Link-Steuer: Presseverlage fordern Leistungsschutzrecht auch in der Schweiz

Foto: Rostige, gebrochene KetteDie Europäische Union (EU) möchte ein Leistungsschutzrecht (LSR) für Presseverlage einführen: Wenn Social Media-Plattformen, Suchmaschinen und sonstige Websites jenseits von einzelnen Wörtern auf die Online-Inhalte von Presseverlagen verlinken, sollen sie eine «Link-Steuer» bezahlen müssen.

Nun schliesst sich der Verband Schweizer Medien (VSM) mit markigen Worten dieser Forderung an (mit Hervorhebungen):

«Newsaggregatoren verwerten für ihr eigenes Angebot auf unlautere Weise Snippets, Textanrisse und Schlagzeilen, welche mit hohem Ressourcenaufwand von den Verlagen produziert werden. Solche Textausschnitte sind durch das Urheberrecht nicht geschützt, da sie die sogenannte urheberrechtliche Werkhöhe nicht erreichen. Im Rahmen der Urheberrechtsrevision gilt es dieses Trittbrettfahrertum durch die Einführung eines LSR zu unterbinden. […]

Es ist angebracht, ein entsprechendes Recht auch im eidgenössischen Urheberrecht einzufügen. Schliesslich geht es nicht an, dass die Schweiz im urheberrechtlichen Sinne eine ‹Pirateninsel› bleibt und die Leistungen der Verleger auch weiterhin nicht angemessen entschädigt werden.»

Und:

Das LSR ist ein wichtiges Mittel zur Bekämpfung der Piraterie und unstatthafter Aneignung von fremdem geistigem Eigentum, weshalb es Eingang in jedes moderne Urheberrecht finden muss. Die Newsaggregatoren schaffen mit dem Zusammentragen von News ein attraktives Gesamtangebot, durch das sie eigene Werbeeinnahmen für fremdproduzierte Inhalte generieren können. Die Verlage dagegen haben einen grossen Aufwand für die Produktion dieser Inhalte geleistet. Ihnen entgehen durch die Aggregatoren erhebliche Werbeeinnahmen, die ihnen für das fortwährende Informieren der Gesellschaft eigentlich zustehen müssten. Mehr noch: Viele Nutzer begnügen sich mit den bereitgestellten kurzen Textanrissen und gehen gar nicht mehr auf die Internetseiten der Verlage selbst.»

Verlinkung von Online-Inhalten als Piraterie?

Wo die Presseverlage eine schweizerische Pirateninsel und unlauteren Wettbewerb sehen, geht es um die Verlinkung von kostenlos und öffentlich zugänglichen Online-Inhalten durch Dritte. Eigentlich würde man davon ausgehen, dass die Verlage davon profitieren, wenn Ihre Online-Inhalte verlinkt werden …

Niemand zwingt Presseverlage dazu, mit grossem Aufwand Inhalte zu produzieren, die – selbst kostenlos – zu wenig Interesse beim lesenden Publikum und für Werbung wecken. Presseverlage können ihre Inhalte kostenpflichtig anbieten («Paywall») oder die Verlinkung bei Suchmaschinen mit dem Robots Exclusion Standard (robots.txt) ausschliessen.

In Deutschland ist das seit einigen Jahren bestehende Leistungsschutzrecht bislang nicht nur wirkungslos, sondern sogar kontraproduktiv. Ein vergleichbares Leistungsrecht soll in der EU nun aber dennoch eingeführt werden.

Die Forderung nach einem Leistungsschutzrecht ist ein Symptom für das andauernde Scheitern der EU an der Digitalisierung, aber auch für die Verzweiflung der traditionellen Presseverlage, deren Publikum ausstirbt:

«Die Medienhäuser sind zunehmend mit einem Nachwuchsproblem konfrontiert. Denn das Interesse der Jüngeren an Informationsangeboten sinkt rapide. […] Danach zählen 53 Prozent der 16- bis 29-Jährigen zur Gruppe der sogenannten News-Deprivierten, die nur sporadisch Informationen zur Kenntnis nehmen und vorwiegend Unterhaltungsangebote konsumieren. […]»

Das nächstgrössere Konsumentensegment sind […] die Global Surfer, die ebenfalls auf Bezahlangebote verzichten und relativ oberflächlich Online-News vor allem von internationalen Anbietern lesen. […] Damit wäre bereits eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung von den Schweizer Informationsangeboten entfremdet. Der Medienkonsum wachse zwar insgesamt, […] doch davon profitierten alternative Dienstleistungen, vor allem jene der global tätigen Techno-Konzerne mit ihren Kommunikationsplattformen.»

Schweizerische «Link-Steuer» im zweiten Anlauf?

Die Forderung des VSM nach einer «Link-Steuer» stellt den zweiten Anlauf dar:

2011 hatte der VSM bereits ein schweizerisches Leistungsschutzrecht mit Verweis auf das Leistungsschutzrecht in Deutschland gefordert. 2013 erklärte der VSM dann aber, «ein solches Sonderrecht brauche es gar nicht»:

«Das Abrücken des Verband von der Maximalforderung begründet Meyer mit dem Hinweis auf die schweizerische Rechtssystematik: Ein Leistungsschutzrecht nach deutschem Vorbild vertrage sich schlecht mit dem hiesigen Urheberrecht. Ein bekanntes Argument. Urheberrechtsspezialisten haben in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass ein Sonderrecht für Verlage wenig sinnvoll sei und das geltende Gesetz genügend Möglichkeiten biete, um die unautorisierte Weiterverwendung redaktioneller Inhalte zu unterbinden. Bis zu dieser Einsicht hat es bei den Verlegern gedauert, aber jetzt sind sie so weit.»

In der Schweiz wird – wie vom VSM erwähnt – das Urheberrecht revidiert. Im entsprechenden Kompromiss der umstrittenen Arbeitsgruppe AGUR12 war kein Leistungsschutzrecht für Presseverlage enthalten. Aus diesem Grund findet sich eine solche «Link-Steuer» nicht im bundesrätlichen Entwurf für das revidierte Urheberrechtsgesetz, kann aber noch im Parlament eingebracht werden.

(Via Nick Lüthi / Medienwoche, vielen Dank für den Hinweis!)

Bild: Pixabay / shilmar, Public Domain-ähnlich.

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