Urheberrecht: Amerikanische Kritik an der Schweiz

Bild: Copyright-Zeichen aus Puzzlestücken

In der Schweiz ist man sich mittlerweile amerikanische Kritik am vergleichsweise liberalen Urheberrecht gewohnt. So überrascht es nicht, dass die International Intellectual Property Alliance (IIPA) auch in diesem Jahr scharfe Kritik an der Schweiz übt (PDF). Die private Lobbyorganisation der amerikanischen Unterhaltungsindustrie fordert insbesondere den Handelsvertreter der Vereinigten Staaten von Amerika auf, die Schweiz auf seine «Special 301 Report»-Beobachtungsliste zu setzen. Der Handelsvertreter hatte die Schweiz bereits im Frühling 2012 kritisiert und die IIPA arbeitet eng mit ihm zusammen. Der «Special 301 Report» dient als amerikanisches Druckmittel gegenüber anderen Staaten bezüglich Urheberrecht.

Schweiz als urheberrechtliches Piratenparadies?

In ihrem diesjährigen Länderbericht behauptet die IIPA, die Schweiz würde ihr Urheberrechtsgesetz im Internet nicht durchsetzen und sei deshalb ein attraktiver Standort für Urheberrechtsverletzungen. Weiter beklagt sich die IIPA wie schon in früheren Jahren über den «Logistep»-Bundesgerichtsentscheid von 2010, der das heimliche private Ausforschen von IP-Adressen verbietet und damit Massenabmahnungen in der Schweiz faktisch verunmöglicht. Ausserdem gebe es – so die IIPA – immer noch schweizerische Internet-Anbieter, die sich weigern würden, bei mutmasslichen Urheberrechtsverletzungen die betreffenden Inhalte auf private Aufforderung hin zu entfernen oder sich auf freiwillige Zusammenarbeitsvereinbarungen mit der Unterhaltungsindustrie einzulassen:

«Piracy in Switzerland is on the rise. Since early 2011, the percentage of Swiss Internet users who access unlicensed services in a given month rose from about 30 to about 35 percent, well above the European average. The country has become an attractive haven for services heavily engaged in infringing activity […]. From there, they provide a global service, effectively turning Switzerland into a major exporter of pirated content. This marked increase in infringing online activity can be directly attributed to the reality that Swiss law enforcement currently provides no effective consequences for digital copyright infringement on any scale. […]

Some internet operators still refuse to comply with notices to remove infringing content from their servers, and due to the absence of a legal basis for liability of hosting providers, they have no incentive to comply with any such take down requests or to engage in serious negotiations about a voluntary agreement.

IIPA strongly encourages the U.S. Government to work with the Government of Switzerland […] to find near-term solutions that will: (1) clarify an evidentiary way forward for digital copyright infringement cases; (2) permit injunctions against unauthorized streaming or other infringing websites; (3) permit injunctions against intermediaries whose services are used by a third party to infringe copyright; and (4) establish a civil right of information parallel to that found in Article 8 of the EU Enforcement Directive.»

Im Ergebnis fordert die IIPA im Wesentlichen, das heimliche private Ausforschen von IP-Adressen zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen müsse wieder ermöglicht werden und Internet-Anbietern müssten entsprechende Pflichten auferlegt werden. Ausserdem solle das Urheberrecht restriktiver ausgestaltet und insbesondere der Privatgebrauch weiter eingeschränkt werden.

Die IIPA unterschlägt, dass sich Schweizer Internet-Anbieter selbstverständlich nicht in einem rechtsfreien Raum bewegen, dass das schweizerische Urheberrechtsgesetz auch im Internet durchgesetzt werden kann – Getty Images beispielsweise mahnt Urheberrechtsverletzungen in der Schweiz erfolgreich ab (PDF) –, und dass der Privatgebrauch mit den weltweit höchstens pauschalen Urheberrechtsabgaben an Verwertungsgesellschaften abgegolten wird. Der Wunsch nach dem heimlichen privaten Ausforschen von IP-Adressen kollidiert im Übrigen nicht nur mit Datenschutz und Rechtsstaat in der Schweiz, sondern widerspricht auch der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR).

Kriminalisierung statt Geschäftsmöglichkeiten

Bemerkenswert ist, dass die amerikanische Unterhaltungsindustrie immer noch nicht bereit ist, neue geschäftliche Möglichkeiten im Internet zu nutzen:

«Switzerland also has a problem with an influx of French DVDs imported from Canada (presumably released after the motion picture’s theatrical release in Canada has ended) and freely distributed while the motion pictures are still running in Swiss cinemas. Despite a provision in Swiss law that makes it unlawful to distribute DVDs when the movie is still in theatrical release, the law is not supported with criminal penalties and, as a result, there is no effective enforcement in Switzerland. This is especially harmful to theatrical releases in Switzerland. […]»

Diese Problematik wäre sehr einfach zu lösen, indem die amerikanische Unterhaltungsindustrie ihre Filme in Schweizer Kinos nicht mit Verspätung zeigen sowie attraktive legale Download- und Streaming-Angebote ermöglichen würde. Damit wären die Anreize gering, französischsprachige DVDs aus Kanada zu importieren … stattdessen setzt die amerikanische Unterhaltungsindustrie gegenteilige Anreize und möchte Filmfreunde als wichtiges Kundensegment kriminalisieren. Apple zeigt mit dem iTunes Store im Musikbereich, wie ein solches Geschäftsmodell erfolgreich umgesetzt werden kann.

Runder Tisch, AGUR12 und «Special 301 Report»

Hoffnungen setzt die IIPA auf einen Runden Tisch, wo unter Führung des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) seit Anfang 2012 vertrauliche amerikanisch-schweizerische Gespräche über den «Logistep»-Bundesgerichtsentscheid stattfinden – weitergehende Informationen dazu sind bislang nicht an die Öffentlichkeit gelangt:

«In March 2012, SECO invited stakeholders (the Ministry of Justice, the U.S. Embassy, the Data Protection Commissioner, the Zurich state prosecutor and rights holders) to an industry ‹Round Table› aimed at evaluating solutions regarding data protection issues following the Logistep decision. The Round Table members agreed to evaluate whether the data protection problem could be resolved without a legislative amendment, and to set up an expert group to discuss legal and technical details. The Round Table met again in October 2012, agreeing to look into mechanisms to permit (1) injunctions against unauthorized streaming websites; (2) injunctions against intermediaries whose services are used by a third party to infringe a copyright; and (3) the civil right of information parallel to Article 8 Enforcement Directive. If the Roundtable does not find a resolution, the only remaining recourse would be legislative amendments, a process that guarantees to be lengthy and to leave Internet piracy virtually unhindered for some time to come.»

Ernüchtert hingegen äussert sich die IIPA zu den bisherigen Ergebnissen der Arbeitsgruppe «Urheberrecht» 2012 (AGUR12), die im Herbst 2012 von Bundesrätin ins Sommaruga gerufen worden war um die «Optimierung der kollektiven Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten» zu diskutieren

«[…] It is mandated to present a report by the end of 2013, but so far the results of the meetings, at least in respect to enforcement measures, have been disappointing. IIPA urges the Swiss Government to maintain this momentum toward concrete recommendations that can address the fundamental gaps in Swiss online enforcement.»

Abzuwarten bleibt, inwiefern die Forderungen und Kritik der IIPA an der Schweiz tatsächlich Eingang in den kommenden «Special 301 Report» finden wird. Bislang sah der Bundesrat erfreulicherweise keinen Handlungsbedarf für eine Verschärfung des schweizerischen Urheberrechtsgesetzes und gab dem entsprechenden amerikanischen Druck nicht nach.

Bild: Flickr / Horia Varlan, «Large copyright sign made of jigsaw puzzle pieces», CC BY 2.0 (generisch)-Lizenz.

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