Urheberrecht: Bericht zum Runden Tisch Schweiz/USA

Foto: FBI-Anti-Piraterie-Warnung auf einer Musik-CD

Aufgrund von Kritik der amerikanischen Unterhaltungsindustrie fanden 2012 und 2013 an einem Runden Tisch (Roundtable) vertrauliche Gespräche zur Verfolgung von mutmasslichen Urheberrechtsverletzungen im Internet in der Schweiz statt. Hintergrund sind die engen rechtsstaatlichen Grenzen, die der Datenschutz bei der Strafverfolgung von Nutzerinnen und Nutzern, die urheberrechtlich geschützte Inhalte mittels Filesharing mutmasslich rechtswidrig teilen, setzt – sehr zum Ärger der amerikanischen Unterhaltungsindustrie und ihren Vertretern in der Schweiz.

Vor einigen Tagen hat das zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in aller Stille einen ersten Bericht zum Runden Tisch (PDF) veröffentlicht, wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) aufgedeckt hat. Das Ergebnis sind wie erwartet die immer gleichen Forderungen der amerikanischen Unterhaltungsindustrie nach repressiven Massnahmen wie beispielsweise Netzsperren oder einer Bestandsdatenauskunft ohne Strafverfahren.

Am Runden Tisch waren zahlreiche Schweizer Behörden, die amerikanische Botschaft in Bern sowie verschiedene Vertreter der amerikanischen Unterhaltungsindustrie vertreten. Letztere sass mit den Unterhaltungskonzernen Universal Music und Walt Disney direkt am Runden Tisch. Dazu kamen Werder Viganò Anwälte als Rechtsberater der Swiss Anti-Piracy Foundation (SAFE), die ebenfalls durch die amerikanische Unterhaltungsindustrie dominiert wird. Konsumentinnen und Konsumenten oder Provider aus der Schweiz waren am Runden Tisch nicht vertreten.

Forderung nach Bestandsdatenauskunft und Netzsperren

Der Runde Tisch zog bereits im Juni 2013 ein vorläufiges Fazit und hielt demnach insbesondere die «Schaffung eines zivilrechtlichen Instruments, welches die strafrechtliche Klagemöglichkeit ergänzt», für angezeigt. Bei diesem «Instrument» geht es darum, dass Access Provider unabhängig von Strafverfahren gegenüber Rechteinhabern offenlegen sollen, welcher Kundin oder welchem Kunden eine IP-Adresse zugeordnet ist. Deutschland kennt ein solches «Instrument» als Bestandsdatenauskunft.

Ausdrücklich diskutiert am Runden Tisch wurden unter anderem auch Netzsperren «gegen ausländische Plattformen […], welche widerrechtlich Werke anbieten, die urheberrechtlich geschützt sind (oder auf andere Seiten mit solchen Inhalten verweisen)» sowie die freiwillige Tätigkeit von Providern als Hilfspolizisten der amerikanischen Unterhaltungsindustrie. Ausserdem läuft seit Anfang 2013 im Kanton Zürich ein Musterstrafverfahren, das spätestens durch ein entsprechenes Bundesgerichturteil klären soll, wie eine datenschutzkonforme Strafverfolgung von mutmasslichen Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing in der Schweiz (wieder) erfolgen kann.

Im Rückblick zeigt sich, dass die Vertreter der amerikanischen Unterhaltungsindustrie parallel zum vertraulichen Runden Tisch auch die AGUR12 erheblich beeinflussten. Die AGUR12 war eine weitere Arbeitsgruppe zum Urheberrecht in der Schweiz und sollte sich eigentlich mit der «Optimierung der kollektiven Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten» befassen. Sie veröffentlichte stattdessen Anfang Dezember 2013 einen Schlussbericht, der im Wesentlichen repressive Massnahmen wie Netzsperren, Selbstjustiz und Überwachung zur Durchsetzung des Urheberrechts im schweizerischen Internet forderte.

Nachfolgend einige Ausschnitte aus dem Bericht (mit Hervorhebungen durch den Autor):

Rechtlicher und politischer Hintergrund: Logistep-Urteil

«Mit seinem Urteil vom 8. September 2010 [BGE 136 II 508] entschied das Bundesgericht, dass die Firma Logistep, die gewerbsmässig IP-Adressen mutmasslicher Urheberrechtsverletzer gesammelt und an die Rechteinhaber verkauft hatte, mit ihrem Vorgehen gegen das Datenschutzgesetz verstossen hat. […] Wird nun das Bundesgerichtsurteil […] so ausgelegt, dass die Beschaffung von IP-Adressen zur Ermittlung des Tatbestands der Urheberrechtsverletzung im Internet grundsätzlich nicht mit dem Datenschutzgesetz vereinbar ist, so erschwert dies die strafrechtliche Verfolgung von solchen Urheberrechtsverletzungen erheblich. Denn erst mittels der gesammelten IP-Adressen gelangen die Ermittlungsbehörden zum Inhaber des Anschlusses, über welchen die Urheberrechtsverletzungen vorgenommen wurden. Die Behörden können dann allenfalls eine Hausdurchsuchung und bei Bedarf die Beschlagnahmung von Beweismitteln veranlassen. Dass die kantonalen Strafverfolgungsbehörden Anzeigen der Rechteinhaber mit Verweis auf den Bundesgerichtsentscheid gegen Logistep nicht mehr nachgehen, hat deshalb zu Schwierigkeiten bei der Ahndung von Urheberrechtsverletzungen im Internet geführt. […]

Die Konsequenzen des Entscheids sind auch regelmässig Thema in den bilateralen Gesprächen zwischen der Schweiz und den USA, welche den Entwicklungen in der Schweiz kritisch gegenüberstehen. Die USA haben ihre Bedenken auch auf hoher diplomatischer Ebene, so etwa im Rahmen der Joint Economic Commission, zum Ausdruck gebracht. […]

Die Auffassung der kantonalen Staatsanwaltschaften, dass nach dem Bundesgerichtsurteil im Fall Logistep das Sammeln von IP-Adressen grundsätzlich nicht mehr gestattet sei und daher auch keine entsprechenden Ermittlungen mehr durchgeführt werden können, steht im Widerspruch zur Position des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB). Dieser hatte in einem Schreiben an die Schweizerische Vereinigung zur Bekämpfung der Piraterie (SAFE) ein Vorgehen skizziert, das sich seines Erachtens von demjenigen der Firma Logistep klar unterscheidet und mit dem Datenschutzgesetz konform ist. Das vom EDÖB vorgeschlagene Vorgehen unterscheidet sich von den Praktiken der Firma Logistep insbesondere dadurch, dass die Rechteinhaber auf ihrer Website ihre Vorgehensweise (einschliesslich detaillierter Angaben zu Art und Umfang der gesammelten Daten) vollständig offenlegen und deutlich machen sollen, dass sie immer eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung abwarten, bevor sie Urheberrechtsverletzer mit Zivilforderungen konfrontieren. […]»

Filesharing: Musterstrafverfahren im Kanton Zürich

«[A]m 7. Januar 2013 [wurde] bei der Staatsanwaltschaft Zürich Strafanzeige gegen einen unbekannten Internetnutzer eingereicht, der über ein Peer-to-peer Netzwerk rund 1’500 urheberrechtlich geschützte Werke verfügbar gemacht hatte. [Die Rechteinhaber] beabsichtigen, mit dem Führen eines Musterstrafverfahrens die Tragweite des Logistep-Entscheids des Bundesgerichts zu klären. […]

Die Staatsanwaltschaft Zürich veranlasste am 10. Januar 2013 beim Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr auf Basis der von den Rechteinhabern in ihrer Anzeige genannten IP-Adresse eine Teilnehmeridentifikation. Diese Massnahme wurde laut Staatsanwaltschaft vorsorglich vorgenommen, weil die Ablehnung des Beweisantrags einen materiellen Rechtsnachteil dargestellt hätte und in einem allfälligen späteren Prozessstadium nicht mehr hätte wiederholt werden können. In ihrer am 4. März 2013 erlassenen Einstellungsverfügung hielt die Staatsanwaltschaft jedoch fest, dass die erhobenen Daten in einem Zivil- oder Strafverfahren aufgrund einer Datenschutzverletzung nicht verwertbar seien. Denn die Erhebung von IP-Adressen durch Private, welche die Identifikation des Anschlussinhabers durch die Untersuchungsbehörde ermöglichen, ist nach Ansicht der Staatsanwaltschaft geeignet, die Persönlichkeit einer grösseren Anzahl von Personen zu verletzen. Sie verweist in ihrer Argumentation ausdrücklich auf den Logistep-Entscheid des Bundesgerichts.

Der Vertreter der Rechteinhaber rekurrierte gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft beim Zürcher Obergericht. Es wird erwartet, dass dieses in nächster Zeit über die Rechtmässigkeit der Einstellungsverfügung entscheidet. Falls das Obergericht den Entscheid der Staatsanwaltschaft stützt, werden die Rechteinhaber einen Weiterzug des Entscheids ans Bundesgericht in Erwägung ziehen. Es kann damit gerechnet werden, dass dieses den Fall im Verlauf des Jahres 2014 beurteilen würde.

Falls das Bundesgericht zum Schluss kommen würde, dass das Vorgehen der Rechteinhaber mit dem Datenschutzgesetz vereinbar ist, […] würde [damit] der Weg für eine strafrechtliche Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet wieder frei. Die Rechteinhaber wünschen sich jedoch […] neben dem strafrechtlichen Instrumentarium auch eine zivilrechtliche Handhabe. Diese würde mit einem Leitentscheid des Bundesgerichts nicht geschaffen.»

Geprüfte Gesetzesanpassungen am Runden Tisch

Die amerikanische Unterhaltungsindustrie forderte am Runden Tisch, auch direkt zivilrechtlich gegen mutmassliche Urheberrechtsverletzungen im Internet vorgehen zu können – das heisst, ohne dass mutmassliche Urheberrechtsverletzer erst durch ein Strafverfahren ermittelt und rechtskräftig verurteilt werden müssen. Diese Forderung nach einem Auskunftsanspruch gegen Access Provider stiess bei den meisten Schweizer Behörden, die am Runden Tisch vertreten waren, auf Wohlwollen. Ein solcher Auskunftsanspruch ähnlich der Bestandsdatenauskunft in Deutschland durch eine entsprechende Anpassung des Fernmeldegesetzes (FMG) sei – so die Vertreter der amerikanischen Unterhaltungsindustrie – «mit Blick auf die Schwere des Delikts angemessener, für die Betroffenen weniger traumatisierend und schone überdies die Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden.»

Das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) äusserte zwar erhebliche Bedenken, die sich aber im Wesentlichen darauf beschränkten, einen solchen Auskunftsanspruch nicht im FMG, sondern im Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) zu verankern. Der EDÖB hingegen «sprach sich wiederholt kategorisch [dagegen] aus. Das Gesetz sei zur Ahndung von Straftatbeständen wie Terrorismus geschaffen worden und eigne sich nicht für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche. Auch politisch sei hier mit besonders viel Widerstand zu rechnen.»

Geprüft wurden auch Anpassungen von Datenschutzgesetz (DSG) und Urheberrechtsgesetz (URG), allerdings ohne dass die entsprechenden Möglichkeiten überzeugt hätten. So hielt der EDÖB zum DSG fest, dass «es sich um ein allgemein formuliertes Regelwerk handle und konkrete Urheberrechtsbestimmungen darin ein Fremdkörper wären.»

Geprüfte weitere Massnahmen am Runden Tisch

Vorgehen gegen Plattformen?

Neben Gesetzesanpassungen wurden auch weitere Massnahmen geprüft. Dazu zählte unter anderem das «Vorgehen gegen Plattformen innerhalb des bestehenden Rechts», wobei Vertreter der amerikanischen Unterhaltungsindustrie behaupteten, in der Schweiz gäbe es Plattformen, bei denen «illegale Aktivitäten ihrer Nutzer […] ein integraler Teil des Geschäftsmodells» seien. Verfahren gegen solche Plattformen wurden aber wegen rechtlichen Risiken verworfen:

«[…] Verfahren gegen solche Plattformen drohen […] durch andere Rechtsfragen überfrachtet zu werden, so dass die Klärung der den Roundtable interessierenden Einzelfrage, nämlich diejenige nach der Abwägung des Datenschutzes gegen den Urheberrechtsschutz, laut den Rechteinhabern höchst unsicher sei. […]»

Netzsperren?

«Die DNS-Blockade ist ein Mittel, welches auch bei der Pirateriebekämpfung zur Anwendung kommen könnte. Das Instrument wird in der Schweiz bereits heute von der Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (KOBIK) eingesetzt. Die KOBIK wurde 2003 als Ansprechpartnerin für sämtliche strafrechtlich relevanten Handlungen im Internet ins Leben gerufen, widmet sich aber vorwiegend der Bekämpfung der Kinderpornographie. […]

Die Rechteinhaber argumentierten, die DNS-Blockade sei technisch einfach, effektiv, günstig umzusetzen und richte sich nicht gegen einzelne Benutzer, sondern gegen die widerrechtlichen Anbieter von urheberrechtlich geschütztem Material. Damit wäre auch ein wichtiges Anliegen der Bundesbehörden erfüllt, welche eine Kriminalisierung des Endverbrauchers verhindern möchten. Dank der Arbeit der KOBIK verfüge man über grosse Erfahrung mit DNS-Blockaden. Die Massnahme sei auch viel einfacher umzusetzen als etwa das Senden von Warnhinweisen an die Nutzer von Peer-to-peer-Netzwerken. Zwar bieten DNS-Blockaden keinen umfassenden Schutz für die Rechteinhaber, es sei jedoch entscheidend, dass sie mit ihnen ein wirkungsvolles rechtliches Instrument in Händen halten würden.

Das Bundesamt für Justiz und das BAKOM vertraten die Position, dass bei einer allfälligen Umsetzung des Vorschlags dem Rechtsschutz viel Gewicht beigemessen werden müsse. So soll der Rechtsweg zu einer unabhängigen Schlichtungsstelle offenstehen, um irrtümliche Blockaden anfechten zu können. Die Schaffung einer unabhängigen Stelle, welche die Liste mit den zu sperrenden Seiten verwaltet, stiess auch bei den Rechteinhabern auf Zustimmung. […] Es wurde jedoch festgehal- ten, dass die KOBIK in ihrer heutigen Form aufgrund von Ressourcenknappheit und des fehlenden Auftrags hier wohl kaum tätig werden könnte. Es wurden zudem Zweifel geäussert, ob die Kantone einer Ausweitung des Mandats der KOBIK auf die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen zustimmen würden.»

Provider als freiwillige Hifspolizisten?

«Von Seiten der US-Botschaft wurde die Idee einer freiwilligen Vereinbarung zwischen den Rechteinhabern und den ISP eingebracht. Demnach würden die ISP ihre AGB anpassen, um so Massnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen ihrer Kunden ergreifen zu können. […] Für die Umsetzung dieses Vorschlages in der Schweiz sah insbesondere der Vertreter der Rechteinhaber grundsätzliche Probleme. Er berichtete, dass sich die Access Provider in der Schweiz auf den Standpunkt stellen würden, dass es neue gesetzliche Grundlagen für ein Tätigwerden ihrerseits brauche. Trotz jahrelangen Gesprächen mit den Access Providern hätten diese bisher keinen Schritt in Richtung einer freiwilligen Zusammenarbeit getan. Dies sei der Fall, weil sie Wettbewerbsnachteile befürchten, wenn sie einseitig gegen die Urhe- berrechtsverletzungen ihrer Kunden vorgehen würden, obwohl ein solches Vorgehen nach einer Änderung der AGB bereits heute ohne Weiteres jedem Access Provider möglich wäre.»

Ausblick am Runden Tisch

«In einem nächsten Schritt würde es nun darum gehen, ein Gesetzesvorhaben auszuarbeiten. Mit den beschränkten Ressourcen des Roundtable einen substantiellen Beitrag zu solchen Arbeiten zu leisten, wäre allerdings nur schwer möglich. Es muss ebenfalls festgehalten werden, dass es nicht gelang, die Vorbehalte verschiedener Bundesstellen gegen Gesetzesänderungen in ihrem Zuständigkeitsbereich auszuräumen. Es kommt hinzu, dass der Bundesrat der Bundesverwaltung bisher keinen Auftrag für den Erlass neuen Rechts erteilt hat. […] Aus diesen Gründen kommt die Arbeitsgruppe zum Schluss, dass sie ihre explorativen Arbeiten de lege ferenda bis auf Weiteres einstellt und die weiteren Entwicklungen im Themengebiet abwartet. Weiterhin wird der Roundtable das Musterverfahren begleiten, wobei hier insbesondere der Entscheid des Obergerichtes des Kantons Zürich abzuwarten ist. […]

Man darf […] davon ausgehen, dass viele der zentralen zivilrechtlichen Fragen, welche am Runden Tisch diskutiert worden sind, auch vom [Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement] (EJPD) aufgenommen werden. Gleichzeitig könnte im Verlauf des nächsten Jahres eine Klärung der Situation im Strafrecht erfolgen, falls sich das Bundesgericht zum von den Rechteinhabern lancierten Musterstrafverfahren äussert.

Am 6. Dezember 2013 hat die AGUR12 ihren Schlussbericht vorgelegt. Darin enthalten sind auch Vorschläge für eine Reihe von Massnahmen zur besseren Durchsetzung von Urheberrechten. Diese Empfehlungen nehmen eine Reihe der Themen auf, welche auch am Roundtable besprochen wurden. So schlägt die AGUR12 vor, dass Plattformbetreiber künftig für die Verhinderung der Verteilung von urheberrechtlich geschütztem Material über ihre Server verantwortlich sein sollen, dass ISP auf behördliche Anweisung durch DNS- oder IP-Blocking den Zugang zu Internetseiten mit illegalen Inhalten sperren sollen und Rechteinhaber Internetverbindungsdaten für die Ermittlung von Urheberrechtsverletzungen bearbeiten dürfen. Weiter sollen wo nötig gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, damit schwerwiegende Urheberrechtsverletzungen sowohl zivil- als auch strafrechtlich verfolgt werden können. Dazu schlägt die AGUR12 vor, die Randdaten von Anschlüssen, welche für Urheberrechtsverletzungen verwendet wurden, zu speichern, und sie auf behördliche Anordnung den Rechteinhabern bekannt zu geben. Der Bericht der AGUR12 geht nun an die Vorsteherin des EJPD, welche über die weitere Umsetzung seiner Empfehlungen befinden wird.

Vor diesem Hintergrund findet ein weiteres Treffen des Roundtable und seiner Arbeitsgruppe einstweilen erst wieder statt, wenn der Entscheid des Obergerichtes des Kantons Zürich vorliegt oder wenn die Situation dies aus anderen Gründen angezeigt scheinen lässt.»

Fazit zum amerikanisch-schweizerischen Runden Tisch

Unbestritten ist, dass auch in der Schweiz ein straf- und zivilrechtliches Vorgehen gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet möglich sein muss. Die politische und rechtliche Diskussion darüber muss aber öffentlich geführt werden und darf nicht an vertraulichen Runden Tischen unter einseitiger Beteiligung der amerikanischen Unterhaltungsindustrie stattfinden oder der Rechtsprechung überlassen werden. Ausserdem müssen die schweizerischen und europäischen Grundrechte wie beispielsweise das Fernmeldegeheimnis, das Recht auf Privatsphäre und das Verhältnismässigkeitsprinzip beachtet werden. Sollten Massenabmahnungen wegen Filesharing in der Schweiz in diesem Rahmen wieder möglich werden – der Bundesrat sah dafür eigentlich gar keinen Handlungsbedarf –, wäre aus heutiger Sicht unklar, wer für Urheberrechtsverletzungen unter einer IP-Adresse haftbar gemacht werden kann und wie der Schaden zu berechnen ist.

Die amerikanische Unterhaltungsindustrie mit ihren immer gleichen Maximalforderungen nach repressiven Massnahmen weckt Zweifel, ob sie wirklich bereit ist, sich im gängigen rechtsstaatlichen Rahmen zu bewegen. Ihre Forderungen zielen regelmässig auf den Kerngehalt von Grundrechten und gegen rechtsstaatliche Garantien. Fragwürdig ist aber auch das Wohlwollen verschiedener Behörden gegenüber solchen Forderungen. So sollte das BAKOM das Fernmeldegeheimnis verteidigen und der EDÖB für wirksamen Datenschutz kämpfen. Die vorgängige richterliche Überprüfung von Zwangsmassnahmen sowie der nachträgliche Rechtsweg über staatliche Gerichte muss jederzeit gewährleistet sein.

Gleichzeitig versäumt es die amerikanische Unterhaltungsindustrie weiterhin, ihr Geschäftsmodell zum eigenen Vorteil in die digitale Welt zu übertragen. Nutzerinnen und Nutzer in der Schweiz gelten zu Recht als konsumfreudig und zahlungskräftig, die Nachfrage nach Inhalten ist gross. Die amerikanische Unterhaltungsindustrie und ihre Vertreter in der Schweiz ziehen es stattdessen vor, repressive Massnahmen wie Netzsperren, Selbstjustiz und Überwachung zu fordern oder ihre bestehende Kundschaft mit Digital Rights Management (DRM) zu drangsalieren.

Urheberinnen und Urheber sowie Rechteinhaber sollen in der Schweiz gute Rahmenbedingungen zur Monetarisierung ihrer Inhalte im Internet vorfinden, aber nicht auf Kosten von Grundrechtsschutz, Rechtsstaatlichkeit und Verhältnismässigkeit. Gibt die Schweiz dem entsprechenden amerikanischem Druck nach, gefährdet sie ihre Standortvorteile für Unternehmen im digitalen Raum, die gerade nach den Enthüllungen von Whistleblower Edward Snowden stark an Bedeutung gewonnen haben.

Bild: Flickr / bizmac, «FBI Anti-Piracy Warning!», CC BY 2.0 (generisch)-Lizenz.

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