Kein Domainname zum Preis von zwei Jahresabonnements

Logo: «encore!» (Zeitschrift)

Jurist für Internetrecht Thomas Schneider berichtet in seinem «Domainnamenblog» über das grosse Medienunternehmen Tamedia und dessen bemerkenswert unbedarften Versuch, den schweizerischen Domainnamen encore.ch vom bisherigen Inhaber einzufordern. Hintergrund waren die Lancierung der Zeitschrift «encore!» für «Ästheten in der Westschweiz» und die Hinterlegung der gleichnamigen Bildmarke.

Unbedarft war der Versuch der Tamedia in zweierlei Hinsicht. Einerseits in finanzieller Hisicht …

«[Tamedia] bat um Übertragung des Domainnamens im Tausch gegen ein einjähriges Abonnement zweier Tamedia-Publikationen. […]»

… und andererseits in rechtlicher Hinsicht im Schlichtungsverfahren bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO, Verfahren DCH2012-0017):

«[Tamedia] ist der Ansicht, dass die Registrierung und Nutzung des Domainnamens eine Markenverletzung darstellt, auch aufgrund der dadurch geschaffenen Verwechslungsgefahr. Es bestehe auch kein Weiterbenutzungsrecht des vorbestehenden Domainnamens, da die Webseite inaktiv sei. Ausserdem verhalte sich der Gesuchsgegner unlauter und er schade durch dieses Cybersquatting dem Ansehen des Magazins und seines Herausgebers. Für Tamedia sei diese Blockierung des Domainnamens ein grosses Problem, da all ihre Publikationen eine eigene Webseite haben.

Der Experte bestätigt hingegen sämtliche Vorbringen des Gesuchgegners. Tatsächlich handle es sich um eine schwache Marke […]. Ihr Schutzbereich sei derart begrenzt, dass Tamedia höchstens eine Verwendung in derselben Schriftart inklusive Ausrufezeichen für ein ähnliches Produkt verbieten könne. Und auch sonst gelte selbstverständlich das Weiterbenutzungsrecht des lange vor der Marke bestehenden Domainnamens. Auch den Cybersquatting-Vorwurf und ein unlauteres Verhalten verneint der Experte, schliesslich schädige das Bestehen des Domainnamens die Gesuchstellerin in keiner Weise. Er lehnt das Gesuch ab.»

Insgesamt gelangt Thomas Schneider berechtigterweise zu einem sehr kritischen Fazit:

«Die angebotenen einjährigen Abonnemente zweier Tamedia-Publikationen hätte die Gesuchstellerin praktisch nichts gekostet und ist trotz eines Gegenwerts von rund 800 Franken kein ansprechendes Angebot. Tamedia wollte den Gesuchsgegner mit Almosen abspeisen. Es ist mehr als verständlich, dass er dieses Angebot abgelehnt hat. […]

Daneben ist vollkommen unverständlich, wie Tamedia auf die Idee gekommen ist, sie hätten dank ihrer eben erst hinterlegten Marke eine bessere Berechtigung am Domainnamen als dessen langjähriger Halter. Dies zeugt einzig von vollkommen fehlender Kenntnis des Domainnamenrechts. […]

Sehr interessant ist schliesslich die Aussage des Experten, die schwache Marke von Tamedia könne sich allerhöchstens bei gleicher Schreibweise inklusive Ausrufezeichen gegen ein anderes Zeichen durchsetzen. Da Internetadressen keine Ausrufezeichen enthalten können, verweigert er der Marke damit faktisch einen Schutz im Zusammenhang mit Domainnamen.»

Ein Kommentar

  1. Das ist lustig. Abgesehen von den rechtlichen Aspekten die Du nennst, ist wie im letzten Abschnitt erwähnt das Ausrufezeichen keine sonderlich gute Idee. Wie soll diese Marke online verwendet werden? Wie soll ich denn «z.B> Encore!» googlen? ‹Encore› findet sicher nicht das richtige. ‹Encore Magazine› findet mindestens drei Zeitschriften mit dem Namen Encore, aber nicht die aus der Schweiz.
    Nun werde ich neugierig und suche via TA Media. Da finde ich die Anzeigenpreise, aber keine Online Präsenz der Zeitschrift. Erst viel später fine ich per Zufall die richtige Webseite, aber auch das ist nur an Werber gerichtet. Keine Facebook Page, kein Twitter Handle. Als Nichtleser von Matin Dimanche habe ich somit keine Zugriff auf redaktionellen Inhalt. Eine ausschliessliche Offline-Publikation also. Wenn dem so ist, kann diese Zeitschrift auch getrost ein «!» im Namen haben…

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