Facebook Schweiz: Keine Nutzerdaten für Strafverfolgungsbehörden

Bild: Facebook-Polizisten (zwei kleine Polizisten-Figuren, die vor einem Globus sowie einem Tablet mit unter anderem Facebook-Symbol stehen)

Facebook ist nicht verpflichtet, Daten zu mutmasslich in der Schweiz eröffneten Nutzerkonten an schweizerische Strafverfolgungsbehörden herauszugeben – zumindest nicht die Facebook Switzerland Sàrl (Facebook Schweiz) mit Sitz im Kanton Genf.

Die Strafverfolgungsbehörden müssen auf dem Weg der Rechtshilfe an die Facebook Ireland Ltd. (Facebook Irland) gelangen, wie das Schweizerische Bundesgericht mit Urteil 1B_185/2016 vom 16. November 2016, das heute veröffentlicht wurde, entschieden hat:

«[…] Facebook Schweiz ist nicht Inhaberin der fraglichen Daten und hat diese auch nicht unter ihrer Kontrolle. […] Die Daten können somit von Facebook Schweiz nicht herausverlangt werden. […]»

Hintergrund war ein Strafverfahren, dass die Staatsanwaltschaft im Kanton Waadt wegen übler Nachrede, Verleumdung und Beschimpfung gegen Unbekannt eröffnet hatte.

Das Opfer, ein Journalist aus Belgien, hatte geltend gemacht, jemand mit einem mutmasslich in der Schweiz eröffneten Facebook-Nutzerkonto habe unter einem Pseudonym antisemitische äusserungen gegen ihn gepostet.

Das Bundesgericht fasst sein französischsprachiges Urteil in einer Medienmitteilung unter anderem wie folgt zusammen (mit Hervorhebungen durch den Autor):

«Die Staatsanwaltschaft verfügte daraufhin gegen Facebook Schweiz und die beiden Geschäftsführer der Gesellschaft unter anderem die Herausgabe der Identität, der Zugangsdaten, sowie der IP-Adresse des fraglichen Kontoinhabers. Gegen die Herausgabeverfügung erhoben Facebook Schweiz und die beiden Geschäftsführer Beschwerden beim Kantonsgericht des Kantons Waadt. Sie machten geltend, dass sie die Facebook-Website nicht selber verwalten würden. Die Anordnung müsse an Facebook Irland erfolgen, da die geforderten Informationen in deren Händen seien, was von Facebook Irland bestätigt wurde. […]»

Facebook Schweiz und die beiden Geschäftsführer scheiterten am Kantonsgericht im Kanton Waadt mit Beschwerden. Die Staatsanwaltschaft hatte ihnen die Bestrafung mit Bussen wegen Ungehorsam gegen amtliche Verfügung angedroht (Art. 292 StGB).

Nun waren die Beschwerden (1B_185/2016, 1B_186/2016 und 1B_188/2016) an das Bundesgericht erfolgreich. Das Bundesgericht, das oberste Gericht in der Schweiz, hob sowohl das Urteil des Kantonsgerichts als auch die Herausgabeverfügung der Staatsanwaltschaft auf:

«Aus Artikel 265 der Schweizerischen Strafprozessordnung und Artikel 18 des internationalen Übereinkommens über die Cyberkriminalität ergibt sich, dass sich die Herausgabeverfügung nur gegen jemanden richten kann, der Inhaber oder Besitzer der Daten ist, oder der eine faktische und rechtliche Kontrolle darüber ausübt. Keines der Dokumente, auf die sich das Kantonsgericht bei seinem Entscheid gestützt hat, lässt den Schluss zu, dass Facebook Schweiz Inhaberin der geforderten Daten wäre oder direkten Zugang zu den Daten der Nutzer hätte.»

Und weiter:

«Vielmehr ergibt sich, dass Facebook Irland Vertragspartner von Facebook-Nutzern ausserhalb der USA und Kanada ist und die Kontrolle über die entsprechenden Personendaten ausübt. Der Geschäftszweck von Facebook Schweiz beschränkt sich auf das Support-Marketing, den Verkauf von Werbeflächen sowie auf Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation. Facebook Schweiz handelt auch nicht in Vertretung von Facebook Irland. Die Daten können somit von Facebook Schweiz nicht herausverlangt werden. Um an die gewünschten Daten zu gelangen, müsste die Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt ein Rechtshilfeersuchen in Strafsachen an Irland stellen.»

Fazit: Rechtlich überzeugend, aber unbefriedigend für die Opfer

Auf den ersten Blick überzeugt das Urteil in strafprozessualer Hinsicht und mit Blick auf das Legalitätsprinzip. Aus dem Urteil lässt sich auch Kritik am Waadtländer Kantonsgericht herauslesen.

Für die Opfer von Straftaten im Internet hingegen ist das Urteil unbefriedigend, denn häufig sind Facebook und andere ausländische Internet-Plattform der Tatort im digitalen Raum. Bei mutmasslichen Tätern, die nicht ohne weiteres identifiziert werden können, sind die Strafverfolgungsbehörden auf Nutzerdaten angewiesen, die – wenn überhaupt – nur auf dem aufwendigen Weg der Rechtshilfe erhältlich sind.

Es wäre deshalb wünschenswert, die Rechtshilfeverfahren zu beschleunigen, wozu aber Irland und andere Sitzstaaten von relevanten Internet-Plattform Hand bieten müssten.

Alternativ wäre denkbar, Facebook und andere relevante Internet-Plattformen direkt in der Schweiz in die Verantwortung zu nehmen, wofür die gesetzlichen Grundlagen aber erst geschaffen werden müssten. Ausserdem müsste die Rechtsstaatlichkeit gewahrt bleiben, was beispielsweise einen Zwang zur Speicherung von schweizerischen Daten in der Schweiz – nach dem unrühmlichen Vorbild von Russland – ausschliesst.

(Via Marco Lüssi.)


Nachtrag: Siehe auch die Beiträge der Anwaltskollegen Sylvain Métille sowie Konrad Jeker und Jacqueline Sievers.

Bild: Pixabay / «Alexas_Fotos», Public Domain.

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