Im Übrigen gilt die Unschulds­vermutung

Foto: Galgen

Marcel Alexander Niggli, unter anderem Professor an der Universität Fribourg, seziert die journalistische Unsitte der floskelhaften Unschuldsvermutung und spricht mir damit aus dem medienrechtlichen Herzen:

«Der mediale Hinweis ist nichts anderes als ein Beleg dafür, dass medial gerade das Gegenteil, nämlich eine Schuldvermutung gilt.»

Hintergrund:

«Wir alle kennen es: Da wird ausführlichst über ein Delikt berichtet und über einen Menschen, der verdächtig wird, es begangen zu haben. […] Immer enden solche Berichte mit der obligaten Feststellung, natürlich gelte die Unschuldsvermutung. Die Tatsache aber, dass dies gesagt wird, belegt gerade das Gegenteil. Nichts, was sich versteht, muss ausdrücklich gesagt werden. Vor Gericht etwa, wird diese Aussage kaum je zu hören sein. Genau so gut, könnten mediale Berichte auch schliessen mit dem Hinweis, selbstverständlich gelte die Rechtstaatlichkeit weiterhin.»

Fazit:

«Je notwendiger der Hinweis auf die Unschuldsvermutung, desto sicherer, dass die Berichterstattung ebendiese Vermutung verletzt.»

Logo: ContraLegem (Zeitschrift)

Der treffsichere Text stammt aus der neuen Zeitschrift ContraLegem mit Professor Niggli als Chefredaktor.

Der lesenswerten ersten Ausgabe werden hoffentlich viele weitere Texte im Sinn von «No trigger warnings, no safe spaces, no bullshit» folgen. ContraLegem gehört ohne Zweifel nicht zu jenen wissenschaftlichen Publikationen, die dazu bestimmt sind, ungelesen zu verstauben.

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(Auch via strafprozess.ch.)

Bild: Pixabay / Servicelinket, Public Domain-ähnlich.

4 Kommentare

  1. Hallo Martin
    Vielen Dank für den Hinweis auf den Kommentar von Niggli betr. (Un-)Schuldsvermutung! Ist tatsächlich eine unsinnige Unsitte. Erstaunlich, dass die Medienleute das nicht längst selbst gemerkt haben. Oder vielleicht ja doch…

  2. Lieber Martin
    Ich verzichte künftig bei meiner Berichterstattung gerne auf diesen Hinweis. Bei uns sind es übrigens die Juristen, die immer wieder betonen, dass wir auf die Unschuldsvermutung hinweisen sollen.
    Gruss
    Till Burgherr

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