Unsicheres E-Voting: Abmahnung für den Chaos Computer Club aus dem Kanton Genf

Foto: Stimmunterlagen für die schweizerische Volksabstimmung vom 25. November 2018Seit Jahren fordern und fördern die Behörden in der Schweiz das Abstimmen und Wählen im Internet um jeden Preis.

Sicheres E-Voting ist – zu meinem Leidwesen – leider nicht möglich. Wer E-Voting fordert und fördert, untergräbt deshalb das Vertrauen in die direkte Demokratie.

Kürzlich zeigte der Chaos Computer Club (CCC) einmal mehr, dass E-Voting unsicher ist. Es wurde demonstriert, wie einfach Stimm- und Wahlberechtigte auf eine gefälschte E-Voting-Website umgeleitet werden können.

Für das betroffene E-Voting-System ist der Kanton Genf verantwortlich. Dieser reagierte nicht etwa mit einem sofortigen Stopp für E-Voting, sondern gelangte mit einer Abmahnung an den CCC!

Dokument: E-Voting-Abmahnung des Kantons Genf an den Chaos Computer Club (CCC) vom 2. November 2018 (Auszug)

In ihrer französischsprachigen Abmahnung beschwerte sich Michèle Righetti, Staatskanzlerin in Genf, darüber, dass der CCC auf der gefälschten Website die Wappen von verschiedenen Kantonen einschliesslich Genf verwendet hatte. Dafür wurde auf Art. 28 Wappengesetz (WSG) verwiesen. Die Bestimmung stellt den «unzulässigen Gebrauch öffentlicher Zeichen» unter Strafe.

Weiter warf der Kanton Genf dem CCC «Vergehen gegen den Volkswillen» gemäss dem 14. Titel des Strafgesetzbuches (StGB) vor, allerdings ohne einen einzelnen Straftatbestand zu nennen. Die Staatskanzlerin behauptete, der CCC störe die betreffenden Volksabstimmungen und untergrabe das Vertrauen der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in das Schlussergebnis.

Verkehrte Welt: Der Kanton Genf wirft jenen, die demonstrieren, dass E-Voting unsicher ist, vor, das Vertrauen in die direkte Demokratie zu untergraben. Man könnte meinen, E-Voting werde dadurch vertrauenswürdig, dass man nicht über die Unsicherheit von E-Voting spricht.

Weitergehen, es gibt nichts zu sehen – und wer hinsieht, wird bestraft?

Die Drohungen sind ernst zu nehmen: Ein Journalist, der vor einigen Jahren gezeigt hatte, dass man mit dem Genfer E-Voting-System doppelt abstimmen konnte, wurde dafür vom Bundesstrafgericht wegen Wahlfälschung verurteilt. Erst das Bundesgericht erkannte, dass der Journalist keine Wahl fälschen, sondern im Gegenteil auf das unsichere E-Voting hinweisen wollte.

Auch die anderen Kantone mit E-Voting zeigen keine Einsicht, sondern halten an E-Voting fest und negieren die Probleme bei der Sicherheit:

  • Im Kanton Aargau geht man beispielsweise davon aus, bis 2023 werde E-Voting «noch sicherer».
  • Im Kanton St.Gallen lässt Vizestaatssekretär Benedikt van Spyk verbreiten, es gäbe «keine neuen Erkenntnisse zum E-Voting» und man wolle «weiterhin bei der Information und Sensibilisierung der Stimmberechtigten ansetzen.»
  • Barbara Schüpbach-Guggenbühl, Staatsschreiberin im Kanton Basel-Stadt und Präsidentin der Staatsschreiberkonferenz, behauptet sogar, «das System an sich funktioniere einwandfrei» und es handle sich «nicht um eine Sicherheitslücke im E-Voting-System», sondern um «ein Problem der Anwendung».

Die Reaktionen zeigen die Berechtigung der geplanten Volksinitiative «Für eine sichere und vertrauenswürdige Demokratie», die ein E-Voting-Moratorium fordert. Die Behörden in der Schweiz sind offensichtlich nicht bereit, auf unsicheres E-Voting zu verzichten.

Lesenswerte Weblinks rund um die fehlende Sicherheit bei E-Voting

  • Daria Wild schreibt über den E-Voting-Sonderfall «Schweiz» (Republik).
  • Danilo Bargen widerlegt die Behauptung des Kantons St.Gallen, es gäbe «keine neuen Erkenntis zu E-Voting».
  • Volker Birk zeigt auf, wo die Bundeskanzlei bei ihren Fragen und Antworten zum E-Voting falsch liegt.
  • Timo Grossenbacher äussert sich zur Frage, ob E-Voting in der Schweiz trotz der neusten Demonstration des CCC sicher ist.
  • Hernani Marques spricht über E-Voting als Ende der Demokratie (Interview im Tages-Anzeiger).
  • Bruce Schneier erklärt die Unmöglichkeit von sicherem E-Voting: «This means no Internet voting. While that seems attractive, and certainly a way technology can improve voting, we don’t know how to do it securely. We simply can’t build an Internet voting system that is secure against hacking because of the requirement for a secret ballot. This makes voting different from banking and anything else we do on the Internet, and it makes security much harder. Even allegations of vote hacking would be enough to undermine confidence in the system, and we simply cannot afford that. We need a system of pre-election and post-election security audits of these voting machines to increase confidence in the system.»
  • René Droz dokumentiert auf noevoting.ch Informationen rund um den Widerstand gegen E-Voting.
Offenlegung: Ich engagiere mich für die Volksinitiative «Für eine sichere und vertrauenswürdige Demokratie» und warne seit mindestens 2010 vor E-Voting in der Schweiz, zum Beispiel mit meinem Beitrag über E-Voting: Ohne Vertrauen, um jeden Preis am 25. November 2010 bei DirekteDemokratie.com.

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