Nein, ein wirrer Kettenbrief bei Facebook schützt nicht die Privatsphäre

Foto: Popcorn

Momentan erreichen mich viele Anfragen zu einem Facebook-Kettenbrief, der mit «Lieber sicher sein, als dass es einem Leid tut» beginnt.

Unzählige Facebook-Nutzer haben den Kettenbrief inzwischen veröffentlicht. Anscheinend hoffen sie, damit ihre Privatsphäre bei Facebook schützen zu können …

TL;DR: Wer den Kettenbrief selbst veröffentlicht hat, sollte ihn unverzüglich löschen. Und wer den Kettenbrief bei Facebook sieht, sollte den Kettenbrief nicht kopieren und selbst veröffentlichen, sondern ignorieren.

Man kann seine Privatsphäre (!) bei Facebook (!) mit einem solchen Kettenbrief nicht schützen. Wer seine Privatsphäre bei Facebook schützen möchte, muss sein Facebook-Nutzerkonto löschen.

Nachfolgend erkläre ich Zeile für Zeile, wieso der Kettenbrief inhaltlich wirr und rechtlich wirkungslos ist:

«Lieber sicher sein»-Kettenbrief unter der Lupe

Nach dem einleitenden «Lieber sicher sein, als dass es einem Leid tut» heisst es im Kettenbrief:

«Ein Anwalt hat uns empfohlen, dies zu posten. Grund genug für mich. Die Verletzung der Privatsphäre kann gesetzlich bestraft werden.»

Nein, kein Rechtsanwalt hat empfohlen, den Kettenbrief bei Facebook zu veröffentlichen. Auch wenn es aus anwaltlicher Sicht bemerkenswert ist, dass die Empfehlung eines nicht namentlich genannten Rechtsanwaltes an eine nicht namentlich genannte Gruppierung («uns») von unzähligen Facebook-Nutzern ohne weiteres befolgt wird …

Ja, die Privatsphäre ist gesetzlich geschützt. Und ja, wer das Datenschutzrecht verletzt, kann allenfalls bestraft werden. Darauf hat die Veröffentlichung des Kettenbriefes bei Facebook aber keinen Einfluss. Einseitige Disclaimer beziehungsweise Haftungsausschlüsse – zum Beispiel auch in E-Mails oder auf Websites – sind grundsätzlich wirkungslos.

Und weiter im Kettenbrief:

«HINWEIS: Facebook ist jetzt eine öffentliche Einrichtung.»

Falsch.

«Alle Mitglieder müssen eine solche Notiz posten.»

Falsch.

«Wenn Sie eine Erklärung nicht mindestens einmal veröffentlichen, wird stillschweigend davon ausgegangen, dass Sie die Verwendung Ihrer Fotos sowie der Informationen in den Aktualisierungen Ihres Profilstatus zulassen.»

Falsch. Wer Facebook nutzt, beispielsweise um Fotos zu veröffentlichen, gab und gibt gemäss den Nutzungsbedingungen von Facebook ausdrücklich – und nicht etwa stillschweigend! – die entsprechende Berechtigung an Facebook und zwar gemäss den jeweiligen Einstellungen:

«Das bedeutet beispielsweise, dass du uns, wenn du ein Foto auf Facebook teilst, die Berechtigung gibst, es zu speichern, zu kopieren und mit anderen zu teilen (wiederum im Einklang mit deinen Einstellungen) […]»

Ohne eine solche Lizenz dürfte Facebook die Inhalte von Nutzern, die solche Nutzer selbst veröffentlichen, weder speichern noch anderen Nutzern anzeigen. Facebook hält in den Nutzungsbedingungen unter anderem ausdrücklich fest:

«Die von dir auf Facebook und den anderen von dir genutzten Facebook-Produkten erstellten und geteilten Inhalte gehören dir, und nichts in diesen Nutzungsbedingungen nimmt dir die dir hinsichtlich deiner eigenen Inhalte zustehenden Rechte. […]»

Und weiter im Kettenbrief:

«Ich erkläre hiermit, dass ich meine Erlaubnis nicht gebe.»

Wirkungslos. Wer Facebook nutzt und beispielsweise ein Foto oder auch einen Text wie den Kettenbrief veröffentlicht, hat seine Berechtigung beziehungsweise Erlaubnis bereits gegeben.

«Termin morgen !!! Alles, was Sie jemals gepostet haben, wird ab morgen öffentlich. Auch gelöschte Nachrichten oder Fotos sind nicht zulässig.»

Wirr. (Und falsch.) Aber Hauptsache, viele Ausrufezeichen!!!

«Ein einfaches Kopieren und Einfügen kostet nichts, besser sicher als leid.»

Ähmmm. Allenfalls der hilflose Versuch, «better safe than sorry» auf Deutsch zu übersetzen?

«Channel 13 News sprach über die Änderung der Datenschutzerklärung von Facebook.»

Aha. (In China gibt es einen Fernsehsender namens CCTV-13Und soeben ist ein Sack Reis umgefallen! ????)

Die jeweils aktuelle Datenschutzerklärung von Facebook ist über die «Datenrichtlinie»-Seite zugänglich.

Und weiter im Kettenbrief:

«Ich gebe Facebook oder den mit Facebook verbundenen Personen keine Erlaubnis, meine Bilder, Informationen, Nachrichten oder Beiträge zu verwenden, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft.»

Wirkungslos. Wer Facebook nutzt, gab und gibt Facebook wie erwähnt gemäss den Nutzungsbedingungen die Berechtigung, solche Inhalte zu verwenden («Lizenz»).

Wer die – übrigens nicht-exklusive – Lizenz beenden beziehungsweise widerrufen möchte, hat gemäss den Nutzungsbedingungen zwei Möglichkeiten:

«Du kannst diese Lizenz jederzeit beenden, indem du deine Inhalte oder dein Konto löschst.»

Nutzer können die Nutzungsbedingungen von Facebook nicht mit einem veröffentlichten Kettenbrief auf ihrem Profil einseitig anpassen oder teilweise ausser Kraft sehen.

Und weiter im Kettenbrief:

«Mit dieser Erklärung gebe ich Facebook eine Mitteilung.»

Wirkungslos. Mitteilungen gehen nicht allein deshalb schon an Facebook, weil man sie als Kettenbrief auf seinem Profil veröffentlicht. Wer als Facebook-Nutzer in Europa eine Mitteilung an Facebook senden möchte, muss sich an die Facebook Ireland Limited wenden, oder offizielle Kommunikationskanäle direkt auf Facebook nutzen.

«Es ist strengstens untersagt, auf der Grundlage dieses Profils und / oder seines Inhalts gegen mich weiterzugeben, zu kopieren, zu verbreiten oder sonstige Maßnahmen zu ergreifen.»

Wirkungslos. (Sofern und soweit der Text überhaupt Sinn ergibt.)

«Der Inhalt dieses Profils ist vertraulich.»

???? (????????????, mehr ????!)

«Die Verletzung der Privatsphäre kann gesetzlich geahndet werden (UCC 1-308-1 308-103 und das Römische Statut).»

Ja, das hatten wir oben teilweise schon einmal. Das amerikanische Handelsrecht (Uniform Commercial Code, UCC) gibt es zwar tatsächlich, aber die erwähnten Bestimmungen helfen nicht weiter. Auch das «Römische Statut» gibt es tatsächlich, nämlich das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, ist aber offensichtlich vorliegend nicht passend.

«Wenn Sie möchten, können Sie diese Version kopieren und einfügen.»

Nett, aber … ich empfehle, den Kettenbrief nicht zu kopieren oder zumindest nicht zu veröffentlichen.

«Wenn Sie eine Erklärung nicht mindestens einmal veröffentlichen, wird sie die Verwendung Ihrer Fotos sowie die Informationen in den Profilstatusaktualisierungen technisch zulassen.»

Noch Fragen? ????‍♂️

Zur Erinnerung: Man kann seine Privatsphäre (!) bei Facebook (!) mit einem solchen Kettenbrief nicht schützen. Wer seine Privatsphäre bei Facebook schützen möchte, muss sein Facebook-Nutzerkonto löschen.

Bild: Pixabay / annca, Public Domain-ähnlich.

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