Berner «Staulagen» bei der Zwangsvollstreckung

Foto: Schlafender Bär unter Palmen (Stofftier)

Langsame Berner sind nicht immer ein Klischee. So benötigte ein Berner Betreibungsamt mehr als fünf Monate um einen Zahlungsbefehl zuzustellen.

Die betroffene Gläubigerin verlangte in der Folge mittels betreibungsrechtlicher Beschwerde, der verantwortliche Beamte sei wegen Rechtsverzögerung zu rügen.

«Staulagen» statt «Normalbetrieb» wegen Software und Steuerverwaltung

Im entsprechenden Verfahren vor dem Obergericht des Kantons Bern stellte sich das Betreibungsamt auf den Standpunkt, der Zahlungsbefehl sei letztlich zugestellt worden, weshalb die Beschwerde ins Leere gehe. Im Übrigen verteidigte sich das Betreibungsamt mit der Einführung einer neuen Software …

«Die Dauer ab Eingang des Betreibungsbegehrens am 8. Januar 2016 bis zur Zustellung des Zahlungsbefehls an den Schuldner am 12. Mai 2016 ist auch in unseren Augen im Normalbetrieb zu lang. Es gilt hier jedoch, einen Blick auf die Details zu werfen. Im November 2016 [sic!] wurde die betroffene Dienststelle mit einer neuen Fachapplikation ausgestattet. Bis sich die Abläufe eingeschliffen hatten dauerte das seine Zeit.»

… und schob den Schwarzen Peter weiter der kantonalen Steuerverwaltung zu:

«Hinzu kommt, dass die Steuerverwaltung des Kantons Bern […] kantonsweit Begehren zurückgehalten hatte. Diese sind im Umfang von fast zwei kompletten Monatsmengen Anfang 2016 eingegangen. In den ersten 3 Monaten 2016 hatte die Dienststelle mit einer noch ungewohnten Fachapplikation Begehren zu verarbeiten, die mengenmässig normalerweise in rund 5 Monaten eingehen. Staulagen sind da normal.»

Ausserdem, so das Betreibungsamt, habe sich die Verzögerung sowieso nicht bei der Zustellung, sondern bei der Ausstellung des Zahlungsbefehls ergeben:

«Die Verzögerung hat sich denn auch nicht in der Zustellung, sondern in der Ausstellung des Zahlungsbefehls ergeben, datiert der Zahlungsbefehl doch vom 1. April 2016. Die Zustelldauer von einem Monat und 12 Tagen nach der Kaskade gemäss Vorgaben der Aufsichtsbehörde und inbegriffenen mehreren Zustellversuchen durch den Betreibungsweibel liegt im normalen Rahmen.»

Schweiz als «Paradies» für Schuldnerinnen und Schuldner

Die Zwangsvollstreckung von Geldforderungen gemäss dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) in der Schweiz ist für Gläubigerinnen und Gläubiger in jeder Hinsicht aufwendig. Die Verfahren für Betreibung, Rechtsöffnung und Konkurs oder Pfändung sind nicht nur mit erheblichen Kosten verbunden, sondern die Amtshandlungen der zuständigen Behörden nehmen auch oftmals viel Zeit in Anspruch.

Im Ergebnis wird die Schweiz bisweilen als «Schuldnerparadies» bezeichnet. Immerhin führt die Hartnäckigkeit von Inkassobüros und Rechtsanwälten trotz diesen widrigen Umständen dennoch häufig zu einer erfolgreichen Zwangsvollstreckung gegen Schuldnerinnen und Schuldner, die zahlungsfähig, aber nicht zahlungswillig sind.

Das oben erwähnte Beschwerdeverfahren ist noch hängig. Momentan sind Betreibungsferien (Art. 56 Ziff. 3 SchKG).

Bild: Flickr / JP Davidson, «Sleeping Bear», CC BY 2.0 (generisch)-Lizenz.

5 Kommentare

  1. Im Gegensatz zu einigen ausländischen Verfahren kennt das SchKG aber auch keine ‹Restschuldbefreiung› beim Privatkonkurs. Der Schuldner ‹trägt› die Schulden (in der Form des Verlustscheins) noch 20 Jahre mit! Ob das so ’schuldnerparadiesisch› ist?

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