Ehrverletzung: Fastronautin, aber keine «Hochstaplerin»

Graffito: Panda, der auf einer Rakete sitzt, die zum Mond fliegtAnfang November 2013 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich einen Journalisten in zweiter Instanz wegen übler Nachrede (Art. 173 Ziff. 1 StGB).

In einem Tages-Anzeiger-Artikel hatte der Journalist eine Physik-Lehrerin als «Hochstaplerin» bezeichnet, nachdem diese in zahlreichen Medien mit ihrem Berufswunsch «Astronautin» unkritisch porträtiert worden war und durch ihr prahlerisches Auftreten zu Kritik eingeladen hatte.

Die neue Zürcher Zeitung (NZZ) schrieb von einem «engen, strengen Urteil», der (direkt betroffene) Tages-Anzeiger hatte bereits das erstinstanzliche Urteil als «übermässig streng» bezeichnet.

Inzwischen wurde das Urteil SB130054 vom 4. November 2013 im Volltext in einer anonymisierten Fassung – selbst die amerikanische NASA wird lediglich als «H.____» bezeichnet! – veröffentlicht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und wird voraussichtlich das Bundesgericht beschäftigen.

Das Urteil des Obergerichts lautet auf eine bedingte Geldstrafe von 5’400.00 Franken (60 Tagessätze à 90.00 Franken) zuzüglich Verfahrenskosten sowie Entschädigung an die Physik-Lehrerin als Privatklägerin in jeweils einem tiefen fünfstelligen Betrag.

Das Urteil entspricht teilweise einer Medienschelte, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem misslungenen Gutglaubensbeweis …

«[…] [Der Journalist] hatte genügend Zeit, Recherchen anzustellen und hat dies auch getan. Er war hingegen gegenüber der Privatklägerin offensichtlich voreingenommen […] und wertete das ihm zur Verfügung stehende Informationsmaterial nicht neutral aus, sondern kam zu einer übertriebenen und nicht zutreffenden Schlussfolgerung. Angriffsobjekt des Artikels des Beschuldigten war namentlich – und nachvollziehbar – auch die reisserische Berichterstattung seiner Berufskollegen über die Privatklägerin. Er hätte sich jedoch bei seiner berechtigten Kritik an dieser Art Journalismus nicht zu einem Rundumschlag hinreissen lassen dürfen, in welchem er die Privatklägerin in ihrer Funktion als Lieferantin der Geschichte als Lügnerin und Täuschende mitanprangerte. Er hat es in seinen Recherchen und den gezogenen Schlüssen betreffend die Privatklägerin an der notwendigen Sorgfalt und Ausgewogenheit missen lassen. […]»

… oder mit Kritik am gängigen Hoch- und Niederschreiben im Boulevard-Journalismus:

«[…] Die Berichterstattung über die Privatklägerin, wie sie in zahlreichen Artikeln erfolgte, ist fraglos und belegtermassen als reisserisch zu bezeichnen […]. Exemplarisch für das Funktionieren des Boulevard-Journalismus in dieser Sache ist das Verhalten des ‹D1._____›, welcher die Privatklägerin im November 2009 unkritisch als ‹schon mit einem Bein auf dem Mars› hochjubelte […], um sie noch am Tag des Erscheinens des inkriminierten C._____-Artikels im August 2010 und unter offensichtlicher Verwendung dessen Inhalts als ‹Mondkalb› zu bezeichnen, welches alle an der Nase herum führe […].»

Im Ergebnis erging das Obergerichts-Urteil in erster Linie aufgrund der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Bezeichnung «Hochstapler»:

«In seinem Entscheid 6B_648/2011 vom 30. Dezember 2011 hat das Bundesgericht zunächst eine Definition von hochstaplerischem Verhalten geliefert. Dabei handelt es sich um das ‹Vortäuschen einer besonderen Fähigkeit, einer besonderen Ausbildung oder Funktion, die in Tat und Wahrheit nicht gegeben sei›. Sodann erwägt es unmissverständlich, ‹die Bezeichnung eines Menschen als Hochstapler ist bereits für sich ehrverletzend›. Bereits in BGE 77 IV 168 hat das Bundesgericht die Bezeichnung ‹Hochstapler› als beschimpfendes Werturteil taxiert.»

Bemerkenswert: Der verurteilte Journalist war für seinen Artikel mit einem «Nach­wuchs­preis des Zürcher Journalistenverbandes» im Wert von 10’000 Franken ausgezeichnet worden, was beim Obergericht durchaus Zustimmung fand. Nach der Preisverleihung stellte sich der Artikel dann zumindest teilweise als Plagiat aus einem Weblog heraus. Und die «Fastronautin» hatte überhaupt erst aufgrund einer Empfehlung von Bundesrätin (und Anwaltskollegin) Doris Leuthard ihre Ehr­ver­let­zungs­klage eingereicht …

Bild: Flickr / Quinn Dombrowski, «To the moon!», CC BY-SA 2.0 (generisch)-Lizenz.

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