Einfacherer Zugang zu Gerichten mit «Sammelklagen» und weniger hohen Kosten

Foto: Schweizerisches Bundesgericht

In der Schweiz soll der Zugang zu den Gerichten in Zukunft einfacher werden, unter anderem durch «Sammelklagen» sowie weniger hohe Kosten (und Kostenrisiken) für Klägerinnen und Kläger.

Der Bundesrat hat hat die entsprechende Vernehmlassung zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) mit einem erläuternden Bericht sowie einen entsprechenden Vorentwurf eröffnet:

«[…] Punktuelle Anpassungen sollen jedoch Privaten und Unternehmen den Zugang zum Gericht erleichtern und so die Rechtsdurchsetzung im Privatrecht weiter verbessern. […] Insbesondere sollen die Kostenschranken und das Prozesskostenrisiko gesenkt, der kollektive Rechtsschutz gestärkt und die Verfahrenskoordination vereinfacht werden. […]»

Wichtigste Anpassungen: Halbierte Kostenvorschüsse, «Sammelklagen», …

  • Der Kostenvorschuss, den eine Klägerin oder ein Kläger leisten muss, damit sich ein Gericht überhaupt mit einer Angelegenheit befasst, soll halbiert werden, das heisst auf maximal die Hälfte der mutmasslichen Gerichtskosten beschränkt werden. Die Höhe der Gerichtskosten soll aber weiterhin den Kantonen überlassen sowie unverändert bleiben, das heisst am Kostenrisiko für Normalbürger sowie kleinere und mittlere Unternehmen ändert sich nichts.
  • Eine obsiegende Partei, die einen Kostenvorschuss leisten musste, soll diesen nicht mehr von der – allenfalls nicht zahlungsfähigen oder zahlungswilligen – Gegenpartei zurückfordern müssen, sondern vom Gericht zurückerstattet erhalten, womit der Staat das entsprechende Inkassorisiko tragen würde.
  • Die kollektive Rechtsdurchsetzung («Sammelklagen») soll durch ausgebaute Klagemöglichkeiten für Verbände (Verbandsklagen), die Möglichkeit für ein Gruppenvergleichsverfahren bei Massenschäden sowie Erleichterungen bei Klagenhäufung und Streitgenossenschaft verbessert werden.
  • Das Schlichtungsverfahren soll ausgebaut werden, einerseits durch die Möglichkeit von Urteilsvorschlägen im Bereich über 2’000 Franken und bis 10’000 Franken (heute bis 5’000 Franken) und andererseits durch die Möglichkeit für ein Schlichtungsgesuch zur aussergerichtlichen Verjährungsunterbrechung in Fällen, wo eigentlich eine einzige kantonale Instanz wie beispielsweise ein Handelsgericht sachlich zuständig ist.

Punktuelle Anpassungen: Berufsgeheimnis für Unternehmensjuristen, Prozessfinanzierung, …

  • Gerichte sollen bei der Aufklärung über die Prozesskosten auf die Möglichkeit einer Prozessfinanzierung hinweisen müssen, wobei aber ein ausschliessliches oder überwiegendes Erfolgshonorar für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte weiterhin nicht möglich sein soll.
  • Schlichtungsbehörden wie insbesondere Friedensrichterinnen und Friedensrichter sollen Parteien, die nicht persönlich erscheinen und sich auch nicht gehörig vertreten lassen, mit einer Ordnungsbusse von bis zu 1’000 Franken bestrafen können.
  • Für Eingaben, die irrtümlich an ein offensichtlich unzuständiges Gericht erfolgen, soll eine Weiterleitungspflicht an das zuständige Gericht eingeführt werden.
  • Juristinnen und Juristen, die in einem unternehmensinternen Rechtsdienst tätig sind, der von einer Person mit Anwaltspatent geleitet wird, sollen bei Beweiserhebungen nicht mitwirken müssen, sofern ihre betreffende Tätigkeit einer (unternehmensinternen) Anwaltstätigkeit entspricht. Der Bundesrat schlägt damit ein Berufsgeheimnis für Unternehmensjuristen, wie es bislang nur Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte kennen, vor.
  • Private Gutachten der Parteien sollen ausdrücklich als Urkunden gelten, was die Mehrheit der Lehre befürwortet, vom Bundesgericht aber anders entschieden wurde.

Amtliche Dokumente zur vorgeschlagenen Änderung der Zivilprozessordnung

Die Vernehmlassung dauert bis am 11. Juni 2018 (Antwortformular). Es wäre überraschend, wenn die bundesrätlichen Vorschläge auf einhellige Zustimmung stossen würden.

Bild: Wikimedia Commons / Norbert Aepli, «Bundesgericht (Schweiz) in Lausanne», CC BY 3.0 (nicht portiert)-Lizenz.

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