Amerikanische Kritik hat dazu geführt, dass seit Anfang 2012 vertrauliche amerikanisch-schweizerische Gespräche zur Verfolgung von mutmasslichen Urheberrechtsverletzungen im Internet stattfinden. Rahmen für diese Gespräche ist ein Runder Tisch (Roundtable), der beim Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagt.
Im April 2013 konnte ich allgemeine Informationen, Traktandenlisten und die Namen der vertretenen Behörden und Organisationen veröffentlichen, nachdem ich im Namen der Digitalen Allmend mit Verweis auf das Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ) an das SECO gelangt war.
Nun stellte ich erneut ein Gesuch nach BGÖ an das SECO um für die Digitale Allmend weitere Informationen über den Runden Tisch in Erfahrung zu bringen. Das SECO kam dem Gesuch wiederum nicht vollumfänglich nach, beantwortete aber immerhin verschiedene Fragen und stellte zwei Traktandenlisten zur Verfügung (PDF). Einsicht in Protokolle sowie Angaben zu den beteiligten Personen wurden wiederum verweigert.
Arbeitsgruppe «Runder Tisch»
Der eigentliche Runde Tisch wurde zuletzt am 3. Oktober 2012 einberufen. Die federführende Arbeitsgruppe innerhalb des Runden Tisches traf sich zu ihrer vierten und fünften Sitzung am 23. Mai und 27. Juni 2013. Weitere Sitzungen sind gemäss SECO nicht geplant (Stand: 24. Oktober 2013). An diesen Sitzungen hatte die Schweizerische Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (KOBIK) nicht mehr teilgenommen.
Relevant erscheint aufgrund der Traktandenliste vor allem die fünfte Sitzung der Arbeitsgruppe «Runder Tisch»:
- Ein SECO-Mitarbeiter informierte über «Gespräche in Washington von Anfang Juni» und das Bundesamt für Justiz (BJ) lieferte ein «Update zu allfälligen Entwicklungen im Parlament».
- BJ, Bundesamt für Kommunikation (BAKOM), der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) und das SECO gaben «Stellungnahmen im Vorfeld der Sitzung bezüglich Gesetzesänderungen» ab.
- Die Arbeitsgruppe diskutierte die «[m]ögliche Umsetzung der Vorschläge von AGUR 12 zur Rechtsdurchsetzung» – «Warnhinweise», «Verpflichtung der Hosting Provider», «Verpflichtung der Access Provider» und «Schutz der Provider vor Verantwortlichkeitsklagen» im Licht der entsprechenden Richtlinien der Europäischen Union (EU), der «Umsetzung durch die EU-Mitgliedstaaten» und die «internationalen Bestrebungen zu Website Blocking und ISP Cooperation». Die erwähnten Beilagen 1 bis 5 zu den Traktandenlisten habe ich nicht erhalten.
Die erwähnte AGUR12 ist eine schweizerische Arbeitsgruppe, die ebenfalls über verschärfte Massnahmen gegen mutmassliche Urheberrechtsverletzungen im Internet diskutiert. Im Frühling wurde bekannt, dass die AGUR12 insbesondere Massnahmen wie Netzsperren, Warnhinweise sowie Notice and Take Down-Verfahren mit umfassender Internet-Überwachung bei gleichzeitiger Immunität für Hosting- und Internetzugangs-Anbieter fordert. Am Runden Tisch wurde die Umsetzung solcher Massnahmen demnach bereits diskutiert. Die AGUR12 selbst wird ihren Schlussbericht, der momentan im Geheimen erarbeitet wird, frühestens Ende November 2013 veröffentlichen.
Expertengruppe «Runder Tisch»
Die so genannte Expertengruppe des Runden Tisches traf sich anscheinend einmal im Anschluss an die erste Sitzung des Runden Tisches vom 14. März 2012 ohne Traktandenliste und berichtete dem Runden Tisch am 3. Oktober 2012. Das SECO schreibt zu den Aufträgen der Expertengruppe:
«[Die Expertengruppe] hatte keine offizielle oder inoffizielle Bezeichnung. Zweck der Sitzung war die Erörterung der Rechtslage nach dem Logistep-Entscheid. An der Sitzung sollten juristische und technische Fragen im Zusammenhang mit der Ermittlung gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet diskutiert werden.»
Gemäss SECO setzte sich die Expertengruppe wie folgt zusammen:
«An der Sitzung nahmen Vertreter des Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten, des Institut für Geistiges Eigentum, der Staatsanwaltschaft Zürich, der Swiss Anti-Piracy Federation und des SECO teil. Was die Namen und Funktionsbezeichnungen der Teilnehmer betrifft, sind diese Personendaten gleich zu behandeln wie die Angaben der Teilnehmer am Roundtable und seiner Arbeitsgruppe. Gemäss Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 BGÖ können diese nicht kommuniziert werden, da dies zu einer Beeinträchtigung der Privatsphäre Dritter führen könnte. Es besteht kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe dieser Personendaten.»
Die Arbeitsgruppe «Runder Tisch» dürfte die Aufgaben der Expertengruppe «Runder Tisch» nach deren einmaliger Sitzung übernommen haben.
Man sollte meinen, dass die eidg. Ämter nach den Geheimverhandlungen über ACTA und deren desaströsem Ende etwas gelernt hätten?
Und die oben unter 3. angeführten Stichworte lassen auch nichts gutes ahnen. Immer wenn das Thema von Sperren aufkommt, beschleicht mich der Verdacht dass auch unsere Behörden gar nicht abgeneigt wären, wenn (aus welchem Vorwand immer) die Infrastruktur für Eingriffe baldmöglichst Vorschrift würde.