Recep Erdogan: Majestätsbeleidigung auch in der Schweiz?

Bild: Recep ErdoğanKürzlich trug der deutsche Satiriker Jan Böhmermann in seiner Fernsehsendung Neo Magazin Royale ein Schmähgedicht über den türkischen Staatspräsidenten Recep Erdogan vor. In der Folge ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Mainz wegen der «Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten» (§ 103 StGB-DE).

Ein vergleichbares Schmähgedicht in der Schweiz hätte ebenfalls zu einem Strafverfahren wegen «Majestätsbeleidigung» führen können. Art. 296 StGB stellt die «Beleidigung eines fremden Staates» unter Strafe:

«Wer einen fremden Staat in der Person seines Oberhauptes […] öffentlich beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.»

Der Schweizerische Bundesrat muss die Ermächtigung zur Strafverfolgung wegen «Majestätsbeleidigung» erteilen (Art. 302 StGB). Eine solche Ermächtigung hatte der Bundesrat zuletzt im Jahr 2010 erteilt, nachdem sich der libysche Staatspräsident Muammar al-Gaddafi von einem Genfer Politiker beleidigt gefühlt hatte. In der Folge hatte Libyen die Schweiz um die Strafverfolgung ersucht.

Als «Majestätsbeleidigung» kommt jegliche Meinungsäusserung in Frage, die von der öffentlichen Meinung als Beleidigung verstanden wird – zum Beispiel im Sinn der Ehrverletzungsdelikte gemäss Art. 173 ff. Die Beleidigung muss auf schweizerischem Boden erfolgen, wobei sich der Beleidigte aber auch im Ausland aufhalten kann.

Verurteilungen wegen «Majestätsbeleidigung» sind in der Schweiz äusserst selten.

Rechtfertigungsgrund: Öffentliches Interesse an Satire?

Das öffentliche Interesse an Satire kann als Rechtfertigungsgrund gegen den strafrechtlichen Vorwurf der «Majestätsbeleidigung» vorgebracht werden. Im Einzelfall müssen Strafverfolgungsbehörden und Gerichte einen Ermessensentscheid fällen.

Medienaufmerksamkeit erfuhr Satire als Rechtsfrage in der Schweiz zuletzt durch ein Bundesgerichtsurteil von 2012 (BGer 5A_553/2012 vom 14. April 2014). Die Schweizer Jungsozialisten (JUSO) hatten den Manager Daniel Vasella im Abstimmungskampf um die 1:12-Volksinitiative mit «falschem» nackten Männerkörper abgebildet.

2011 lehnten Nationalrat und Ständerat eine Petition für «echte Meinungsfreiheit in der Schweiz» zur Aufhebung von Art. 296 StGB ab (11.2016).

In Deutschland lässt sich Jan Böhmermann gemäss Medienberichten nun von Anwaltskollege Christian Schertz verteidigen. In der Schweiz hat sich Mischa Senn, heute Professor an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), im Rahmen seiner Dissertation mit Satire und Persönlichkeitsschutz befasst.

Bild: Wikimedia Commons / Mark Rutte (?), «Recep Tayyip Erdoğan», CC BY 2.0 (generisch)-Lizenz.

8 Kommentare

    1. @Lukas Leuzinger:

      «Sehe ich das richtig, dass Art. 103 StGB nur zur Anwendung kommt, wenn sich das ausländische Staatsoberhaupt in Deutschland aufhält?»

      Nein, meines Erachtens nicht – § 103 Abs. 1 StGB-DE lautet in diesem Zusammenhang wie folgt:

      «Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt […] beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.»

      Ausserdem sind in Deutschland rechtliche Schritte wegen Ehrverletzung und Persönlichkeitsverletzung möglich; dito vermutlich auch in der Türkei.

      1. … und sich «das sich […] im Inland aufhält,» nur auf das «Mitglied einer ausländischen Regierung» bezieht?

        Oke, macht Sinn. Danke

  1. Eigentlich hätte ich erwartet. dass sich die Bundesregierung bei Präsident Erdogan dafür bedanken würde, dass er sie durch sein Ansinnen auf Strafverfolgung des Herrn Böhmermann auf die längst fällige Abschaffung dieses unzeitgemäßen Paragraphen hingewiesen hat. Nun gut, das soll ja nun im Anschluss an das Urteil unseres zuständigen ordentlichen Gerichtes bis zum Ende der Legislaturperiode erfolgen. Mit seiner Reaktion gibt er all denen Recht, die die gegenwärtige Türkei für nicht «reif» für eine Vollmitgliedschaft in der EU halten. Man kann über über den Satiriker Böhmermann denken wie man will; wenn man
    so reagiert wie der türkische Präsident, dann sollte man sich eine andere Aufgabe als die Politik suchen. Leider gibt e4s von seiner Sorte weltweit zu viele Vertreter.

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