«Staatspropaganda […] wie zu Hitlers Zeiten»: Beanstandung beim Ombudsmann führt zu Strafanzeige

Bild: Nackte Faust, die ein splitterndes Loch in Glas schlägt

Die Wogen im Vorfeld der «No-Billag»-Volksabstimmung gehen hoch. Nun führte ein «Rundumschlag» jenseits von Gut und Böse sogar zu einer Strafanzeige durch den Ombudsmann von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF).

Wer eine Fernseh- oder Radio-Sendung der öffentlichen-rechtlichen Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) bestanden möchte, kann an die «unabhängige Ombudsstelle» (Art. 91 Abs. 2 RTVG) gelangen.

Am 4. März 2018 findet die Volksabstimmung über die «No-Billag»-Initiative statt. Die Volksinitiative fordert insbesondere die Abschaffung der Mediensteuer in der Schweiz. Die SRG wird zu einem erheblichen Teil über die Mediensteuer finanziert.

Im Vorfeld der Volksabstimmung gehen die Wogen rund um die SRG hoch, wie ein aktueller Schlussbericht von Roger Blum, dem zuständigen Omdusmann für das deutschsprachige Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), zeigt:

Zensurierte verlogene Staatspropaganda»

Die betreffende Beanstandung vom 8. Januar 2018 bezog sich nicht auf eine Sendung, sondern war als «Protest» gegen die Ombudsstelle, Medienministerin Doris Leuthard und das SRF formuliert. Der «Rundumschlag» las sich unter anderem wie folgt:

«Jeden Tag die unerträgliche zensurierte verlogene Staatspropaganda. Angeführt vom Departement der kriminellen Lügen- und Märchentante Doris Leuthard – ‹Bundesrätin› und Volksverarscherin ohne Alternativen und ohne Plan B – unterscheidet sich das totalitäre Schweizer Fernsehen und die übrigen gleichgeschalteten zensurierten Medien, in gar nichts von der damaligen Gräuel-Propaganda des Minister Göbbels! Auch heute erleben wir ein gut funktionierendes Ministerium für ‹Volksaufklärung und Propaganda› – ganz genau wie zu Hitlers Zeiten! […]»

«Nichts von alledem in der Schweiz!»

Der Ombudsmann trat auf die Beanstandung ein und stellte in der Sache klar, dass es in der Schweiz seit dem Zweiten Weltkrieg keine Zensur mehr gibt. Ausserdem erklärte der Ombudsmann, wieso SRF keine Staatspropaganda betreibt und die Schweiz weder Staatsfernsehen noch Staatsradio kennt:

«[…] Staatsender gibt es beispielsweise in China, in Nordkorea, in Kuba, in Syrien, in Ägypten, in Russland, in Thailand oder in der Türkei. Staatssender sind Lautsprecher der jeweiligen Regierung. Radio und Fernsehen SRF berichten hingegen durchaus kritisch über die schweizerische Regierung, und völlig unabhängig von ihr. […]»

Ausserdem verwahrte sich der Ombudsmann deutlich gegen den unsäglichen Vergleich mit dem Dritten Reich:

[…] «Sie gehen darum auch falsch in der Annahme, dass das Departement von Bundesrätin Leuthard ein ‹Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda› sei. Dieser Vergleich mit dem Ministerium von Joseph Goebbels zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland ist völlig abwegig, hanebüchen und beleidigend. Erstens waren die Medien damals strukturell gleichgeschaltet: Alle kommunistischen, sozialdemokratischen und linksliberalen Zeitungen waren verboten worden, jüdische Journalisten waren von ihren Posten entfernt worden, und der nationalsozialistische Presseverlag kaufte immer mehr Zeitungen auf, so dass er im Laufe des Krieges die Mehrheit der Gesamtauflage kontrollierte. Die Nachrichtenagenturen, der Rundfunk und die Filmwochenschau waren ohnehin staatlich kontrolliert. Zweitens gab Goebbels in einer täglichen Pressekonferenz den Redaktionen die Gewichtung und die Kommentierung der Nachrichten vor. Nichts von alledem in der Schweiz!»

«Ton […], der inakzeptabel ist und jeglichen Anstand vermissen lässt»

In der Form führte die Beanstandung zu einer Strafanzeige gegen den Absender:

«Ihre Beanstandung ist in einem Ton verfasst, der inakzeptabel ist und jeglichen Anstand vermissen lässt. Wenn Sie Bundesrätin Leuthard mitsamt den Mitarbeitenden ihres Departements, die Angestellten von SRF und mich in ein Konzentrationslager im hinteren Gasterntal im Berner Oberland einweisen wollen, dann zeigt das, wie niederträchtig Sie denken. Ich habe daher bei der Staatsanwaltschaft Graubünden Strafanzeige gegen Sie eingereicht.»

(Fehlender Anstand allein ist allerdings kein Straftatbestand, aber für eine Strafanzeige käme beispielsweise Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis StGB in Frage.)

Ach ja:

«Für Nachfragen [steht der Ombudsmann] nicht zur Verfügung.»

Der Absender der Beanstandung hat die Möglichkeit, Beschwerde bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) zu erheben. Ich gehe davon aus, dass der Absender aufgrund der damit verbundenen Kosten darauf verzichten wird.

Die «No-Billag»-Initianten werden sich vermutlich ärgern, dass der Ombudsmann auf die Beanstandung eintrat anstatt sie zum Altpapier zu legen. Mit dem veröffentlichten Bericht betreibt der Ombudsmann auch Abstimmungskampf in eigener Sache und schadet vermutlich den Befürwortern der «No-Billag»-Initiative.

Hinweis: Mich ärgert, dass in Zukunft auch Unternehmen einschliesslich Anwaltskanzleien die Mediensteuer bezahlen müssen. Dieser Ärger genügt für mich aber nicht, um der «No-Billag-Initiative» zuzustimmen. (Genauso ärgerlich ist übrigens die Kirchensteuerpflicht für Unternehmen.)

Bild: Pixabay / WenPhotos, Public Domain.

Ein Kommentar

  1. Ich bin Unternehmer und finde es gut, dass endlich jemand die lästige Kirchensteuer für Unternehmen erwähnt. Für mich ist das schon lange ein Unding, das endlich gelöst werden muss. Die Mediensteuer ist nur eine weitere Belastung für kleine Unternehmen.

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