Markus Naef, «Country Manager Switzerland» von 20th Century Fox, ist neuer Präsident von AudioVision Schweiz, dem Dachverband von IFPI Schweiz, ProCinema und dem Schweizerischen Video-Verband (SVV). In einem Interview in der heutigen Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) äussert er sich zu seinem «Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen». Nachfolgend einige bemerkenswerte Punkte aus dem Interview:
«Three Strikes»
Mutmassliche Urheberrechtsverletzungen sollen ohne richterlichen Beschluss durch eine Drosselung der Geschwindigkeit der Datenübertragung oder gar durch eine Kappung des Internet-Zuganges («Three Strikes») geahndet werden – dieser Gedanke gefällt Markus Naef.
Auf der AudioVision Schweiz-Website findet sich dazu folgende Forderung: «In der Schweiz muss Graduate Response eingeführt werden, damit es gegen illegale Up-/Downloads differenziertere Massnahmen gibt als die Strafanzeige an den Richter. Graduate Response bedeutet, dass die User von illegalem Content von ihrem ISP unter Wahrung des Fernmeldegeheimnisses in einer ersten Stufe abgemahnt werden, in einer zweiten Stufe die Bandbreite des Internetzugangs gedrosselt und in einer dritten Stufe der Internetaccess temporör ganz gesperrt wird. Erst wenn diese Massnahmen nichts nützen, greift die Strafjustiz ein.»
Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA)
AudioVision Schweiz spricht sich für die Unterzeichnung von ACTA durch die Schweiz aus. Markus Naef betont, für die Schweiz seien mit ACTA keine Gesetzesänderungen verbunden und es würden auch keine neuen staatlichen Sanktionen eingeführt. Wieso ACTA für die Schweiz überhaupt notwendig sein soll, erklärt er nicht.
Provider-Haftung
Provider, die Zugang zum Internet oder Hosting anbieten, sollen stärker in die Pflicht genommen werden, das heisst für mutmassliche Urheberrechtsverletzungen ihrer Kunden haften oder diese überwachen. Markus Naef erhofft sich davon, die «Hintermänner des Systems Filesharing» heranzukommen, denn es gehe nicht darum, «gutgläubige Medienkonsumenten, beispielsweise Schüler, zu kriminalisieren.» Wie sich Ersteres mit Letzterem verbinden lässt, erwähnt Naef leider nicht.
Bundesrätlicher Bericht zu Filesharing
Den bundesrätlichen Bericht von Ende November 2011, wonach in der Schweiz kein Handlungsbedarf gegen Filesharing besteht, kann Markus Naef nicht ernst nehmen. Er geht davon aus, das «Problem» werde verharmlost. Ausserdem habe «E-Book-Piraterie» damals noch keinerlei Beachtung gefunden.
Schwierigkeiten beim Lobbying
«[…] Was uns die Lobbyarbeit auch erschwert: Massnahmen gegen Piraterie wenden sich tendenziell gegen die Nutzer und damit die Wähler. Wer sich als Politiker öffentlich gegen Piraterie ausspricht, fürchtet, an Popularität einzubüssen, was unbegründet ist, denn es geht doch einzig um die Sicherung der vorhandenen Rechte der Künstler. […]»
Umerziehung von Jugendlichen
Markus Naef gibt zu, dass Filesharing häufig gar nicht dem Medienkonsum, sondern dem Sammeln gilt. Im Bezug auf Filesharing hält er eine «Umerziehung» von Jugendlichen für notwendig. Naheliegender wäre der Schluss, dass durch Filesharing zu Sammelzwecken schlicht kein wirtschaftlicher Schaden entsteht.
Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum (IGE)
AudioVision Schweiz fühlt sich vom IGE «relativ allein gelassen», was daran liege, dass das IGE mit Urheberrechtsfragen kein Geld verdienen könne. Ausserdem seien «Massnahmen gegen Piraterie» politisch unpopulär.
Kulturflatrate
Die Idee einer Kulturflatrate lehnt Markus Naef ab. Als Argument führt Naef unter anderem an, «[d]ie Etablierung eines gerechten Inkasso-/Verteilsystems würde zu einem unverhältnismässigen Verwaltungsaufwand führen; zudem wäre auch die Verteilungsgerechtigkeit nicht zwangsläufig gegeben.» Mit dieser Argumentation müsste Naef eigentlich das heutige System der Verwertungsgesellschaften (ProLitteris, SUISA usw.) ablehnen, denn gerade diese leiden unter den erwähnten Problemen.
Fazit
AudioVision Schweiz steht für eine Branche, die die Digitalisierung und die damit verbundenen neuen Möglichkeiten bislang völlig verschlafen hat. Die Aussagen von Markus Naef deuten nicht darauf hin, dass sich daran etwas ändern wird, im Gegenteil:
Das Geschäftsmodell aus vor-digitalen Zeiten soll mit repressiven Massnahmen gegen die eigene Kundschaft am Leben erhalten werden. Auf Dauer wird AudioVision Schweiz lernen müssen, dass gegen die eigene Kundschaft kein Geld zu verdienen ist – oder noch mehr Marktanteil an andere Anbieter, die Musik, Filme und Software zu vorteilhaften Bedingungen anbieten, verlieren.