Richterliche Mühen: Selbst entscheiden, geltendes Recht

Foto: Obergericht des Kantons Zürich

«Die alte Zürcher ZPO gilt definitiv nicht mehr, und wenn die Parteien nicht einig sind, muss sich das Gericht der Mühe unterziehen, den Streitwert festzulegen.»

Mit diesen Worten erklärte das Obergericht des Kantons Zürich leicht entnervt einem Bezirksgericht (Vorinstanz), dass es (1) die geltende Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) anwenden muss, und dass es (2) zur richterlichen «Mühe» gehört, bei Uneinigkeit von Parteien selbst zu entscheiden.

Das Urteil stammt vom 21. Januar 2015 (Geschäftsnummer LB140070-O/U, PDF), die «neue» Schweizerische Zivilprozessordnung ist seit dem 1. Januar 2011 in Kraft (mit Übergangsbestimmungen).

Das Urteil, soweit veröffentlicht, im Volltext:

«[…] Das Bezirksgericht hat erwogen, der Widerkläger beziffere den Streitwert auf Fr. 300’000.– entsprechend seinem mutmasslichen Honorar, die Klägerin ihr Interesse an ihrer Klage auf Fr. 1,85 Mio., und ‹demnach› sei das Letztere der Streitwert. Das war richtig bis Ende 2010 und wäre richtig, wenn das Verfahren noch dem alten Prozessrecht unterstünde (Art. 404 Abs. 1 ZPO und § 22 Abs. 2 ZPO/ZH). Der Prozess ist aber nach neuem Recht zu führen. Danach sind übereinstimmende Bezifferungen der Parteien zum Streitwert nur noch bedingt von Bedeutung, und bei Uneinigkeit muss sich das Gericht der Mühe unterziehen, eigene Überlegungen zum Streitwert anzustellen (Art. 91 Abs. 2 ZPO). Das Interesse des Willensvollstreckers daran, als solcher (weiter) tätig zu werden, ist nicht mit dem Wert gleichzusetzen, welcher für die Klägerin auf dem Spiel steht, je nach dem welches Testament massgebend ist. Nahe liegend ist das Abstellen auf das mutmassliche Honorar des Willensvollstreckers. Auf dieser Basis sind die Entscheidgebühr und die Parteientschädigung zu bemessen.»

Das betreffende Bezirksgericht wird im Urteil nicht namentlich genannt.

Bild: Martin Steiger, CC BY-SA 4.0-Lizenz.

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