Freifunk kollidiert mit dem Überwachungsstaat in der Schweiz

Foto: Netzwerk-Hardware mit gelben NetzwerkkabelnFreifunk ist eine Initiative, die den freien Zugang – ohne Identifikation, Registrierung und Zensur – zum Internet bezweckt. Die Initiative ist dezentral und wird von einzelnen Personen getragen, die einen Teil ihrer Internet-Bandbreite via WLAN mit der Öffentlichkeit teilen. Freifunk selbst ist in Vereinsform organisiert.

Das Teilen organisiert Freifunk mit entsprechender Firmware für WLAN-Router und stellt teilweise auch geeignete Hardware zur Verfügung:

Der geteilte Internet-Zugang erfolgt nicht direkt über den Internet-Anschluss einer einzelnen Person, sondern über ein Virtual Private Network (VPN) und einen Gateway von Freifunk. Personen, die ihren Internet-Zugang teilen, gehen dadurch kein Risiko ein, während Freifunk gleichzeitig den Datenschutz beim Internet-Zugang fördern kann.

Nun verunmöglicht das revidierte Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) faktisch den Fortbestand der Freifunk-Initiative in der Schweiz.

Revidiertes BÜPF: Kein anonymer und offener Internet-Zugang via Freifunk

Der Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (Dienst ÜPF), zuständig für einen wesentlichen Teil der Überwachung durch Geheimdienst und Strafverfolgungsbehörden in der Schweiz, erklärte auf Nachfrage, dass der anonyme und offene Internet-Zugang via Freifunk mit dem revidierten Überwachungsgesetz nicht mehr rechtmässig sei.

Die Freifunk-Initiative wird vom Dienst ÜPF als Fernmeldedienstanbieter (Art. 2 lit. b BÜPF) und zwar mit «professionell betriebenen öffentlichen WLAN-Zugangspunkten» qualifiziert. Ein solcher Anbieter muss unter anderem sicherstellen, dass «alle Endbenutzerinnen und -benutzer mit geeigneten Mitteln identifiziert werden» (Art. 19 Abs. 2 der Verordnung über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, VÜPF).

Inzwischen hat der Dienst ÜPF entsprechende Merkblätter veröffentlicht (Merkblatt «Abgrenzung zwischen Fernmeldedienstanbieterinnen [FDA] und Anbieterinnen abgeleiteter Kommunikationsdienste [AAKD]» sowie Merkblatt «WLAN»).

Das faktische Verbot der Freifunk-Initiative in der Schweiz ist kein Zufall. Mit dem revidierten BÜPF wurde insbesondere der persönliche Geltungsbereich der Überwachungsmassnahmen erheblich erweitert, denn ansonsten könnten – so der Dienst ÜPF«Kriminelle zu einfach in die Anonymität flüchten.»


Nachtrag vom 26. April 2018

Der deutsche Verein Freifunk Dreiländereck e. V., der auch in der Schweiz tätig ist, hat eine «Stellungnahme zur Frage der Nutzung von Freifunk in der Schweiz» veröffentlicht.

Bild: Pixabay / jarmoluk, Public Domain-ähnlich.

10 Kommentare

  1. 1. Es gibt eine eindeutige Identifizierung, die auf dem jeweiligen Knoten gespeichert wird: die MAC-Adresse des Nutzers (so lange, wie der Speicherplatz auf dem Router dies her gibt).
    2. Freifunk hat keinen Zugriff auf den jeweiligen Freifunk-Knoten.
    3. Soweit mir bekannt, gibt es -mindestens bisher- keinen Freifunk-Verein, der seinen Sitz in der Schweiz hat, oder seine Dienste ausschliesslich für Nutzer auf schweizerischem Territorium anbietet.
    4. Sollte ein Hosting in der Schweiz für derartige Dienste nicht möglich sein, ohne Opfer der schweizerischen Überwachungs-Gesetzgebung zu werden, wird sicher niemand dort einen solchen Dienst dauerhaft hosten.

    Aus den genannten Gründen, sehe ich persönlich, weder die Grundlage für ein faktisches, noch gar für ein tatsächliches Verbot von Freifunk gegeben.

    1. @Rüdiger Lorenz:

      Ihre Gründe sind nicht weiter hilfreich, unter anderem ist eine MAC-Adresse keine Identifikation gemäss BÜPF – man identifiziert damit keine Personen – und gemäss Dienst ÜPF genügt ein Bezug zur Schweiz. Und ja, wenn man Freifunk in der Schweiz nicht rechtmässig ohne Identifikation anbieten kann, wird es Freifunk in dieser Form in der Schweiz nicht mehr geben …

      Öffentliche WLANs sind – «selbstverständlich», wie der Dienst ÜPF sagt – nicht verboten, aber sie müssen sich in den Überwachungsstaat gemäss dem revidierten BÜPF einordnen.

      1. Fraglich ist hier aber auch, ob es sich bei Freifunk überhaupt um ein «professionell» betriebenes WLAN Funknetz handelt, was ich hier doch entschieden anzweifel!

        Ein Freifunk Router wird von technisch unerfahrenen (schweizer) Privatpersonen aufgestellt. Hierbei kann man von einer professionalität sprechen, die in der Regel sogar geringer ist wie die Konfiguration des WLANs an dem heimischen Router seines Internetanbieters.

        Ermöglicht wird das von regelmäßig stattfinden von Freifunktreffen, bei denen Neulinge sich erklären lassen können, wie das mit dem Freifunk funktioniert, ausführlichen Anleitungen im Internet und der unterstützung von interessierten Bürgern.

        Daher bin ich davon überzeugt, dass Sie das Freifunk leider in die falsche Kategorie eingeordnet haben.

        1. @L3D:

          «Daher bin ich davon überzeugt, dass Sie das Freifunk leider in die falsche Kategorie eingeordnet haben.»

          Vorsicht, ich spreche nicht für den Überwachungsdienst … Ich würde mich selbstverständlich freuen, wenn der Dienst ÜPF seine Position überdenken würde.

  2. Als Unkundiger der Schweizer Gesetze (und deren Absichten) kann ich nur feststellen, das die eingesetzte VPN-Technik jeder Unternehmer nutzen sollte, warum nicht der Freifunk? Entweder gesetzlich ein Backdoor nach den Leitlinien von StasiV3 fordern oder den Bürgerfreiheiten eine Nische geben.

  3. Ich bin der Ansicht, dass der Dienst ÜPF die Freifunkinitiative fälschlicherweise als professionellen Fernmeldedienstanbieter qualifiziert. Denn dazu müsste doch, gemäss den vom Dienst ÜPF herausgegebenen Merkblättern, ein „privatrechtliches Vertragsverhältnis zwischen dem Anbieter und einem Kunden bestehen“, was in der Regel nicht der Fall ist, wenn eine Privatperson einen Freifunkknoten betreibt. Somit ist auch kein wirtschaftliches Merkmal gegeben. Das Problem ist aber Art. 2 lit. e BÜPF. Diesem zufolge sind „Personen, die ihren Zugang zu einem öffentlichen Fernmeldenetz Dritten zur Verfügung stellen“ mitwirkungspflichtig. Hier fällt mir kein Argument ein, weshalb Freifunker nicht unter diese Kategorie fallen sollen.

    1. @Thomas Widmer:

      An der Mitwirkungspflicht führt wohl tatsächlich kein Weg vorbei, doch sehe ich darin kein Freifunk-spezifisches Problem.

      Was die vertragliche Beziehung betrifft, so gibt es in der Schweiz immerhin «Allgemeine Nutzungsbedingungen» mit dem Freifunk Dreiländereck-Verein als Vertragspartei. Gemäss diesen Nutzungsbedingungen stellt der Verein die «spezielle Firmware» für Freifunk-Router zur Verfügung, die den Zugang zum Internet ermöglichen und zwar über einen Gateway, den der Verein betreibt. Und so weiter …

  4. Lieber Herr Steiger
    Könnten Sie aus rechtlicher Sicht zu folgenden Punkten eine Prognose wagen?
    1. Welche Strafmassnahmen könnte der Dienst ÜPF gegen Freifunker ergreifen?
    2. Kann der Provider zwischen einem Freifunkzugang und anderen VPNs unterscheiden? Wenn ja, sind diese Erkenntnisse juristisch verwertbar?
    3. Wie wirkt sich die Beurteilung auf (bewusst) ungeschützte WLANs aus? Könnte man einen solchen AP ggf. über ein VPN (nicht Freifunk) betreiben?
    4. Wie steht es um den Zugang zu TOR? Wirkt sich das Grundrechtabschaffungsgesetz auch auf den Betrieb eines TOR-Servers aus?
    Ich hoffe Sie können hier als Experte etwas Licht ins Dunkel bringen. An dieser Stelle möchte ich Ihnen auch ein grosses Lob und meinen Dank für Ihren Einstand zur Erhaltung unserer Rechte aussprechen.

      1. Guten Tag Herr Steiger
        Mit Interesse bin ich auf diesen etwas älteren Beitrag gestossen. Mich würde interessieren ob sie zu den Fragen von D. Schmid inzwischen eine Aussage machen können. Und/oder ob es inzwischen entsprechende Gerichtsfälle gegeben hat und ggf. mit welchem Ausgang.

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