Urheberrecht: «Hollywood» setzt Schweiz unter Druck

Logo: International Intellectual Property Alliance (IIPA)

Alljährlich im Frühling veröffentlicht der Handelsvertreter der Vereinigten Staaten von Amerika seinen «Special 301 Report» über Schutz und Durchsetzung von Geistigem Eigentum bei amerikanischen Handelspartnern. Der Bericht dient als politisches Druckmittel gegenüber Staaten wie beispielsweise der Schweiz, deren Immaterialgüterrecht (noch) nicht vollständig amerikanischen Wünschen entspricht.

Beim Urheberrecht nimmt die International Intellectual Property Alliance (IIPA) als Lobby-Organisation der amerikanischen Unterhaltungsindustrie («Hollywood») erheblichen Einfluss auf den Bericht und übt dabei seit Jahren jeweils auch harte Kritik an der Schweiz. Für den nächsten Bericht fordert die IIPA wie schon im Vorjahr, dass der Handelsvertreter die Schweiz auf seine Beobachtungsliste («Schwarze Liste») setzt. Ausserdem fordert die IIPA, der Handelsvertreter müsse seine bilateralen Bemühungen gegenüber der Schweiz verstärken («[…] increase its bilateral engagement with Switzerland […]»).

Die IIPA verweist in ihrer Stellungnahme zur Schweiz (PDF) insbesondere auf die umstrittenen AGUR12-Empfehlungen für Netzsperren, Überwachung und Zensur im Schweizer Internet, den amerikanisch-schweizerischen Runden Tisch zum Urheberrecht und das hängige Filesharing-Musterstrafverfahren gegen einen Gnutella-Nutzer im Kanton Zürich. Den Runden Tisch bewertet die IIPA trotz repressiven Forderungen wie unter anderem einer Bestandsdatenauskunft als Enttäuschung.

Forderungen der amerikanischen Unterhaltungsindustrie

Im Ergebnis fordert die IIPA, das Urheberrecht müsse gemäss den (angeblich einstimmigen) Empfehlungen der AGUR12 so bald wie möglich verschärft und das Urheberrecht für eine verstärkte Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet reformiert werden. Der Handelsvertreter müsste seinen Druck auf die Schweiz verstärken und sie dafür auf seine Beobachtungsliste setzen.

Ausserdem sollen Privatkopien als Urheberrechtsverletzungen behandelt werden, sofern sie nicht aus einer legalen Quelle stammen. Heute sind Privatkopien wie beispielsweise BitTorrent-Downloads von urheberrechtlich geschützten Inhalten unabhängig von der Quelle legal. Als Ausgleich dafür werden – im internationalen Vergleich hohe – pauschale Urheberrechtsabgaben erhoben und an die Rechteinhaber, darunter mehrheitlich ausländische Rechteinhaber wie die amerikanische Unterhaltungsindustrie –, verteilt.

Weiter fordert die IIPA, das rechtmässige Umgehen von technischen Schutzmassnahmen (Digital Rights Management, DRM) sollte eingeschränkt werden – und zielt damit direkt auf die Barrierefreiheit, auf die beispielsweise sehbehinderte Nutzerinnen und Nutzer im Internet angewiesen sind.

Im Übrigen behauptet die IIPA einmal mehr, die Schweiz geniesse zunehmend einen Ruf als sicherer Hafen für globale Internet-Piraterie («[…] growing reputation as a safe haven for certain Internet service providers […] to base operations dedicated to piracy on a global scale. […]») Als Beispiel muss wie fast immer der Speicherdienst Rapidshare herhalten, obwohl dieser mit nur noch einem verbleibenden Mitarbeiter sichtbar am Ende zu sein schein …

Schweizer Internet-Anbieter bewegen sich selbstverständlich nicht in einem rechtsfreien Raum und das schweizerische Urheberrechtsgesetz wird auch im Internet durchsetzt – so gibt es in der Schweiz beispielsweise längst keine Filesharing-Portale mehr und die Abmahnungen von Getty Images sind erfolgreich. Geschäftsmodelle, die auf mutmasslichen Urheberrechtsverletzungen setzen, funktionieren in der Schweiz und aus der Schweiz heraus nicht.

Stellungnahme des Instituts für Geistiges Eigentum

Das Institut für Geistiges Eigentum (IGE) hat eine eigene Stellungnahme (PDF) veröffentlicht. Das IGE verweist im Wesentlichen – gerade auch mit Bezug auf die Forderungen der IIPA – auf die umstrittenen Empfehlungen der AGUR12, den Runden Tisch und das Musterstrafverfahren. Die im Vergleich zu den Vorjahren zurückhaltende Stellungnahme zeigt, dass der amerikanische Druck Wirkung zeigt, denn nüchtern betrachtet fehlt es immer noch an Handlungsbedarf, wie der Bundesrat schon 2011 festgestellt hatte.

Ausblick

Der diesjährige «Special 301 Report» wird voraussichtlich Ende April oder Anfang Mai 2014 erscheinen. Die IIPA hatte bislang mit ihrer Forderung, die Schweiz auf die Beobachtungsliste des Handelsvertreter zu setzen, keinen Erfolg, doch zeigt der amerikanische Druck auch so Wirkung. So konnten Vertreter der amerikanischen Unterhaltungsindustrie erheblichen Einfluss auf die AGUR12-Empfehlungen nehmen.

Die amerikanische Unterhaltungsindustrie zeigt mit ihren Forderungen, dass sie weiterhin auf Repression setzt anstatt ihr Geschäftsmodell zum eigenen Vorteil endlich in die digitale Welt zu übertragen. Gerade auch in der Schweiz gilt es die grosse Nachfrage von konsumfreudigen und zahlungskräftige Nutzerinnen und Nutzer nach Inhalten der amerikanischen Unterhaltungsindustrie zu befriedigen. Es bleibt rätselhaft, wieso die Geschäftstüchtigkeit von «Hollywood» diese Nachfrage mit grosser Hartnäckigkeit nicht befriedigt.

Rechteinhaber sollen in der Schweiz gute Rahmenbedingungen zur Monetarisierung ihrer Inhalte vorfinden – gerade auch im Internet. Das bewährte Gleichgewicht im schweizerischen Urheberrecht muss aber gewahrt bleiben, zumal es durch einen langen demokratischen Prozess legitimiert ist und nicht repressive Forderungen von einzelnen Interessengruppen einseitig aufnimmt. In diesem vergleichsweise liberalen Urheberrecht liegt ein wichtiger Standortvorteil für die Schweiz, der nicht in vorauseilendem Gehorsam gegenüber den erfolgreichen «Hollywood»-Lobbyisten aufs Spiel gesetzt werden darf.

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