Urteil: Facebook-Likes als strafbare Ehrverletzung

Facebook: Like-Symbol (bläuliche Hand mit Daumen nach oben)

Auf Facebook waren der Tierschützer Erwin Kessler und sein Verein gegen Tierfabriken (VgT) als «Antisemiten», «Faschisten» und «Rassisten» bezeichnet worden.

Ein Beschuldigter, der solche Beiträge gelikt hatte, wurde nun unter anderem aufgrund dieser Likes wegen mehrfacher übler Nachrede (Art. 173 Ziff. 1 Abs. 1 u. 2 StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt (Urteil GG160246 vom 29. Mai 2017).

Es handelt sich um das erste Urteil im Zusammenhang mit Facebook-Likes, das Medienöffentlichkeit in der Schweiz erregt.

Die Verurteilung, die noch nicht rechtskräftig ist, erfolgte durch eine Einzelrichterin am Bezirksgericht Zürich. Die Verfahrensbeteiligten können gegen das Urteil in Berufung gehen.

Der Beschuldigte wurde mit einer bedingten Geldstrafe von 4’000 Franken bestraft. Sofern das Urteil rechtskräftig wird und sich der Verurteilte während der zweijährigen Probezeit bewährt, muss er die Geldstrafe nicht bezahlen.

Hingegen wurden dem Beschuldigten Gerichtskosten von mindestens 3’000 Franken auferlegt. Die Prozessentschädigung zu Händen von Erwin Kessler und dem VgT wurde auf 4’600 Franken festgesetzt. Neben diesem Gesamtbetrag von 7’600 Franken muss der Beschuldigte die Kosten seiner Verteidigung tragen.

In der Türkei waren bereits Personen bestraft worden, die Kritik an Präsident Erdoğan auf Facebook gelikt hatten.

Erste Angaben zur Urteilsbegründung

Das Bezirksgericht Zürich äusserte sich in einer Medienmitteilung unter anderem wie folgt zum Urteil (mit Hervorhebungen):

«Das Bezirksgericht Zürich […] verurteilt einen Mann wegen mehrfacher übler Nachrede, weil er unter anderem ehrverletzende Beiträge von Dritten auf Facebook mit ‹gefällt mir› (‹Like›) markierte. Das Gericht hält fest, dass der Mann die ehrverletzenden Beiträge durch das ‹liken› indirekt mit einer positiven Wertung wiedergab und weiterverbreitete. Er konnte nicht nachweisen, dass die Behauptungen wahr sind oder von ihm in guten Treuen für wahr gehalten werden konnten. […]

[…] Die Beiträge, die der Beschuldigte mit ‹gefällt mir› markierte bzw. verlinkte, stammten zwar nicht von ihm selbst, sondern von Dritten. Dies ist jedoch nicht ausschlaggebend: Mit dem Anklicken des ‹gefällt mir›-Buttons befürwortete der Beschuldigte die ehrverletzenden Inhalte klar und machte sie sich damit zu eigen. Die Äusserungen wurden auf Facebook weiterverbreitet, also einer Vielzahl von Personen zugänglich gemacht.

Dem Beschuldigten gelang es nicht, nachzuweisen, dass die ehrverletzenden Äusserungen wahr sind oder er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten. Er stützte sich bei seinem Gutglaubensbeweis darauf, Erwin Kessler sei vor Jahren wegen Verstosses gegen das Antirassismusgesetz verurteilt worden. Er konnte den Privatklägern aber kein aktuelles rassistisches, antisemtisches oder faschistisches Verhalten nachweisen.

Das Gericht beurteilt das Verschulden des Beschuldigten, insbesondere die Begehung der Tat durch das Klicken des ‹gefällt mir›-Buttons als noch leicht. […]»

Offene Fragen, unter anderem: Was bedeuten Likes?

Das Urteil wirft viele Fragen auf. Auf den ersten Blick handelt es sich um ein Urteil in einem Einzelfall mit besonderen Umständen – sowohl in Bezug auf den Beschuldigten als auch in Bezug auf Erwin Kessler und seinen VgT als Privatkläger beziehungsweise Strafkläger. Es ist deshalb fraglich, ob sich das Urteil generell auf Facebook-Likes anwenden lässt.

Ein Like bedeutet nicht in jedem Fall eine Zustimmung, sondern kann auch andere Bedeutungen haben. In solchen Strafverfahren ist es deshalb das Aussageverhalten von Beschuldigten sehr wichtig. Und nicht alle Facebook-Likes werden immer allen Freunden angezeigt, sondern nur ein kleiner Teil der Likes einem Teil der Freunde und mehrheitlich als Links in der Seitenleiste – zumindest in der Desktop-Version. In der mobilen Version von Facebook werden Likes standardmässig gar nicht angezeigt.

Das Gericht hat bereits angekündigt, eine allfällige Urteilsbegründung online zu veröffentlichen. Vorbild ist das (inzwischen aufgehobene) Urteil zu einem Adolf Hitler-Retweet, der zwar persönlichkeitsverletzend, aber nicht strafbar war. Normalerweise macht das Bezirksgericht Zürich seine begründete Rechtsprechung nicht der Justizöffentlichkeit zugänglich.

Erwin Kessler und sein VgT schreiben von einem anstrengenden Morgen am Bezirksgericht Zürich, doch habe die Gerechtigkeit gesiegt.

Offenlegung: Aus beruflichem Interesse besuchte ich die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2017 am Bezirksgericht Zürich. Steiger Legal vertritt in einer anderen Angelegenheit einen anderen Beklagten beziehungsweise Beschuldigten gegen Erwin Kessler und seinen VgT.

Bild: Wikimedia Commons.


Nachtrag: Urteilsveröffentlichung

Inzwischen hat das Bezirksgericht Zürich das begründete Urteil GG160246 vom 29. Mai 2017 als «Musterurteil» veröffentlicht.

6 Kommentare

  1. Leider ist das Internet nur noch ein Tummelplatz für Betrüger aus armen Ländern, dient dem Ablassen von Agressionen und zum Ausspionieren von «Kunden» und den unbescholtenen Bürgern. Insbesondere «Big Brother». Spreche aus Erfahrung.
    Kehre sämtlichen Sozialen Netzwerken jetzt endgültig den Rücken zu! Liken dient eh nur der Geldmacherei von all diesen , Internet Giganten aus dem Ausland mach ich in Zukunft nie mehr!
    Ich hoffe das ist endlich der Untergang des Internets!

  2. Der. Schweizer vergisst dass er sich mit facebook auf einer ÜS Seite befindet :-). Im Internet gilt schon längst internationales Recht . Facebook gehört nicht der Schweiz – auch das Internet nicht – da zählt Art. 19 Abs 2 UNO Pakt II der freien Gedanken und Meinungsfreiheit. Für mich ein Provinzurteil im Internet OHNE Bedeutung –

  3. Sollte dem Bezirksgericht die Annahme der Vermutung «in guten Treuen» nach der Verjährung einer nicht abgesessenen Gefängnisstrafe nicht genügen? Die Nicht-Verbüssung der Strafe im Kanton Zürich dürfte den Kläger m.E. auch nach der Verjährung nicht entlasten.

      1. Wenn ich Hermann Lei wäre, würde ich auf ein schriftliches Urteil pochen, schliesslich muss er auch dafür zahlen und dies nicht zu knapp. Dann würde ich das Urteil publik machen. Der linke Beobachter wird es wahrscheinlich nicht bringen aber die Weltwoche und die BaZ eventuell schon. Ausserdem könnte er es auf seinem Blog und in der SVP-Parteizeitung publizieren.

        Zum Beobachter, das Urteil, in welchem einem Beschuldigten in einem Strafverfahren aus politischen Gründen der Pflichtverteidiger mit der Begründung verweigert wurde, dass ja das Strafverfahren von einem Staatsanwalt geleitet werde, wurde vom Beobachter als nicht relevant eingestuft und er hat es nicht gebracht. Miet- und Schrebergarten-Streitigkeiten zwischen Nachbarn sind für den Beobachter interessanter als skandalöse politische Urteile des Bundesgerichts. Der Beobachter gehört eben auch zur linken Schweizer Mainstream-Presse, wie der Tagi und seit einigen Jahren auch die NZZ.

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