Kriminalstatistik: Immer mehr Ehrverletzungen, immer mehr verbotene Aufnahmen mit dem Smartphone

Foto: Zwei behornte, streitende Ziegen

Gemäss der polizeilichen Kriminalstatistik 2016 haben Strafanträge wegen Ehrverletzungen (Art. 173 ff. StGB) in den letzten Jahren stark zugenommen:

«Seit […] 2009 haben üble Nachrede, Verleumdungen und Beschimpfungen zugenommen. Die Anzahl Verleumdungen hat sich zwischen 2009 und 2016 sogar verdoppelt: Sie ist um 107,5 % von 667 auf 1384 Straftaten gestiegen. Üble Nachrede und Beschimpfung haben um 65,7 % bzw. 63,4 % zugenommen, erstere von 980 auf 1624 Straftaten, letztere von 5775 auf 9434 Straftaten.»

Ich vermute, dass die Zunahme von Ehrverletzungen vor allem auf drei Gründe zurückzuführen ist:

  1. Am 1. Januar 2011 trat die einheitliche Schweizerische Strafprozessordnung (StPO) in Kraft. Damit wurden Strafanträge wegen Ehrverletzungen erleichtert, weil seither – bei Einhaltung der Antragsfrist von drei Monaten – ein gewöhnliches Strafverfahren stattfindet. Vor der neuen StPO sahen viele Kantone ein Privatstrafklageverfahren vor, dass für die Opfer von Ehrverletzungen ein erhebliches Kostenrisiko bedeuten konnte.
  2. Ehrverletzungen im digitalen Raum – beispielsweise bei Facebook, Twitter oder WhatsApp – können vergleichsweise einfach bewiesen werden. Der Weg von einem Screenshot zu einem Strafantrag ist nicht weit, während mündlich erfolgte Ehrverletzungen am herkömmlichen Stammtisch vielfach nicht bewiesen werden können.
  3. Viele Strafanträge gehen direkt oder indirekt auf einige wenige Angelegenheiten zurück: Nationalrat Andreas Glarnernicht nur als Opfer – sowie seine Anhängerschaft (meist als Beschuldigte) auf Facebook, Erwin Kessler und sein Verein gegen Tierfabriken (VgT) mit Strafanträgen vor allem gegen andere Tierschützer, Zuger Sex-Affäre Polit-Affäre mit fast ausschliesslich Jolanda Spiess-Hegglin als Opfer. Solche Angelegenheiten ermutigen andere Opfer, sich mit strafrechtlichen Mitteln zu wehren.

In der gestrigen Tagesschau im Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) konnte ich zu den vermehrten Ehrverletzungen Stellung nehmen:

Verbotene Aufnahmen mit dem Smartphone

Auch stark zugenommen haben gemäss der polizeilichen Kriminalstatistik Strafanträge wegen Verletzungen des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte (Art. 179quater StGB):

«Ihre Anzahl hat sich zwischen 2009 und 2016 um 256% von 169 auf 601 Straftaten erhöht.»

Das «Aufnahmegerät» dürfte häufig ein Smartphone sein. Auch in dieser Hinsicht gilt:

Einerseits wurden mit der neuen StPO auch Strafanträge gegen solche Bespitzelungen erleichtert, andererseits finden sich die Beweise normalerweise als Bilder und Videos auf dem verwendeten Smartphone. Die Polizei kann Smartphones sicherstellen und – sofern der Zugriff möglich ist – den Inhalt forensisch auswerten.

Man muss sein Smartphone in der Schweiz auf Aufforderung der Polizei übrigens nicht entsperrenweder mit dem Fingerabdruck noch mit dem Passwort. Viele Beschuldigte nennen Passwort oder PIN aber freiwillig in der Hoffnung, ihr Smartphone schneller zurückzuhalten. Leider wird diese Hoffnung in den meisten Fällen enttäuscht …

Bild: Pixabay / hbieser, Public Domain.

Ein Kommentar

  1. Lieber Herr Steiger, Das mit den «Ehrverletzungen» ist so eine Sache. Ich halte es halt mit meinem alten Freund Eric Schmidt, der zu sagen pflegte: «If you have something that you don’t want anyone to know maybe you shouldn’t be doing it in the first place». Tönt doch vernünftig, oder? Und das mit dem Fingerabdruck ist doch ein wenig naiv. Was wollen Sie machen, wenn Ihnen ein Schlumpf die Hand packt und Ihnen den Finger aufs Smartphone drückt? Nichts ist so gut wie eine praktische Theorie.

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