die Buchpreise in der Schweiz unverzüglich ins Rutschen, teilweise bis zu 30 Prozent. In der Folge konnte ich Bücher, die ich vorher zu vorteilhaften Preisen aus dem Ausland importiert hatte, wieder im Schweizer Buchhandel erwerben.

E-Books gewinnen zwar an Bedeutung, doch beruflich und private kaufe ich immer noch sehr viele gedruckte Bücher. Ich kaufe sie mehrheitlich dort, wo ich sie am günstigsten erhalte, denn ich schätze die bequeme Zustellung von gekauften Büchern per Post und benötige üblicherweise keine persönliche Beratung beim Bücherkauf. In den wenigen Fällen, wo ich Beratung in Anspruch nehmen wollte und entsprechend eine der vergleichsweise teuren Buchhandlungen vor Ort aufsuchte, war das Ergebnis übrigens jeweils ernüchternd.

Mit der Wiedereinführung der Buchpreisbindung würde ich so oft wie möglich erneut auf ausländische Anbieter mit ihren vorteilhaften Preisen ausweichen. Allerdings werden die meisten juristischen Sachbücher, die für mich beruflich von Bedeutung sind, in der Schweiz verlegt. Bei solchen Büchern würde ich nach Möglichkeit auf den Kauf verzichten oder je nach Aufwand ein Exemplar zum Eigengebrauch selbst digitalisieren. Leider gäbe es aber immer wieder Bücher, die ich zu einem höheren Preis als heute beim neuen Buchpreiskartell kaufen müsste.

Immerhin: Buchimport ohne Buchpreisbindung

Immerhin könnte ich wie oben erwähnt für viele Bücher wieder wie früher auf ausländische Anbieter mit ihren vorteilhaften Preisen ausweichen, ein Beispiel dafür ist Amazon.de. Einige Befürworter eines erneuten Buchpreiskartells behaupten zwar, die neue Buchpreisbindung würde auch für solche privaten Bücherkäufe im Ausland gelten. Diese Behauptung ist falsch (und nicht die einzige falsche Behauptung im Abstimmungskampf):

Das Parlament mag zwar ursprünglich etwas anderes beabsichtigt haben, doch der definitive Gesetzestext, wie er im Parlament verabschiedet wurde, ist eindeutig. Gemäss Art. 2 Bst. b BuPG würde die neue Buchpreisbindung ausschliesslich Bücher betreffen, die «gewerbsmässig in die Schweiz eingeführt werden». Das Schweizer Stimmvolk entscheidet über diesen Gesetzestext und nicht über das Wunschdenken der Befürworter eines erneuten Buchpreiskartells. Im Übrigen hätte der Zoll in der Schweiz weder die Kapazitäten noch die Kompetenzen um die Buchpreisbindung beim Import durchzusetzen.

Buchpreisbindung untauglich zur Zielerreichung

Jenseits der wortwörtlichen Preisfrage spricht gegen die Wiedereinführung der Buchpreisbindung, dass sie die postulierten Ziele gar nicht erreichen kann:

Sie stellt fälschlicherweise gedruckte Bücher und nicht Inhalte in Textform sowie deren Autoren und sonstigen Urheber in den Vordergrund. Höhere Preise gewährleisten gerade nicht den Zugang zu Büchern für möglichst viele Leserinnen und Leser zu bestmöglichen Bedingungen. Qualität und Vielfalt von Texten bestimmten die Leser mit ihrer entsprechenden Nachfrage und nicht ein neues Buchpreiskartell.

Die Wiedereinführung der Buchpreisbindung wäre keine Kulturförderung, sondern Protektionismus für das traditionelle Geschäftsmodell der (vornehmlich grossen) Verlage und Buchhändler, die sich durch die Differenzierung über den Preis herausgefordert sehen. Neben den Lesern, die höhere Preise bezahlen müssten, würden unter einem erneuten Buchpreiskartell jene (vornehmlich kleinen) Buchhändler und Verlage leiden, die sich mit viel Innovations- und Schaffenskraft auf veränderte Lesegewohnheiten einstellen. Buchhändler sind dank Kundenbindung weiterhin erfolgreich und für Verlage bietet die fortschreitende Digitalisierung viele neue Möglichkeiten um sich mit Erfolg im Buchmarkt zu behaupten.

Aus ordnungspolitischer Sicht würde die Wiedereinführung der Buchpreisbindung einen starken Eingriff in die Marktwirtschaft und eine erhebliche Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit als Grundrecht darstellen. Für eine solche Beschränkung mit dem BuPG müssten die allgemeinen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen von Art. 36 BV erfüllt sein, das heisst gesetzliche Grundlage, öffentliches Interesse und Verhältnismässigkeit. Der Bundesrat verneinte die Verhältnismässigkeit wegen fehlender Eignung und Erforderlichkeit (PDF). Mangels Verfassungsgerichtsbarkeit für Bundesgesetze (Art. 190 BV) ist dieser Aspekt vorläufig nicht von praktischer Bedeutung. Ironisch daran ist allerdings, dass die vornehmlich im linken politischen Lager zu findenden Befürworter eines erneuten Buchpreiskartells häufig auch für eine Verfassungsgerichtsbarkeit eintreten …

Fazit

Die Buchpreisbindung ist untauglich zur Erreichung der postulierten Ziele und würde wieder zu höheren Preisen für gedruckte Bücher in der Schweiz führen. Ich habe deshalb «Nein» zur Wiedereinführung des Buchpreiskartells gestimmt und hoffe wie erwähnt, dass mir darin die Mehrheit der schweizerischen Stimmbürger folgen wird.

Abschliessend einige Weblinks zu lesenswerten Texten über die Buchpreisbindung:

Nachtrag vom 11. März 2012

Das Schweizer Stimmvolk hat erfreulicherweise die Wiedereinführung der Buchpreisbindung mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

6 Kommentare

  1. Jaja, zur Not macht sich der Herr Anwalt seine private Digitalkopie. Ich bewundere Sie!

    Zur Debatte um die private Einfuhr von Büchern in die Schweiz: Wenn Sie bei Amazon & Co im Ausland bestellen, dann wird die Einfuhr von diesem Dienstleister gewerblich vorgenommen, die Transaktion unterliegt der Preisbindung. Anders ist das, wenn Sie bei Ihrer Tante Grete in Bielefeld ein Buch bestellen – das ist dann private Einfuhr, die nicht der Preisbindung unterliegt. Aber ich glaube kaum, dass die gesamte Bevölkerung der Schweiz über Tanten im Ausland verfügt.

    Ich darf übrigens darauf hinweisen, dass Sie billige Bücher im Ausland deshalb bestellen können, weil Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien eine Preisbindung haben und damit Bücher preiswert halten.

    1. @Holger Ehling:

      «Zur Debatte um die private Einfuhr von Büchern in die Schweiz: Wenn Sie bei Amazon & Co im Ausland bestellen, dann wird die Einfuhr von diesem Dienstleister gewerblich vorgenommen, die Transaktion unterliegt der Preisbindung. […]»

      Ich teile diese Betrachtungsweise nicht, denn Amazon Deutschland als Beispiel führt keine Bücher in die Schweiz ein.

      «Ich darf übrigens darauf hinweisen, dass Sie billige Bücher im Ausland deshalb bestellen können, weil Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien eine Preisbindung haben und damit Bücher preiswert halten.»

      Der Grund liegt nicht in der Buchpreisbindung, sondern an Währungsgewinnen und der (bei nicht allzu teuren) Büchern wegfallenden Mehrwertsteuer. Man darf damit gegenüber den empfohlenen Verkaufspreisen für die Schweiz häufig 20 bis 25 Prozent. Glücklicherweise erlaubt der Wegfall der Buchpreisbindung auch in der Schweiz den Verkauf zu einem tieferen Preis, beispielsweise im Online-Verkauf ohne Beratung durch Ex Libris.

    2. Was die internetfeindlichen Neoludditen vom Buchverband und Ja-Sager dieser unsäglichen Vorlage immer noch begriffen zu haben scheinen, ist dass in der Digitalisierung in der die Lösung liegt – sollte das vom Buchverband aufgenötigte Preisdiktat wirklich dazu führen dass der Buchpreis zum CH-Abzocktarif dem Konsumenten auch übers Internet aufgezwungen wird; werden nämlich zumindest wir internetaffinen User konsequent lieber auf eBooks aus Filesharingquellen ausweichen als sich dieser Gängelung und Bevormundung des Buchverbands zu beugen!

      Denn was den Fortschrittsverweiger und Papierbuchnostalgiker vom Buchverband entgangen zu sein scheint, hat sich abseits ihren intellektuellen Elfenbeintürme in den letzten 10 Jahren eine rasante technische Entwicklung vollgezogen und es gibt jetzt eine Menge brauchbare Lesegeräte für eBooks und diese selbst in solchen Mengen, wie es die ewiggestrigen Buchfetischisten es gar nicht vorstellen können – es gibt inzwischen mehr eBooks als selbst eine grosse Buchhandlung der altbackenen Art von gestern anbieten könnte und die alle trotzdem noch in einem einzigen Speicherchip untergebracht werden könnten. Es ist schon ein erhabenes Gefühl, im 21. Jahrhundert zu leben – nur zu schade dass immer noch nicht alle hier auch angekommen zu sein scheinen…

      Aber nur zu, der Buchverband darf gerne die Fehler der Musikindustrie wiederholen und solange krampfhaft am analogen Medium festhalten bis auch der technologische Wandel auch sie überrollt und mitsamt den sinnlosen Zwangspreise endgültig obsolet gemacht hat.

    1. Persönliche Äusserungen im Wettstreit der politischen Meinungen zählen für mich völlig selbstverständlich zur direkten Demokratie in der Schweiz (und anderswo) – ich kann darin keine «hässliche Seite» erkennen.

  2. Die definitive Abschaffung der Buchpreisbindung haben wir zum Anlass genommen, um einen neuen, schönen und schnellen Preisvergleich für Bücher zu machen. Das Resultat sehen Sie hier: http://www.buchpreisvergleich.ch. Es zeigt sich, dass in den meisten Fällen Amazon.de der günstigste Anbieter ist, auch Dodax.ch (ehemals Seleso.ch) schneidet immer sehr gut ab. Für (juristische) Fachliteratur ist Schulthess.com erstaunlich günstig!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Felder mit * sind Pflichtfelder.