Wer einen GPS-Tracker an einem Fahrzeug ohne Wissen der betroffenen Person anbringt, erfüllt keinen Straftatbestand. Mit einem solchen GPS-Tracker kann per Mobilfunk-Verbindung rund um die Uhr heimlich ermittelt werden, wo sich das betreffende Fahrzeug befindet.
Diese Erkenntnis stammt aus einem Leitentscheid, den das Obergericht des Kantons Bern am 29. Dezember 2017 gefällt hat.
Die Vorgeschichte könnte aus einem Krimi stammen:
«Der Beschwerdeführer hatte sein Fahrzeug aufgrund technischer Probleme […] in die Garage gebracht, wo es auf den Lift gehoben wurde. Dabei fand der Mechaniker am Unterboden des Fahrzeuges ein angeklebtes blaues Paket. Da der Verdacht im Raum stand, es könnte sich bei dem Paket um eine Sprengvorrichtung handeln, wurde das Dezernat Brände und Explosionen hinzugezogen. Nach der Erstellung von Röntgenaufnahmen stellten die Ermittler fest, dass es sich um einen GPS-Tracker handeln könnte. Das Paket wurde sichergestellt und nach Rücksprache mit der zuständigen Staatsanwältin beschlagnahmt.»
In rechtlicher Hinsicht fasste das Gericht seinen Entscheid BK 2017 358 wie folgt zusammen:
«Insbesondere liegt keine Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte gemäss Art. 179quater StGB oder durch unbefugtes Beschaffen von Personendaten gemäss Art. 179novies StGB vor. Zum einen handelt es sich bei einem GPS-Tracker nicht um einen Apparat, der zur Herstellung von Bildern bestimmt ist, womit die Anwendung von Art. 179quater StGB entfällt […]. Da mit dem GPS-Tracker weder besonders schützenswerte Personendaten noch ein Persönlichkeitsprofil beschafft wurden, fehlt es zudem auch an einem zentralen Tatbestandselement von Art. 179novies StGB […]. Das Anbringen eines GPS-Trackers am Fahrzeug ohne Wissen der betroffenen Person verletzt des weiteren keine Bestimmung des DSG. Es fehlt auch diesbezüglich an der Beschaffung von besonders schützenswerten Personendaten oder Persönlichkeitsprofilen (E. 8.3).»
In der Folge bestätigte das Gericht, dass die Staatsanwaltschaft zu Recht kein Strafverfahren an die Hand genommen hatte.
Simon Preisig von der Zeitung «Der Bund» hat den Entscheid entdeckt und ausführlich darüber berichtet.
Keine Rückschlüsse darauf möglich, wer mit dem Fahrzeug gefahren ist?
Der Entscheid erweckt den Eindruck, dass es sich die Berner Justiz zu einfach gemacht hat. So schloss sich das Obergericht des Kantons Bern den nachfolgenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft vollumfänglich an und bezeichnete sie als zutreffend:
«Aus der Erfassung eines Fahrzeugs per GPS können keine direkt personenbezogenen Informationen abgeleitet werden. Insbesondere sind keine Rückschlüsse darauf möglich, wer mit dem Fahrzeug gefahren ist oder wohin sich die Person schlussendlich begibt, da sie sich nach dem Parkieren des Fahrzeugs zu Fuss weiterbewegt.»
Die Ausführungen sind offensichtlich nicht zutreffend, denn Personendaten sind ausdrücklich auch «alle Angaben, die sich auf eine […] bestimmbare Person beziehen.» (Art. 3 lit. a DSG):
Wer weiss, wann sich ein Fahrzeug wo befindet, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit bestimmen, welche Person sich mit dem betreffenden Fahrzeug bewegt hat. Bei Fahrzeugen genügt in den meisten Fällen schon die Kenntnis der beiden häufigsten Standorte – Wohnort und allenfalls noch Arbeitsort – um die Fahrerin oder den Fahrer zu bestimmen.
Bei einem Fahrzeug kommt dazu, dass man mit dem Kontrollschild den Halter bestimmen kann. Im Kanton Bern ist diese Halterauskunft mittels kostenpflichtiger SMS erhältlich.
In der Schweiz werden übrigens die Standortdaten von allen Handys im Rahmen der anlasslosen und verdachtsunabhängigen Massenüberwachung erfasst. Die Bewegungsprofile werden im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung während mindestens sechs Monaten gespeichert.
Gesetzgeberischer Handlungsbedarf mit deutschem Vorbild?
Ich halte den Entscheid für stossend. Sollte die heimliche Überwachung mittels GPS-Tracker in der Schweiz tatsächlich nicht strafbar sein, besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf. So könnte bei der laufenden Datenschutzgesetz-Revision darauf geachtet werden, dass die Strafbestimmungen in einem solchen Fall greifen. Der Datenschutz in der Schweiz ist unglaubwürdig, wenn in einem solchen Fall kein Strafverfahren eröffnet werden muss.
In Deutschland entschied der Bundesgerichtshof (BGH) vor einigen Jahren, dass die «Überwachung von Personen mittels an Fahrzeugen angebrachter GPS-Empfänger […] grundsätzlich strafbar» [ist] (Urteil 1 StR 32/13 vom 4. Juni 2013):
«Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die heimliche Überwachung der ‹Zielpersonen› mittels eines GPS-Empfängers grundsätzlich strafbar ist. Zwar ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall erforderlich. Jedoch kann lediglich bei Vorliegen eines starken berechtigten Interesses an dieser Datenerhebung die Abwägung ausnahmsweise (etwa in notwehrähnlichen Situationen) ergeben, dass das Merkmal des unbefugten Handelns bei diesen Einsätzen von GPS-Empfängern zu verneinen ist.»
In Deutschland kennt das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) eine entsprechende Strafbestimmung.
Bild: Flickr / Coco et Jo, « Cable», CC BY-SA 2.0 (generisch)-Lizenz.
Zudem ist das ein möglicherweise nicht ungefährlicher Eingriff in den technischen Zustand eines PW und damit in den Strassenverkehr. Bsp.: Ein auf der Autobahn gelöster kleiner GPS-Sender wird zum tödlichen Geschoss.
Ist es strafbar, einen Privatdetektiv anzustellen, um die Bewegungen einer Zielperson zu überwachen. Und wo steht das?
Soll GPS strafbarersein? Und warum?
Das Anbringen ohne Wissen des Fahrers
soll strafbar sein !!
Was technisch möglich ist, wird gemacht!
«eCall112» heisst der grosse Bruder.
Ich verstehe die Aufregung nicht: Dieselben politischen Kreise, die sich über solche «Überwachungen» aufregen, haben kein Problem jede noch so debile EU-Verordnung – ohne demokratische Legitimation zwar – in vorauseilender Gehorsamkeit in die Schweiz einzuführen.
Väterchen Staat muss uns in allen Lebensbereichen bemuttern. Immer unter dem Deckmantel der «Sicherheit», «Gesundheit» u.s.w. So werden auch hier zu Landen ab April alle neuen Fahrzeuge systematisch überwacht werden.
https://www.higgs.ch/unser-auto-der-schnueffler/7325/
Wie bei allen technischen «Fortschritten»: einmal implementiert, wird es sich nicht mehr Rückgängig machen lassen.
Die Rechtslage für den Einsatz eines GPS Trackers ist in den einzelnen Ländern verschieden geregelt.
Wie ist die gesetzliche Regelung in Rheinland-Pfalz wenn man ohne Wissen der anderen Person einen GPS-Trecker am Auto anbringt?
@Alfred Buchner:
In Bezug auf Deutschland kann ich Ihnen leider keine Auskunft zur Rechtslage erteilen. Im Zweifelsfall sollte Ihnen ein kompetenter deutscher Anwaltskollege weiterhelfen können.
Man schaue sich BGH, 04.06.2013 – 1 StR 32/13 genauer an und befragt einen Deutschen Anwalt.
GPS-Tracking bei Kindern:
Ist es eigentlich legal, wenn man bei Kindern ohne ihr Wissen sowie ohne ihr Einverständnis einen GPS-Tracker bspw. am Schulrucksack befestigt, um die Kinder zu «überwachen»?
Bsp.: https://www.weenect.com/de/gps-tracker-fur-kind-weenect-kids.html
Grüezi mitenand,
Meine Frage lautet: wäre es insofern ebenso wenig strafbar, bzw. durch dies sogar rechtens, wenn die Polizei (St. Galler Kapo) nach einem Entzug des Führerscheins einen GPS-Tracker heimlich (ohne Wissen des Empfängers) «am» oder «im» Auto des Empfängers montiert/befestigt/lose «versteckt», um somit zu beweisen, dass der Empfänger «anscheinend» doch gefahren ist, ohne gültigen Führerschein, oder um ihn gar mittels Ortung «in flagranti» per Polizeipatrouille zu erwischen..?
Somit kämen wir ja wirklich einem Überwachungsstaate gleich.
Besten Dank im Voraus für Ihre werte Antwort.
Freundliche Grüsse
R. Cesaro
Die behördliche Überwachung mittels technischen Überwachungsgeräten im Rahmen einer laufenden Strafuntersuchung ist in Art. 280 ff. StPO geregelt. Demnach kann die Staatsanwaltschaft technische Überwachungsgeräte einsetzen, um den Standort von Personen oder Sachen festzustellen (Art. 280 lit. c StPO). Diese Anordnung bedarf aber der Genehmigung durch das zuständige Zwangsmassnahmengericht (Art. 281 ABs. 4 in Verbindung mit Art. 273 Abs. 2 StPO).
Für behördliche Überwachungen mit technischen Überwachungbsgeräten im polizeiliche Ermittlungsverfahren – also bevor eine Strafuntersuchung eröffnet wurde – sehen einzelne kantonale Polizeigesetze ähnlich lautende Bestimmungen vor.
Habe diese Beiträge gelesen und bin etwas verunsichert.
Gps Überwachun an Fahrzeuge ist das Eine.
Was aber wenn ich von meinem Arbeitgeber über mein Diensttelefon ohne mein Wissen überwacht werde? Das Diensttelefon habe ich 24 Stunden auf mir!
Wie sieht in diesem Fall die Rechtssprechung aus?
Mfg
@Bühlmann Kurt:
Was Sie beschreiben, klingt nach einem arbeitsrechtlichen Problem. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geniessen besonderen Datenschutz. Die Überwachung am Arbeitsplatz ist, wenn überhaupt, nur restriktiv zulässig. In Ihrem Einzelfall könnte es sich lohnen, ein Beratungsgespräch mit einer Fachperson zu vereinbaren.
Allgemeine Informationen zur Überwachung am Arbeitsplatz hat der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) unter https://www.edoeb.admin.ch/edoeb/de/home/datenschutz/arbeitsbereich/ueberwachung-am-arbeitsplatz/ueberwachung-am-arbeitsplatz.html veröffentlicht.