Presserat erweitert Zuständigkeit auf Blogs, Newsletter und YouTube-Kanäle

Foto: Aufeinander gestapelte ZeitungenDer Schweizer Presserat ist eine private Beschwerdeinstanz für medienethische Fragen. Er wird von Medienhäusern und Verlegern sowie Gewerkschaften im Bereich der traditionellen Massenmedien getragen.

Der Presserat nimmt – auf Beschwerde hin oder von sich aus – Stellung zu medienethischen Fragen. Jedermann, der glaubt, die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» sei verletzt worden, kann Beschwerde erheben.

Der Presserat sieht seine Aufgabe in der «freiwilligen Selbstregulierung der Medienbranche». Allerdings bestimmt der Presserat jeweils selbst, zu welchen Inhalten Stellungnahmen erfolgen. Der Presserat nimmt keine Rücksicht darauf, ob Verantwortliche für bestimmte Inhalte überhaupt reguliert werden möchten.

Per 1. Januar 2019 hat der Presserat seine Zuständigkeit erheblich erweitert – unter anderem auf Blogs, Newsletter und YouTube-Kanäle.

Zuständigkeit für Blogger, Kuratoren und YouTuber

Einerseits hält der Presserat mit Verweis auf die «Vervielfachung der Informationsseiten im Internet» fest, dass sich seine Zuständigkeit «auf alle Publikationen journalistischer Art» erstreckt und zwar «unabhängig von Verbreitungsform und Periodizität» (Stellungnahme 1/2019) (mit Hervorhebung):

«1. Die Zuständigkeit des Schweizer Presserates erstreckt sich auf alle Publikationen journalistischer Art, unabhängig von Verbreitungsform und Periodizität.

2. Als Veröffentlichung mit journalistischem Charakter gilt jede Publikation, die aus einer Tätigkeit resultiert, welche aus unabhängiger Warte Material sammelt, auswählt, formatiert, interpretiert oder kommentiert. Reine Propagandainhalte sind damit ausgeschlossen.»

Im Ergebnis müssen unter anderem Blogger, Kuratoren und YouTuber damit rechnen, dass der Presserat eine Stellungnahme zu ihren Inhalten abgibt. Empfehlungen und Feststellungen sind zu Beiträgen in Blogs, in Newslettern und auf Social Media-Plattformen möglich, sofern der Presserat einen «journalistischen Charakter» erkennt.

Ich wäre nicht überrascht, wenn der Presserat aufgrund der erweiterten Zuständigkeit bald einmal klären müsste, ob «Tele Blocher» einen «journalistischen Charakter» hat oder unter «reine Propagandainhalte» fällt.

Zuständigkeit für Journalisten auf Social Media-Plattformen

Andererseits stellt der Presserat fest, «dass Journalisten heute die Öffentlichkeit selbst direkt ansprechen können, ohne den Weg von Medien zu benützen» und betont im Ergebnis, «dass Journalisten, die sich in sozialen Netzwerken äussern, grundsätzlich verpflichtet sind, die berufsethischen Regeln einzuhalten.» Lediglich bei Äusserungen, die ihr Privatleben betreffen, sollen Journalisten – so der Presserat – die Berufsregeln nicht einhalten müssen (Stellungnahme 2/2019):

«1. Journalisten, die sich in sozialen Netzwerken äussern, sind grundsätzlich verpflichtet, die berufsethischen Regeln einzuhalten. Dabei ist jedoch dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen, insbesondere unter Berücksichtigung der charakteristischen Spontaneität sozialer Netzwerke und der dort praktizierten breiten Meinungsfreiheit. Ausserdem gelten die berufsethischen Regeln nicht, wenn sich Journalisten zu Themen äussern, die ihr Privatleben betreffen.

2. Journalisten, die soziale Netzwerke zu Recherchezwecken nutzen, müssen die berufsethischen Regeln einhalten, insbesondere jene, welche die Lauterkeit der Recherche betreffen.

3. Journalistische Medien, die sich in sozialen Netzwerken äussern, sind verpflichtet, die berufsethischen Regeln gleich wie in den andern Verbreitungsformen zu respektieren.»

Im letzten Jahr noch hatte sich der Presserat für den Tweet eines damaligen Journalisten der Basler Zeitung (BaZ) nicht für zuständig erklärt (Stellungnahme 17/2018).

Presserat: Geändertes Geschäftsreglement per 1. Januar 2019

Art. 2 über die Zuständigkeit im Geschäftsreglement des Presserates lautet seit dem 1. Januar 2019 wie folgt:

«Die Zuständigkeit des Schweizer Presserats erstreckt sich – ungeachtet der Verbreitungsart – auf den redaktionellen Teil der öffentlichen, auf die Aktualität bezogenen Medien sowie auf die journalistischen Inhalte, die individuell publiziert werden.»

Fazit: Positionierung für neues Mediengesetz und «elektronische Medien»

Es wird interessant zu sehen sein, ob sich der Presserat tatsächlich mit relevanten Bloggern und YouTubern befassen wird und, falls ja, wie solche Personen auf Stellungnahmen reagieren werden. Immerhin gilt weiterhin, dass Stellungnahmen ignoriert werden können – im Gegensatz zu rechtlichen Schritten, die jene beschreiten, die entschlossen, häufig kurzfristig und wirksam vor Gericht gegen mutmasslich rechtsverletzende Inhalte vorgehen möchten.

Stellungnahmen des Presserats sind dennoch häufig lesenswert, so dass sie zumindest nicht ungelesen ignoriert werden sollten. Der Presserat hat keine Zwangsmassnahmen zur Verfügung und muss deshalb inhaltlich überzeugen. Ausserdem sind Gerichte und Staatsanwaltschaften nicht geeignet, um medienethische Fragen zu diskutieren, sondern müssen im Einzelfall und gemäss geltendem Recht entscheiden.

Unabhängig davon ist die nun erheblich erweiterte Zuständigkeit, die sich der Presserat gegeben hat, als Positionierung für das neue Mediengesetz zu sehen:

Einerseits stehen im neuen Mediengesetz – Kritik hin oder her – die «elektronischen Medien» im Vordergrund, während sich die herkömmlichen Massenmedien im Niedergang befinden. Andererseits sieht der Entwurf für das Mediengesetz zusätzliche Subventionen vor, wobei ausdrücklich Organisationen wie der Presserat von den Einnahmen aus der neuen Mediensteuer profitieren sollen und die zusätzlichen Subventionen zu den wenig umstrittenen Punkten beim neuen Mediengesetz gehören.

Bild: Pixabay / congerdesign, Public Domain-ähnlich.

Ein Kommentar

  1. Die Stellungnahmen des Presserates sollten auch von Anwältinnen und Anwälten nicht ignoriert werden. Gerichte – bis hin zum EGMR – ziehen die Entscheide des Selbstregulierungsorgans heran, wenn sie unbestimmte Rechtsbegriffe konkretisieren. Und davon gibt es gerade im Medienrecht viele.

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