Präsident Morales: Kein Flug durch Schweizer Luftraum

Screenshot: Flugweg der FAB001 über Österreich bei Flightradar24.com

Am Dienstagabend, 2. Juli 2013 musste der bolivianische Präsident Evo Morales – unterwegs mit der «Bolivian Air Force One» (FAB001), einer Falcon 900EX EASy – ausserplanmässig in Wien landen. Bei Flightradar24.com konnte der Flugweg verfolgt werden.

Morales befand sich auf dem Rückflug nach einem Staatsbesuch in Russland und konnte diesen Flug über Österreich nicht wie geplant fortsetzen, weil Italien, Frankreich, Spanien und Portugal anscheinend die notwendigen Überflugrechte verweigert hatten. Hintergrund war vermutlich, dass der flüchtige amerikanische Whistleblower Edward Snowden an Bord vermutet worden war, was die oben erwähnten amerikanischen Vasallenstaaten Verbündeten der USA offensichtlich dazu bewogen hatte, den Flug durch ihre Lufträume nicht zu bewilligen.

Cristina Fernández de Kirchner, Präsidenten von Argentinien, hat den diplomatischen Zwischenfall in Echtzeit bei Twitter kommentiert.

(Keine) Diplomatic Clearance für die Schweiz?

Ebenfalls bei Twitter fragte Peter Hettich, wieso die Schweiz den Überflug nicht verweigert hatte:

«Hat die CH ihren Luftraum nicht geschlossen, weil A) wir bei USA Rückgrat haben oder B) nicht schnell genug sind?»

Auf Anfrage hin teilte das zuständige schweizerische Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) mit, zuletzt am 30. Juni 2013 eine Überflugbewilligung beziehungsweise Diplomatic Clearance für die FAB001 erteilt zu haben. Hingegen habe man für den Rückflug keinen entsprechenden Antrag erhalten, zumal der Rückflug auch gar nicht durch den Luftraum der Schweiz geplant gewesen sei. Gemäss dem Flugweg bei Flightradar24.com war ein Weiterflug über Italien, Frankreich, Spanien und Portugal vorgesehen.

Schweizerische Rechtsgrundlagen für Diplomatic Clearances

Gemäss Art. 3 lit. c des Chicagoer Abkommens benötigen so genannte Staatsluftfahrzeuge eine Bewilligung um das Hoheitsgebiet eines anderen Staates zu überfliegen oder dort zu landen. In der Schweiz muss eine solche Diplomatic Clearance beim BAZL beantragt (PDF) werden. Das BAZL handelt dabei in Absprache mit dem Aussen (EDA)- und Verteidigungsministerium (VBS) unter Berücksichtigung neutralitätspolitischer Aspekte und unter der Wahrung der schweizerischen Souveränität.

Ausserhalb der Bürozeiten ist die Schweizerische Luftwaffe für die Erteilung von Diplomatic Clearances zuständig, wobei diese grundsätzlich auch nur zu Bürozeiten einsatzbereit ist.

Schweizerische Rechtsgrundlage bildet Art. 4 der Verordnung über die Wahrung der Lufthoheit (VWL):

«1 Ausländische Militär- und andere ausländische Staatsluftfahrzeuge dürfen nur mit einer Bewilligung (diplomatic clearance) schweizerisches Hoheitsgebiet überfliegen oder auf schweizerischem Hoheitsgebiet landen.

2 Das BAZL erteilt die Bewilligung. Es erteilt die Bewilligung in Absprache mit der Direktion für Völkerrecht oder mit der Luftwaffe, soweit diese betroffen sind. In Fällen von besonderer politischer Bedeutung stellt das BAZL zuhanden des Bundesrats Antrag auf Bewilligung.

3 Ausserhalb der Bürozeiten wird die Bewilligung durch die Luftwaffe erteilt.»

Das BAZL dokumentiert (PDF) die einschlägigen Regelungen und seine entsprechende Bewilligungspraxis für Diplomatic Clearances.

Kontrolle von Staatsluftfahrzeugen im Schweizer Luftraum

Staatsluftfahrzeuge im Schweizer Luftraum, die nach Instrumentenflugregeln (IFR) fliegen, werden durch die schweizerische Flugsicherung Skyguide kontrolliert (Art. 6 Abs. 3 lit. b VWL) und können auch durch Flugzeuge der Schweizer Luftwaffe überprüft werden – bis hin zu einem allenfalls notwendigen Waffeneinsatz (Art. 9 VWL).

Die Kontrolle durch die Flugsicherung regelt das Air Traffic Management Manual (ATMM) Switzerland. Demnach prüfen bei Flugplänen von Staatsluftfahrzeugen die diensthabenden Flugsicherungsfachpersonen (Air Navigation Services Employees, ANSE), ob die notwendige Einzel- oder Dauerbewilligung durch das BAZL erteilt wurde.

Sofern keine Bewilligung vorliegt, wird der Einflug in den schweizerischen Luftraum verweigert, worüber die betreffende benachbarte Flugsicherung informiert wird. Allenfalls erfuhr der Pilot der FAB001 somit von der österreichischen Flugsicherung, dass gemäss der italienischen Flugsicherung ein Weiterflug nicht möglich sei und kehrte deshalb zur Landung in Wien um.

Gleichzeitig muss der zuständige Skyguide-Dienstleiter telefonisch beim BAZL oder – ausserhalb der Bürozeiten – bei der Luftwaffe (Air Defense & Direction Center, ADDC) die fehlende Bewilligung einholen oder um Anweisungen bitten. Sind BAZL und Luftwaffe ausnahmsweise nicht erreichbar, kann der Dienstleiter den Einflug in den schweizerischen Luftraum genehmigen, sofern keine Gefahrengüter, Waffen, Munition oder Kriegsmaterial transportiert werden und/oder der Flug in keiner Art und Weise der Vorbereitung oder Unterstützung von Kriegshandlungen dient. In keinem Fall darf der Dienstleiter Landungen auf militärischen Flugplätzen oder Starts und Landungen von übermässigen lauten Luftfahrzeugen erlauben.

Ausserplanmässige Landung: Wieso in Österreich?

Der Einflug in den österreichischen Luftraum und die Landung in Wien sind aussergewöhnlich. Österreich interpretiert die eigene Neutralität üblicherweise wesentlich strenger als die Schweiz und gewährt deshalb Bewilligungen für Staatsluftfahrzeuge vergleichsweise selten.

Für die FAB001 auf dem Rückflug lag aber die notwendige Diplomatic Clearance gemäss Medienberichten vor. Und als sich die FAB001 erst einmal im österreichischen Luftraum befand und ohne Bewilligungen keinerlei Möglichkeiten zum Weiter- oder Rückflug hatte, musste letztlich mangels Treibstoff eine Landung auf einem Flugplatz in Österreich erfolgen – Österreich bot sich dabei auch als neutraler Staat ausserhalb der amerikanisch dominierten North Atlantic Treaty Organization (NATO) an …

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