Geschwätzige Rechtsanwälte in der Rechtsprechung

Foto: Schweizerisches Bundesgericht

Rechtsanwälte haben manchmal keine Zeit, sich kurz zu fassen. Bei Gerichtsverfahren schlägt sich solche Redseligkeit und Weitschweifigkeit bisweilen in den einzelnen Urteilen nieder.

Nachfolgend einige treffende Zitate aus der jüngeren Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts (jeweils mit Hervorhebungen):

«[…] Diese Behauptungen versucht die Beschwerdeführerin mit weitschweifigen Ausführungen zu begründen, welche in den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz indessen durchwegs keine Stütze finden. Eine taugliche Sachverhaltsrüge […] lässt sich den Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht ansatzweise entnehmen. […]»

(BGer 4A_293/2011 vom 23. August 2011)

«[…] So übt die Beschwerdeführerin verschiedentlich weitschweifige und teilweise nur schwer nachvollziehbare Kritik am vorinstanzlichen Entscheid, ohne überhaupt oder auch nur in verständlicher Weise darzulegen, worin in den angesprochenen Punkten des Entscheids eine Bundesrechtsverletzung bestehen soll. […]»

(BGer 4A_148/2011 vom 8. September 2011)

«Diese Erwägungen sind bundesrechtlich nicht zu beanstanden und auch die Beschwerdeführerin vermag mit ihren auf über 100 Seiten vorgetragenen, weitschweifigen und repetitiven Ausführungen nicht darzutun, dass die Vorinstanz mit ihrer Gesamtbeurteilung das ihr […] eingeräumte Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt haben soll. […]»

(BGer 4A_164/2011 vom 10. November 2011)

«Gegen den (ersten) Entscheid des Bezirksgerichts Winterthur […], welcher 11 Seiten umfasst, reichte X.________ […] eine 73-seitige Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich ein. Gegen den 4-seitigen (zweiten) Entscheid des Bezirksgerichts […] folgte […] eine 93-seitige Beschwerdeschrift wiederum zuhanden des Obergerichts.

Am […] taxierte das Zürcher Obergericht die gegen den bezirksgerichtlichen Beschluss […] gerichtete 73-seitige Beschwerde als weitschweifig im Sinne von Art. 132 Abs. 2 ZPO und ordnete deren Nachbesserung innert einer einmaligen und nicht erstreckbaren Nachfrist von fünf Tagen an; die Eingabe sei massiv zu kürzen und auf das Wesentliche zu beschränken, ansonsten sie in Anwendung von Art. 132 Abs. 1 ZPO als nicht erfolgt gelte. Dieser Aufforderung leistete X.________ […] Folge, indem er dem Obergericht eine 25-seitige Beschwerdeschrift einreichte.

Am […] befand das Zürcher Obergericht, die gegen den bezirksgerichtlichen Beschluss […] gerichtete 93-seitige Beschwerde sei ebenfalls weitschweifig und daher im vorerwähnten Sinne zu verbessern, und zwar wiederum innert einer einmaligen und nicht erstreckbaren Frist von fünf Tagen. Auch dieser Aufforderung kam X.________ mit einer 16-seitigen Eingabe […] nach.»

(BGer 5A_307/2011, 5A_310/2011)

Obige Bundesgerichtsurteile und Zitate stammen ursprünglich aus einem Handout von Dr. Heinrich Andreas Müller, dem Präsidenten des Obergerichts Zürich, anlässlich einer Veranstaltung des Zürcher Anwaltsverbandes (ZAV) vom 14. Mai 2012. An dieser Veranstaltung diskutierten Rechtsanwälte und Richter kontrovers über Prozesslasten und -laster.

Bild: Wikimedia Commons / Roland Zumbühl, «[…] Bundesgericht in Lausanne», CC BY-SA 3.0 (generisch)-Lizenz.

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