Einfuhrsteuer: Amazon.com verhängt Lieferstopp für Waren in die Schweiz

Screenshot: E-Mail von Amazon.com vom 3. Dezember 2018 betreffend Lieferstopp für die Schweiz
Schweizerische Kunden von Amazon.com und anderen Amazon-Ablegern ausserhalb der Europäischen Union (EU) erlebten gestern Abend eine böse Überraschung:

Amazon kündigte an, Bestellungen von Kunden in der Schweiz für Waren («non-digital orders») über Amazon.com und andere Websites ausserhalb der EU nicht mehr auszuliefern. Amazon verweist darauf, dass weiterhin über EU-Ableger wie beispielsweise Amazon.de bestellt werden könne.

Der Lieferstopp tritt am 26. Dezember 2018 in Kraft. Amazon bedauert «any inconvenience this may cause».

Der Grund für den Lieferstopp liegt in «changes to the Swiss value added tax law»:

Ab dem 1. Januar 2019 müssen ausländische Versandhändler auch für Kleinsendungen bei ihren Kunden in der Schweiz die schweizerische Einfuhrsteuer beziehungsweise Mehrwertsteuer einkassieren, sobald ein Umsatz von 100’000 Franken pro Jahr in der Schweiz erreicht wird (Art. 4a MWSTV).

Bei Kleinsendungen beträgt der Steuerbetrag 5 Franken oder weniger, was einem Warenwert von 65 Franken bei 7.7 % Mehrwertsteuer beziehungsweise 200 Franken bei 2.5 % Mehrwertsteuer – zum Beispiel für Bücher – entspricht. Bislang verzichtete die Schweiz aus «erhebungswirtschaftlichen Gründen» auf die Erhebung der Einfuhrsteuer bei solchen Kleinsendungen. Das Inkasso der Einfuhrsteuer auf Kleinsendungen ist für den Staat ein Verlustgeschäft.

In der Folge konnten Konsumenten in der Schweiz bei ausländischen Versandhändlern steuerfrei einkaufen, solange die oben erwähnten Warenwerte nicht überschritten wurde. Dadurch sahen sich schweizerische Händler im Wettbewerb mit ausländischen Konkurrenten benachteiligt. Sie lobbyierten erfolgreich dafür, dass Konsumenten in der Schweiz auch bei Bestellungen im Ausland die schweizerische Mehrwertsteuer bezahlen müssen.

Amazon möchte den zusätzlichen Aufwand für Kleinsendungen offensichtlich vermeiden beziehungsweise auf Lieferungen aus der EU in die Schweiz beschränken. Für Lieferungen mit einem höheren Warenwert von Amazon.com hatte Amazon bislang die schweizerische Mehrwertsteuer in vielen Fällen bereits selbst einkassiert und dafür ein «Import Fees Deposit» in Rechnung gestellt. Bei Kleinsendungen scheint sich der entsprechende Aufwand nicht zu lohnen.

Screenshot: E-Mail von Amazon.com mit Lieferbestätigung einschliesslich «Import Fees Deposit»

Erfolg für Händler, weniger Angebot und höherer Preis für Konsumenten

Für schweizerische Händler hat sich ihr Lobbying scheinbar gelohnt: Sie erhalten mindestens gleich lange Spiesse wie die ausländische Konkurrenz. Das Angebot der ausländischen Konkurrenz für Konsumenten in der Schweiz wird kleiner und teurer. Allerdings kauften bei Amazon.com gerade jene Konsumenten ein, die in der Schweiz nicht fündig wurden und vermutlich auch in Zukunft nicht fündig werden.

Wer in der Schweiz weiterhin Waren bei Amazon.com bestellen möchte, muss an einen Paketdienst im grenznahen Ausland liefern lassen oder auf einen Weiterleitungsdienst wie Shipito setzen. Solche Dienste und Umwege verursachen allerdings Kosten und sonstigen Aufwand.

Weitere Massnahmen sind im Zusammenhang mit ausländischen Online-Marktplätzen und -Plattformen absehbar. So ist beispielsweise die Motion 18.3540 von Ständerat Beat Vonlanthen (CVP) hängig:

«Der Bundesrat wird ersucht, Massnahmen zu treffen, um ausländische Online-Marktplätze und Dienstleistungs-Plattformen bei Lieferungen oder Dienstleistungen in die Schweiz der Mehrwertsteuer zu unterstellen. Die Massnahmen sollen dazu beitragen, Missbräuche zu verhindern, die aktuell hohen MWST-Ausfälle bei Online-Verkäufen und -Dienstleistungen in die Schweiz zu verringern und faire Wettbewerbsbedingungen für die einheimischen Anbieter zu schaffen.»

Die Motion wurde am 24. September 2018 im Ständerat angenommen und geht nun in den Nationalrat.

(Auch via @Thomie_ch.)

3 Kommentare

  1. Einmal mehr Heimatschutz im „freien und liberalen“ Schweizer Markt. Ständerat Beat Vonlanthen sei Dank. Seine Wähler und Konsumenten haben die Möglichkeit ihm bei den nächsten Wahlen, sofern er denn wieder antritt, die Quittung zu liefern.

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