Umfangreicher Straftatenkatalog für Bundestrojaner

Foto: Überwachungskameras aussen an einem Gebäude

Der Schweizerische Bundesrat möchte im Rahmen der BÜPF-Totalrevision wie befürchtet die – bereits praktizierte! – Überwachung mit Bundestrojanern (auch als Staatstrojaner, Government Ware oder GovWare sowie – völlig verharmlosend – Informatikprogramme bezeichnet) legalisieren.

Gemäss Botschaft (PDF) ist die Bundestrojaner-Verwendung «[…] nur zulässig bei Straftaten, bei denen eine verdeckte Ermittlung zulässig wäre […]. Der umfangreichere Straftatenkatalog, bei dem eine Post- und Fernmeldeüberwachung möglich ist […], soll beim Einsatz von GovWare nicht zur Anwendung gelangen. […]»

Im November 2011 noch hatte der Bundesrat von einem «eng begrenzten Katalog von Delikten» geschrieben, allerdings auch schon damals den Straftatenkatalog für verdeckte Ermittlungen (Art. 286 Abs. 2 StPO) gemeint. Dieser Katalog ist nur insofern «eng begrenzt», als dass er weniger umfangreich ist als der noch wesentlich umfangreichere Katalog für die Post- und Fernmeldeüberwachung (Art. 269 Abs. 2 StPO). Nun schreibt der Bundesrat, Bundestrojaner sollten «nur zur Aufklärung von besonders schweren Straftaten eingesetzt» werden – gemäss dem Straftatenkatalog, den ich nachfolgend aufliste, zählt dazu unter anderem einfacher Diebstahl (Art. 139 StGB)

Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB)

Ausländergesetz (AuG)

Kriegsmaterialgesetz (KMG)

  • Widerhandlungen gegen die Bewilligungs- und Meldepflichten (Art. 33 Abs. 2 KMG)
  • Widerhandlungen gegen das Verbot von Kernwaffen, biologischen und chemischen Waffen (Art. 34 KMG)
  • Widerhandlungen gegen das Verbot der Antipersonenminen (Art. 35 KMG)

Kernenergiegesetz (KEG)

Weitere Straftatbestände

Bild: Flickr / Jonathan McIntosh, «Surveillance», CC BY-SA 2.0 (generisch)-Lizenz.

6 Kommentare

  1. Man müsste mal einen kontrolliert in die Finger bekommen, damit man Gegenstrategien entwickeln kann. Wer stellt sich freiwillig zur Verfügung und begeht eine auslösende Straftat oder macht mindestens die Strafbehörden glauben, er könnte sie begangen haben?

    1. @Hartwig Thomas:

      «Man müsste mal einen kontrolliert in die Finger bekommen, damit man Gegenstrategien entwickeln kann.»

      Man kann sich durchaus an deutschen Bundestrojanern orientieren, zumal in der Schweiz damit auch schon überwacht wurde:

      https://www.steigerlegal.ch/2011/10/15/schweizer-bundestrojaner-auf-deutschen-umwegen/

      Im Übrigen handelt es sich aber schlicht um Schadsoftware, die beispielsweise mittels Einbruch in die Räumlichkeiten, in denen sich die betreffenden Computer befinden, aufgespielt wird. Man kann deshalb die gleichen Massnahmen wie gegen nicht-staatliche Schadsoftware und gegen nicht-staatliche Einbrecher anwenden.

  2. Was soll an elektronischer Überwachung grundsätzlich bedenklicher sein als an schon lange praktizierten, «herkömmlichen» Überwachungsarten und Ermittlungsverfahren?

    1. Etwa so ähnlich wie bei Pferd und Automobil. Denn mit den neuen Mitteln nimmt die rechtsstaatliche Bedenklichkeit, Massenspeicherung (siehe «Vorratsdatenspeicherung» etc.) überproportional zu während die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle immer schwieriger bis unmöglicher wird. Dies hat u. a. eine Studie des Max-Planck-Instituts eindrücklich aufgezeigt!

  3. Vorab danke Martin für diese Infos!

    Wer bei diesem Sammelsurium von Straftatbeständen von «eng begrenzt» oder «nur zur Aufklärung von besonders schweren Straftaten …» spricht, nimmt eine Verhöhnung von gesundem Menschenverstand in Kauf und ignoriert gleich mehrere rechtsstaatliche Grundsätze wie Verhältnismässigkeit etc.

    Was mich dabei noch besonders politisch empört ist, dass ausgerechnet eine frühere Konsumentenschützerin und SP-Politikerin als zuständige Bundesrätin sich zum Werkzeug von sicherheitsbesessenen Strafverfolgern machen lässt und dabei jegliches politisches Augenmass verliert — was sie als Departementsvorsteherin und gemäss ihres Amtseides eigentlich gewährleisten müsste. Mich erinnert das an den unrühmlichen Fall eines Otto Schily, der vom Bürgerrechtsanwalt, Grünen-MdB dann später als Innenminister zum Law-and-Order-Fetischist mutierte und dabei seine forschen CSU-Vorgänger übertraf … Kaum auszuhalten, wie Menschen in Machtpositionen politisch verkommen können!

  4. Sehr geehrter Herr Steiger

    Ich möchte Ihnen für die Analyse zur Totalrevision des BÜPF recht herzlich danken, Sie haben mir die Augen weit geöffnet, ich bin entsetzt über den Umfang der dann möglichen überwachungsszenarien.

    MFG

    Dan Feuerle
    GL / Technik
    Seasite Solutions

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