Urheberrecht: «Hollywood» kritisiert die Schweiz – wieder einmal …

Bild: Uncle Sam-Bild mit der Forderung «I WANT MORE»

Alle Jahre wieder: Die International Intellectual Property Alliance (IIPA) übt Kritik am vorläufig noch vergleichsweise liberalen Urheberrecht in der Schweiz.

Die IIPA ist eine einflussreiche Lobby-Organisation der amerikanischen Unterhaltungsindustrie («Hollywood») und gibt Empfehlungen für den jährlichen «Special 301 Report» ab.

Der «Special 301 Report» wird jeweils im Frühling vom Handelsvertreter der Vereinigten Staaten von Amerika veröffentlicht und befasst sich mit Schutz und Durchsetzung von Geistigem Eigentum bei Handelspartnern der USA. Der Bericht dient als politisches Druckmittel gegenüber Staaten wie beispielsweise der Schweiz, deren Immaterialgüterrecht noch nicht vollständig amerikanischen Wünschen entspricht. Mit ihren Forderungen übt die IIPA erheblichen Einfluss auf den «Special 301 Report» aus.

Schwarze Liste trotz Revision des Urheberrechts?

Auch in diesem Jahr empfiehlt die IIPA dem Handelsvertreter – wieder einmal, genauso wie schon 2013, 2014 und 2015 – die Schweiz auf seine Beobachtungsliste («Schwarze Liste», «Watch List») zu setzen um den politischen Druck zu erhöhen. Die Schweiz befindet sich in guter Gesellschaft mit unter anderem Brasilien, Kanada, Hongkong, Mexiko, Taiwan und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Bislang folgte der Handelsvertreter dieser Empfehlung der IIPA nicht, sondern lobte zuletzt gar die Schweiz. Hintergrund für dieses Lob war, dass die laufende Revision des schweizerischen Urheberrechts auf amerikanischen Druck hin unter anderem Netzsperren, Überwachung und Zensur vorsieht. Daneben üben die USA hinter verschlossenen Türen am Runden Tisch zum Urheberrecht weiterhin starken Druck auf die Schweiz aus.

Amerikanische Kritik am Urheberrecht in der Schweiz

Die laufende Revision des Urheberrechts dauert aus Sicht der IIPA zu lange und geht zu wenig weit. Die IIPA vergleicht die Schweiz in dieser Hinsicht mit einem Entwicklungs- oder Schwellenland und sieht keinen weiteren Diskussionsbedarf:

«[…] the contemplated revisions are on track to enter into force no sooner than the end of 2018, if at all. […] Such delays might be expected from governments of developing or emerging markets, but Switzerland makes no claim that it lacks the resources or technological expertise to make swift change. Nor is there a need for prolonged debate over the changes needed to combat online piracy […]»

Weiter kritisiert die IIPA den legalen Download von Büchern, Fernsehserien, Filmen und Musik zum Privatgebrauch – damit würden internationale Verpflichtungen verletzt:

«The fact that online piracy continues to escape any liability in Switzerland, and that downloading from patently illegal sites is considered legal, can only be attributed to a reluctance on the part of Swiss leadership to live up to its obligations under international agreements to provide remedies that prevent and deter infringements.»

Auch behauptet die IIPA, die Schweiz bleibe ein attraktiver Standort für Server oder gar den Sitz von Anbietern, die an schwerwiegenden Urheberrechtsverletzungen beteiligt seien:

«[…] Switzerland remains a haven for online services heavily engaged in infringing activity that have opened or moved headquarters or servers to Switzerland. From there, they provide a global service to export pirated content. […]»

Als Beispiele werden Bitsnoop.com, Nowvideo.sx Private Layer, Putlocker.is, Uploaded.net und Watchseries.it genannt. Unklar bleibt, wieso diese Anbieter – sofern die Vorwürfe berechtigt sind – in der Schweiz nicht zur rechtlichen Verantwortung gezogen werden (können).

Vor Jahren bereits mussten sich die Betreiber von Bulletin Board Systems (BBS) und Filesharing-Portalen strafrechtlich verantworten – so zum Beispiel ein «Software-Pirat aus Schwamendingen» und der Betreiber einer Website mit Weblinks zu Filesharing-Angeboten. Der Betreiber von Uploaded.net wurde anscheinend in Deutschland rechtskräftig verurteilt, lebt nun aber unbehelligt in der Schweiz.

Auch verschweigt die IIPA, dass in der Schweiz durchaus Strafverfahren wegen Filesharing stattfinden – zumindest im Kanton Zürich, wie ein entsprechendes Urteil aus dem Frühjahr 2014 zeigte.

In diesem Jahr fällt an der Kritik der IIPA auf, dass mutmassliche Urheberrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Büchern und wissenschaftlichen Zeitschriften besonders hervorgehoben werden:

«Book and journal publishers also face a difficult environment in Switzerland, where textbook photocopying and the publication of illegal pdf-scans on websites proliferate. Private copying is allowed from illegal sources, and is permitted not only by private individuals, but also by government and commercial entities. E-books of all kinds circulate widely online. Meanwhile, higher education textbooks are frequently pirated, and while the Copyright Act allows for the copying of a part of a book or a single article of a journal, even where these extracts and articles are electronically available for purchase or rent, there is no mechanism on Swiss campuses to monitor whether professors take the liberty to copy books in substantial part or even in their entirety. Proposed text- and data-mining exceptions in the draft copyright amendments currently under review risk creating new excuses for users to engage in wholesale copying of entire collections, without safeguards for the stability of publisher platforms.»

Die IIPA bezieht sich damit – zumindest indirekt – auch auf das Schweizerische Bundesgericht, das den digitalen Dokumentenlieferdienst der Bibliothek der ETH Zürich erlaubt hatte.

Umfassender Forderungskatalog aus «Hollywood»

Logo: International Intellectual Property Alliance (IIPA)

Insgesamt fordert die IIPA in jeder Hinsicht ein möglichst restriktives Urheberrecht ohne Rücksicht auf Grundrechte und Verhältnismässigkeit.

Der Forderungskatalog der IIPA umfasst insbesondere Massenabmahnungen, Netzsperren, Überwachung und Zensur. Weitere Forderungen zielen unter anderem auf weitere Einschränkungen der kollektiven Verwertung und auf Beschränkungen von Privatkopien, auf eine Verlängerung der Schutzfrist von verwandten Schutzrechten (Leistungsschutzrechten) auf 70 Jahre, auf Restriktionen beim DVD-Import aus dem Ausland und auf ein ausdrückliches Verbot von Abfilmen in Kinos («Camcording»).

Die IIPA steht exemplarisch für eine amerikanische Unterhaltungsindustrie, die auf urheberrechtliche Repression setzt anstatt die wirtschaftlichen Vorteile im digitalen Raum zu nutzen. Zeitgemässe Angebote wie Netflix unterliegen länderspezifischen Einschränkungen, die ihre Attraktivität erheblich mindern. Gerade in der Schweiz besteht eine grosse Nachfrage von zahlungskräftigen Konsumentinnen und Konsumenten nach Fernsehserien und Filmen aus den USA. Heute müssen diese häufig auf kostenpflichtige Umwege wie DirecTV und VPN-Anbieter ausweichen. Es bleibt rätselhaft, wieso das geschäftstüchtige «Hollywood» diese Nachfrage mit grosser Hartnäckigkeit nicht zum eigenen Gewinnvorteil befriedigt …

Bild: Flickr / «KAZ Vorpal», «I Want MORE, Uncle Sam», CC BY-SA 2.0 (generisch)-Lizenz.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Felder mit * sind Pflichtfelder.