Urteil: Streaming aus dem Internet als Urheberrechtsverletzung

Foto: Altes Fernsehgerät (mit Röhrenbildschirm)

Fernsehserien, Filme und Sportübertragungen sind häufig über Streaming-Websites abrufbar, die nicht über eine entsprechende Erlaubnis der Rechteinhaber verfügen. Die Betreiber solcher Websites begehen in solchen Fällen eine Urheberrechtsverletzung, das heisst kinox.to und andere Streaming-Websites sind rechtswidrig.

Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am heutigen «Tag des Geistigen Eigentums» entschieden, dass auch der Verkauf eines Abspielgerätes für den Zugang zu solchen Websites und auch das Abspielen auf einem solchen Abspielgerät eine Urheberrechtsverletzung darstellen kann. Das oberste Gericht der Europäischen Union (EU) stellt dabei insbesondere darauf ab, ob die Nutzerinnen und Nutzer von solchen Streaming-Websites Kenntnis von der Rechtswidrigkeit hatten oder hätten haben müssen.

In der Folge müssen europäische Konsumentinnen und Konsumenten theoretisch damit rechnen, für die Nutzung von rechtswidrigen Streaming-Websites abgemahnt oder anders rechtlich belangt zu werden. Bislang stellte das ausschliessliche Streaming – ohne gleichzeitiges Hochladen wie beispielsweise bei Torrents Time – in der EU einen Graubereich dar und war für Konsumenten letztlich unproblematisch. Nun könnten Massenabmahnungen, ähnlich wie schon beim Filesharing, drohen, wobei aber die Identifizierung von (nicht zahlenden) Streaming-Nutzern schwierig sein dürfte und fraglich ist, ob solche Abmahnugen für (deutsche) Abmahnanwälte lukrativ genug wären.

Sachverhalt

Ausgangspunkt für das Urteil C-527/15 (Medienmitteilung) bildete das Abspielgerät «Filmspeler» aus den Niederlanden, nachdem die niederländische Brein-Stiftung geklagt hatte (mit Hervorhebung):

«Herr Wullems verkauft über das Internet verschiedene Modelle eines multimedialen Medienabspielers unter dem Namen ‹filmspeler›. […] Auf diesem Medienabspieler hat Herr Wullems eine Open-Source-Software installiert, mit der mittels einer einfach zu bedienenden grafischen Oberfläche über bestimmte Menüstrukturen Dateien gelesen werden können. Daneben hat er in diese Software im Internet zugängliche Add-ons eingefügt, die dazu bestimmt sind, die gewünschten Inhalte aus den Streamingseiten zu schöpfen und sie allein durch einen Klick auf dem multimedialen Medienabspieler, der mit einem Fernsehbildschirm verbunden ist, anlaufen zu lassen. Einige dieser Seiten machen digitale Inhalte mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zugänglich, während andere ohne deren Erlaubnis zu solchen Inhalten leiten. Laut der Werbung kann mit dem multimedialen Medienabspieler kostenlos und einfach auf einem Fernsehbildschirm insbesondere Bild- und Tonmaterial angesehen werden, das ohne Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber im Internet zugänglich ist.»

Urteilsbegründung

Der EuGH hielt in seiner Urteilsbegründung unter anderem folgendes fest (mit Hervorhebungen):

«Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Verkauf des multimedialen Medienabspielers ‹filmspeler› in voller Kenntnis des Umstands vorgenommen wurde, dass die Add-ons, die auf diesem Abspieler vorinstallierte Hyperlinks enthielten, rechtswidrig im Internet veröffentlichte Werke zugänglich machen. […] [I]n der Werbung für diesen multimedialen Medienabspieler [heisst es], dass dieser es ermögliche, kostenlos und einfach auf einem Fernsehbildschirm insbesondere Bild- und Tonmaterial anzusehen, das ohne Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber im Internet zugänglich ist.»

Und:

«[Es] kann nicht bestritten werden, dass das Bereitstellen des multimedialen Medienabspielers mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgte, da der für diesen multimedialen Medienabspieler gezahlte Preis insbesondere gezahlt wurde, um einen direkten Zugang zu den geschützten Werken zu erhalten, die auf den Streamingseiten ohne Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zugänglich sind. Wie die portugiesische Regierung hervorgehoben hat, liegt der Hauptanreiz eines solchen multimedialen Medienabspielers für die potenziellen Erwerber genau darin, dass darauf Add-ons vorinstalliert sind, die den Nutzern Websites zugänglich machen, auf denen urheberrechtlich geschützte Filme ohne Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zur Verfügung gestellt werden.»

In seiner heutigen Medienmitteilung fasst der EuGH sein Urteil wie folgt zusammen:

«Der Verkauf eines multimedialen Medienabspielers, mit dem kostenlos und einfach auf einem Fernsehbildschirm Filme angesehen werden können, die rechtswidrig im Internet zugänglich sind, kann eine Urheberrechtsverletzung darstellen. Die vorübergehende Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werks auf diesem Medienabspieler durch Streaming ist nicht vom Vervielfältigungsrecht ausgenommen»

Das Urteil ist auf der EuGH-Website im Volltext abrufbar. Es ist nachvollziehbar, dass ein solches Geschäftsmodell durch den EuGH nicht geschützt wurde.

Keine direkten Auswirkungen auf die Schweiz

Das Urteil ist für die Schweiz nicht anwendbar. Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU und im Zusammenhang mit dem Urheberrecht besteht bislang kein bilaterales Abkommen.

Schweizerinnen und Schweizer müssen aber bei Aufenthalten im Ausland darauf achten, keine Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing zu begehen. So werden immer wieder Schweizer abgemahnt, die Filesharing in den Ferien betreiben.

Auch in der Schweiz ist es empfehlenswert, keine fragwürdigen Streaming-Websites zu nutzen, denn unabhängig von der Rechtslage trifft man beim Besuch solcher Websites häufig auf Schadsoftware, betrügerische Werbung und andere unerwünschte Inhalte. Leider hat es die Unterhaltungsindustrie bislang versäumt, überzeugende eigene Streaming-Angebote zu lancieren. Mit rechtlichen Schritten werden sich überkommene Verwertungsmodelle für Fernsehserien und Filme im digitalen Raum nicht dauerhaft retten lassen.

(Via @KompaLaw.)

Bild: Pixabay / Pexels, Public Domain.

2 Kommentare

  1. Und wie genau wehre ich mich gegen «Drive By Streams?» YouTubes Autoplay Feature beispielsweise oder embedded Videos in der Facebook Timeline, die automatisch abspielen? Begehe ich beim Scrollen durch Facebook oder wenn ich meinen Computer auf YouTube einfach «machen lasse» automatisch eine Urheberrechtsverletzung? Ist mein Smartphone, mein Tablet oder mein PC nicht automatisch ein Gerät, dass sich dazu eignet urheberrechtlich geschützte Werke öffentlich aufzuführen und damit jetzt verboten? Was ist mit Werbeanzeigen in die Videos embedded werden? Vielleicht sogar unsichtbar? Ich erinnere nur an die Masche mit den Redtube-Abmahnungen. Dieses Urteil macht mich, so es denn allgemein ausgelegt werden kann, ohne mein Zutun kriminell. Ganz hervorragend. Ich schmeiße jetzt sämtliches technisches Gerät weg und lebe von nun an im Wald.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Felder mit * sind Pflichtfelder.