
Anfang Februar 2016 befreite eine Gefängnisaufseherin in einem Zürcher Gefängnis einen syrischen Vergewaltiger und flüchtete gemeinsam mit ihm nach Italien. Anfang letzter Woche veröffentlichte die Zeitung «20 Minuten» eine Videobotschaft der Gefängnisaufseherin, einige Tage später wurden die beiden Flüchtigen in der Lombardei von der italienischen Polizei verhaftet.
Führte das Video die Polizei zu den beiden Flüchtigen?
Allenfalls war den Flüchtigen nicht klar, dass Smartphone-Videos auch Angaben zum Standort der Videoaufnahmen enthalten können. Bei den meisten iPhone- und iPad-Nutzerinnen sind die so genannten Ortungsdienste für die Kamera-App in den Datenschutzeinstellungen aktiviert. Beim Beginn jeder Videoaufnahme wird der aktuelle Standort gespeichert und bleibt grundsätzlich auch erhalten, wenn ein Video exportiert oder versendet wird.
Bei Videos, deren Metadaten auch Standortdaten enthalten, zeigen viele Apps den jeweiligen Standort in einer Kartendarstellung an. Man kann die gesamten Metadaten aber auch mit ExifTool und vergleichbaren Anwendungen auslesen.
Geografische Koordinaten und andere Metadaten
Nachfolgend ein beispielhafter Auszug aus den Metadaten zu einer exportierten iPhone-Videoaufnahme (Videodatei, vollständige Metadaten zum Video):
GPS Coordinates : 47 deg 22' 57.00" N, 8 deg 30' 13.68" E, 407.977 m Above Sea Level Make : Apple Model : iPhone 6s Software : 9.1 Creation Date : 2015:11:29 17:06:10+01:00 GPS Altitude : 407.977 m GPS Altitude Ref : Above Sea Level GPS Latitude : 47 deg 22' 57.00" N GPS Longitude : 8 deg 30' 13.68" E GPS Position : 47 deg 22' 57.00" N, 8 deg 30' 13.68" E
Die Metadaten enthalten neben vielen technischen Angaben zum Video auch den Standort der Videoaufnahme einschliesslich Datum und Zeit. Der Standort wird in geografischen Koordinaten – ergänzt durch die Höhe über Meer – dargestellt.
Metadaten können aus Videodateien entfernt werden, zum Beispiel vor dem Versand per E-Mail oder WhatsApp. Ausserdem besteht unter iOS die Möglichkeit, die Ortungsdienste für die Kamera-App vor einer Videoaufnahme zu deaktivieren. Hingegen genügt es nicht, den Flugmodus zu aktivieren, denn die Ortung mittels Global Positioning System (GPS) funktioniert weiterhin, wenn auch mangels A-GPS weniger genau und schnell.
Klassiker: Flüchtige verraten sich mit Metadaten
Die Kantonspolizei Zürich bedankte sich in ihrer Medienmitteilung zur Verhaftung bei den Medien «für die wertvolle Mitarbeit», äusserte sich aber nicht zu den Videoaufnahmen. Es ist davon auszugehen, dass «20 Minuten» in Bezug auf die Videoaufnahmen mit der Polizei kooperiert hat. Auf den Quellenschutz für Medien hätte sich «20 Minuten» voraussichtlich nicht berufen können (Art. 28a Abs. 2 lit. b StGB i.V.m. Art. 172 Abs. 2 lit. b StPO).
Flüchtige, die den Kontakt mit ihrer «alten Heimat» aufnehmen und sich dadurch selbst verraten, sind im digitalen Raum geradezu ein Klassiker. In vielen Fällen führt bereits die IP-Adresse, die beim Internet-Zugriff verwendet wird, auf die Spur von Flüchtigen.
Wer im digitalen Raum erfolgreich untertauchen möchte, muss grossen Aufwand für die Anonymisierung betreiben – und riskiert dennoch jederzeit, seinen geografischen Standort durch einen Fehler unfreiwillig preiszugeben.
Müsste es nicht «Art. 172 Abs. 2 lit. b StPO» heissen? Art. 28 ist der (nicht-)Quellenschutz bzw. die Strafbarkeit der Medien im StGB…
Ich habe Art. 172 StPO ergänzt – vielen Dank für den Hinweis!