Rechtsschutzversicherung: Kein Geld trotz Freispruch durch Einstellung von Strafverfahren

Auszug aus Schreiben einer Rechtsschutzversicherung: Einstellung ≠ Freispruch

Beschuldigte, denen eine vorsätzliche Straftat vorgeworfen werden, stellen jeweils fest, dass Ihre Rechtsschutzversicherung vorläufig kein Deckung gewährt. In solchen Fällen wird – wenn überhaupt – erst bei einem Freispruch und nachträglich eine Versicherungsleistung erbracht, denn vorsätzliches Handeln ist kein versicherbares Risiko.

In einem Fall verweigerte eine schweizerische Rechtsschutzversicherung die nachträgliche Deckung in einem Strafverfahren wegen Kinderpornografie, das eingestellt worden war. Unser Mandant war fälschlicherweise verdächtigt worden.

Der zuständige Jurist bei der Rechtsschutzversicherung argumentierte in erster Linie wie folgt:

«[…] Wird dem Versicherten eine vorsätzliche Straftat vorgeworfen, ist der Fall grundsätzlich nicht gedeckt. Kommt es zu einem vollumfänglichen Freispruch […], dann überprüft die [Rechtsschutzversicherung] die Übernahme des gebotenen Aufwandes […]. Da in Ihrem Fall kein Freispruch[,] sondern eine Einstellung erfolgte, besteht […] keine Versicherungsdeckung.»

Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) im Wortlaut erwähnen tatsächlich nur «Freispruch». Der Versicherungsjurist – nach eigenen Angaben mit Anwaltspatent – lag mit seinem Argument dennoch falsch:

Art. 320 Abs. 4 der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) lautet wie folgt:

«Eine rechtskräftige Einstellungsverfügung kommt einem freisprechenden Endentscheid gleich.»

Wenn ein Strafverfahren eingestellt wird, gelten die betreffenden Beschuldigten als freigesprochen.

Es gibt deshalb kein Rechtsmittel um nach einer solchen Einstellungsverfügung vor Gericht einen «vollumfänglichen» Freispruch zu erwirken. Die Rechtsschutzversicherung hätte die Deckung nicht mit Verweis auf den fehlenden Freispruch verweigern dürfen.

Die Rechtsschutzversicherung begründete die verweigerte Deckung ergänzend damit, dass die Verjährungsfrist von zwei Jahren gemäss Art. 46 Abs. 1 VVG abgelaufen sei. Leider war die Angelegenheit tatsächlich spät gemeldet worden. Letztlich leistete die Rechtsschutzversicherung – nach aufwendigem und langem Hin und Her – eine «Kulanzleistung» in Höhe von 1’000 Franken an unseren Mandanten.

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