Digitec: Entsorgen statt reparieren?!

Foto: Blick in ein BT 741-Telefon mit Platine und Kabeln

Mein Mandant P. kaufte Ende Dezember 2013 beim Onlinehändler Digitec AG ein Google Nexus 5-Smartphone für CHF 449.00. Ab Januar 2015 funktionierte das Smartphone nur noch mangelhaft, weil der Bildschirm schwarz blieb. P. brachte sein Smartphone deshalb zwecks Reparatur zu Digitec.

Im Ergebnis wurde das Smartphone aber trotz laufender Garantie- und Gewährleistungsfrist nicht repariert: Digitec – mehrheitlich im Besitz der Migros – verweigerte mit rechtlich und sachlich fragwürdigen Begründungen die kostenlose Reparatur unter Gewährleistung und empfahl P. sogar, sein Smartphone zu entsorgen …

Keine Reparatur: CyanogenMod als «Fremdeingriff»

Einige Wochen, nachdem P. sein Smartphone bei Digitec zur Reparatur abgegeben hatte, meldete sich die Mobiletouch AG bei P. und teilte mit, das Smartphone könne nicht kostenlos repariert werden, da die «Fehlerursache auf einen Fremdeingriff zurückzuführen» sei. Mobiletouch war das «Servicecenter», an das Digitec das Smartphone zur Reparatur weitergeleitet hatte. «Fremdeingriff« war die Installation von CyanogenMod, einer gängigen Alternative zum standardmässigen Android-Betriebssystem.

Mobiletouch lehnte die kostenlose Reparatur mit Verweis auf die Garantiebestimmungen von Nexus 5-Hersteller LG Electronics ab. Die Reparatur sollte deshalb insgesamt CHF 403.15 kosten, wobei vorgesehen war, das Mainboard zu ersetzen. Digitec bezeichnete das Vorgehen der Mobiletouch AG als «branchenüblich».

Allerdings begründete Mobiletouch nicht, inwiefern CyanogenMod überhaupt «Fehlerursache» sein konnte. Die Installation von CyanogenMod auf einem Android-Smartphone ist rechtmässig. Im Übrigen hatte P. sein Smartphone bei Digitec gekauft und musste sich folglich etwaige Garantiebestimmungen von Hersteller LG Electronics nicht vorhalten lassen.

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Digitec enthalten – soweit ersichtlich – auch keine entsprechenden Bestimmungen.

Empfehlung: Fachgerechte Entsorgung statt Reparatur

Nach einigem Hin und Her empfahl Digitec schliesslich, das «Gerät fachgerecht entsorgen» zu lassen – mit folgender Begründung:

«Die Reparaturkosten übersteigen den Wert eines Neugeräts. digitec [sic!] empfiehlt Ihnen deshalb, den Artikel entsorgen zu lassen.»

Diese wenig nachhaltige Empfehlung überraschte, denn Digitec gehört seit einigen Jahren zur Migros. Bei Migros ist Nachhaltigkeit – durchaus glaubwürdig – ein «integraler Bestandteil der Unternehmenstätigkeit». Die Mobiletouch selbst bezeichnete die Entsorgungsempfehlung als «Standartoption» (sic!).

Digitec trat inzwischen als Galaxus (Schweiz) AG auf. Die Firma gibt es eigentlich gar nicht mehr. Digitec und Galaxus hatten im Herbst 2014 zur Digitec Galaxus AG fusioniert.

Keine Reparatur: «Feuchtigkeits- und Rostschaden»

Da P. sein Smartphone nicht entsorgen lassen wollte, blieb er hartnäckig. Nun behauptete Digitec, Mobiletouch habe «eindeutig eine unsachgemässe Behandlung analysiert» und schob einen «Feuchtigkeitsschaden» als Begründung für die Verweigerung einer kostenlosen Reparatur nach. Später, nachdem P. gegenüber Digitec erwähnt hatte, sich von einem Rechtsanwalt unterstützen zu lassen, wurde auch noch ein «Rostschaden» – angeblich erkennbar an einer «rostverfärbten Schraube im Innern des Gehäuses» – behauptet.

Inwiefern diese behaupteten Schäden – sofern überhaupt vorliegend – zum oben erwähnten Mangel am Smartphone geführt hatten, wurde nicht begründet.

Feuchtigkeits- oder Wasserschäden dienen mediennotorisch seit Jahren als «faule Ausreden» um kostenlose Reparaturen unter Gewährleistung zu verweigern. Auch gängig ist das Abschieben der Verantwortung auf die Hersteller, obwohl gemäss Kaufrecht der Verkäufer und nicht der Hersteller gegenüber dem Käufer für Mängel haftbar ist (Art. 197 OR).

Ergebnis: Smartphone funktioniert trotz angeblichen Schäden wieder – ohne Reparatur!

Da eine kostenlose Reparatur weiterhin verweigert wurde, erklärte sich P. widerwillig damit einverstanden, das nicht reparierte Smartphone gegen Bezahlung von CHF 53.90 «freizukaufen» – «inkl. Prüf-, und Analysengebühren» von Mobiletouch. Gleichzeitig bat er um die Prüfberichte von Mobiletouch, die aber nicht vorgelegt werden konnten.

Mobiletouch hatte das Smartphone von P. demnach «geprüft», die entsprechenden Arbeitsschritte und einzelnen Ergebnisse aber in keiner Art und Weise dokumentiert. Bei tatsächlichen Feuchtigkeits- oder Rostschäden am Smartphone könnte nicht ausgeschlossen werden, dass diese erst bei Mobiletouch entstanden sind.

Nach erfolgter Bezahlung wurde das Smartphone retourniert – und funktionierte zur Überraschung von P. wieder!

Dieses Ergebnis wirft die Frage auf, ob das Smartphone überhaupt sorgfältig überprüft worden war. Auch konnte P. den behaupteten «Rostsschaden» am selbst geöffneten Smartphone nicht nachvollziehen.

Immerhin hatte Mobiletouch verschiedene «Fehlerursachen» festgestellt und wollte deshalb das Smartphone mit einem neuen Mainboard sowie Kosten von mehreren hundert Franken «reparieren». Digitec selbst hatte das Smartphone zur «fachgerechten Entsorgung» empfohlen.

Fazit: Kein Einzelfall, machtlose Kundinnen und Kunden

Leider scheint die Angelegenheit kein Einzelfall zu sein. «Ärger mit Garantie und Reparatur» bei Digitec und Galaxus sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Und auch bei anderen Anbietern gibt es bei Reparaturen «mit Garantie nur Ärger».

Im Frühling 2015 entschuldigte sich ein Mitgründer und Geschäftsführer von Digitec und Galaxus öffentlich. Allerdings sprach er lediglich von «unglücklichen Fällen» und schob die Verantwortung an die Hersteller ab. Die Erfahrungen von P. zeigen, dass die Entschuldigung eher der Krisenkommunikation als der Verantwortung gegenüber den eigenen Kundinnen und Kunden geschuldet war.

Anbieter wie Digitec und Galaxus profitieren davon, dass es sich für betroffene Kundinnen und Kunden in der Schweiz nicht lohnt, den Rechtsweg zu beschreiten. Allerdings besteht bei Digitec und Galaxus die Hoffnung, dass sich der hohe Standard der Migros bezüglich Kundenfreundlichkeit und Nachhaltigkeit früher oder später durchsetzen wird. Auch ein Einstieg von Amazon in den schweizerischen Markt könnte bewirken, dass Anbieter vermehrt versuchen, sich mit Kundenfreundlichkeit zu profilieren.

Bild: Flickr / Sarah Joy, «What’s going on in there?», CC BY 2.0 (generisch)-Lizenz.

7 Kommentare

  1. Bei anderen schweizer Anbietern (z.B. dem Shop der Post) ist das übrigens nicht anders, insbesondere der Trick mit der Herstellergarantie wird gerne genutzt.

    Tatsächlich setze ich die grösste Hoffnung in den Konkurrenzdruck durch Amazon. Amazon baut zur Kundenbindung dermassen stark auf Entgegenkommen in Garantiefällen (und kann sich dieses auch leisten), dass kein Mensch, der halbwegs bei Trost ist, noch teure Geräte mit Ausfallrisiko bei Digitec bestellen würde – es sei denn, dort ändert man die Gewährleistungspraxis drastisch.

  2. Ich arbeite selbst im Hardwaresupport direkt für einen führenden Smartphone-Hersteller. Solche Geschichte zu hören finde ich immer traurig. Wie oft schon sind Kunden verzweifelt zu uns gekommen weil der Händler einen Flüssigkeitsschaden festgestellt hat – doch ein Mal offen konnte nichts festgestellt werden. Oder Verkäufer welche die Gewährleistung nicht erfüllen wollen oder behaupten sie gelte nicht. Für den Kunden sind dann wir als Hersteller dieser Marke «schuld». Dabei geben wir uns so viel Mühe nach Vorschrift und im Sinne der Rechte unserer Kunden zu reparieren.

  3. Vielleicht hat sich ja bei Digitec mittlerweile etwas getan, ich habe nämlich anderes erlebt: Smartwatch gekauft, nach 6 Monaten hat sie den Geist aufgegeben (bekanntes Problem bei meinem Modell). Reparatur ging nicht, Ersatz-Uhr ebenfalls nicht, da Digitec sie nicht mehr im Sortiment führte. Aber sie haben mir fast den gesamten Kaufpreis erstattet, so dass ich mit ein paar Fränkli Aufpreis eine neue Smartwatch der nächsten Generation kaufen konnte (cf. hier: https://goo.gl/EZnoMd).

  4. Danke für den interessanten Beitrag. Es ist zwar noch nicht «branchenüblich», aber Fairphone versucht zu zeigen, dass man an verschiedensten Stellen die Weichen richtung Langlebigkeit eines Geräts stellen kann. Beim Design werden die neuen Geräte so gebaut, dass man die Komponenten modular nutzen und möglichst selbständig ersetzen kann. Kundennahe Designer kennen die Schwachstellen ihrer Geräte; so hat Fairphone zum Beispiel eine Schutzhülle gleich integriert und verhindert damit wohl einen grossen Antweil der Schäden. Davon könnten alle gewinnen: Der Kunde verliert weniger Zeit und Geld bei Reparaturen. Die Läden und Vertreiber haben weniger Aufwände mit Garantiefällen. Der Hersteller verkauft ein hochwertigeres Gerät, zu dem er in Zukunft neue Module anbieten kann. Nur die Anwälte gehen vielleicht leer aus ;-) Aber ihnen fallen bestimmt auch neue Tätigkeitsfelder ein… Es wird wohl zum Beispiel neue Vertragswerke in einer echten Kreislaufwirtschaft brauchen . Wem gehört zum Beispiel das Gold in einem alten Handy? Oder die noch funktionsfähigen Module wie Kamera, Akku & Co? Wenn die Branche so schnell umsteigt, wie sich in den letzten Jahren gewandelt hat, steht uns eine interessante Zukunft bevor…

  5. Letzthin musste auch ich für ein Smartphone bei Galaxus Garantie geltend machen. Das Gerät fiel aus und gab dann kein Lebenszeichen mehr von sich. Ich hatte es erst etwa 2 Monate und hoffte da noch auf einen Austausch. Dieser ging aber infolge der Zeitdauer nicht mehr. Das Gerät wurde eingeschickt und eine gute Woche später hatte ich es wieder mit auf Garantie ersetztem Mainboard. Das war sogar schneller als ursprünglich angekündigt.
    Auch ich hatte vorab Bedenken, nachdem ich den oben stehenden Bericht lies und noch erfuhr, dass das Gerät an Mobiletouch geschickt werde. Aber die Bedenken erwiesen sich als unbegründet und ich bin so weit zufrieden.
    Es ist trotz kostenloser Reparatur sehr mühsam und mit Unannehmlichkeiten verbunden wenn man das Pech hat und sich der teure Kauf als Niete herausstellt. Da sollten die Konsumenten besser geschützt sein. Es gibt zwar bei Digitec eine Garantie-Option, natürlich gegen Aufpreis, welche eine schnellere Abwicklung und bessere Austauschbedingungen bietet. Aber man bezahlt ja auch so für ein perfektes Gerät, oder etwa nicht?

  6. Ich bin gespannt wie mein Garantieantrag (12 Monate Betrieb) Smartphone (Digitec/ Mobiletouch), welchen ich heute eingesendet habe, abgewickelt wird. Ich vermute den Defekt im Akku. Dies für die Falsch-Postiv Meldung «Geräteetemperatur zu hoch» 2 Sekunden nach dem Einschalten. So ein kaputter Temperatursensor wäre ja ausgeschlossen, sollte sich dieser im Akku befinden. (Die AGB schliessen den Akku von der Garantie aus). Ärgerlich, dass einem nur das Einsenden an den Dienstleister bleibt, da der ein Öffnen des Geräts für den Akkutausch die Garantie erlöschen lässt. Ich bin gespannt.
    Bei Cyanogen Mod von «Installieren» zu sprechen finde ich eine Frechheit. Wer ein neues Betriebssytem aus dem Internet in den ROM Speicher flasht, inklusive umgehung des Schutzsystems des Herstellers, verliert nach meiner Meinung zurecht die Garantie. Ich habe den Eindruck, dass hier explizit nach Schwachstellen im Gesetz gesucht wird

  7. Ich Habe vor 3 Monate meine Telefon unter Garantie bei Digitec abgegeben. Da zwischen habe mich zwei mal schriftlich gemeldet weil ich überhaupt keine Information dazwischen bekam. Plötzlich vor ein paar Tage kam eine Mitteilung ohne jenige Erklärung mit einem Text dass ich als Rückerstattung Angebot verstanden habe. Ich habe dann sofort um eine Klärung gebeten und um die Rückgabe meines Geräts, das voller sensibler Daten ist. Ich habe gerade eine E-Mail erhalten, die besagt, dass das Gerät ENTSORGT wurde. Ohne überhaupt mit mir etwas gefragt oder geklärt zu haben. Unglaublich. Ich muss mich an einen Anwalt wenden weil so was kann nicht möglich sein.

    Nach eine Entschuldigung für die lange warte Zeit steht:
    …»Daher informiere ich Sie darüber, dass Ihr Gerät bereit entsorgt wurde…»

    Es ist nicht normal was Sie da Tuen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Felder mit * sind Pflichtfelder.