Offline: Systematische Rechtssammlung in der Schweiz seit Tagen in Reparatur

Foto: Zerbrochenes Mosiak

Die Systematische Rechtssammlung (SR) des Bundesrechts ist in der Schweiz die zentrale Quelle für alle, die mit schweizerischen Gesetzen und anderen Erlassen arbeiten.

Mit der SR sind fast alle schweizerischen Erlasse im Volltext und als PDF-Dateien online frei zugänglich. Dazu kommen ergänzende Informationen wie beispielsweise frühere Fassungen der einzelnen Erlasse sowie Weblinks zu Änderungen und Chronologie. Erschlossen wird die SR insbesondere mit einer Suchfunktion:

Wer «StGB 173» eingibt, gelangt beispielsweise direkt zu Art. 173 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB).

Mindestens seit Dienstagmorgen ist die SR in dieser Form nicht mehr zugänglich. Im Gegensatz zu früheren Ausfällen ist nicht allein die Suchfunktion betroffen, sondern die Erlasse können zum Teil gar nicht mehr abgerufen werden:

Auf der Einstiegsseite der SR wird auf «Probleme bei www.bundesrecht.ch.admin» hingewiesen. Ausserdem wird mitgeteilt, die Techniker seien dabei, die Probleme zu beheben:

Screenshot: «Probleme auf www.bundesrecht.admin.ch»

Wer das erwähnte StGB abrufen möchte, müsste gemäss Google-Suchergebnis eigentlich unter https://www.admin.ch/ch/d/sr/c311_0.html fündig werden (Google-Cache). Nun erscheint aber die Meldung «Ein Fehler ist aufgetreten» und die Seite sei leider nicht gefunden worden:

Screenshot: «Ein Fehler ist aufgetreten»-Meldung bei admin.ch

Ein telefonischer Kontakt mit dem zuständigen Kompetenzzentrum Amtliche Veröffentlichungen (KAV) der Bundeskanzlei ergab, dass das Problem anscheinend beim Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) liegt. Demnach fehlt es dort an Kompetenzen und Zuständigkeiten, um die SR auf Dauer zuverlässig zu betreiben.

Schwieriger «Lernprozess für die Zusammenarbeit» mit European Dynamics in Griechenland

Für Kritik sorgt ausserdem, dass entsprechende Aufträge an European Dynamics in Griechenland vergeben worden waren, weil es gemäss «Netzwoche» sich unter anderem um das Angebot mit dem tiefsten Preis gehandelt hatte (2016):

«Mit dem Zuschlag will die Bundeskanzlei das bestehende Produktions- und Publikationssystem der amtlichen Veröffentlichungen des Bundes durch eine langfristige Lösung ersetzen. […] Das jetzige System erfüllt die gesetzlichen und technologischen Anforderungen nicht mehr, wie der Bund mitteilt.»

Und:

«Der Zuschlag beläuft sich auf ein Gesamtvolumen von rund 10 Millionen Franken. Der Grundauftrag umfasst 1 Million Franken. Die restlichen knapp 9 Millionen Franken beinhalten optionale Leistungen auf über 16 Jahre wie Support, Wartung, Weiterentwicklung und Schulung, wie es in der Mitteilung des Bundes heisst.»

Auch die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) stellte in einem neuen Bericht erst gerade fest, dass die Umsetzung auf Schwierigkeiten stosse:

«Die Zusammenarbeit mit dem Lieferanten gestaltet sich allerdings schwierig. Die räumliche Distanz zu den Entwicklern in Griechenland erschwert die effiziente Zusammenarbeit. Versuche, die Entwickler an den Projektstandort zu versetzen, waren erfolglos. Auch bei den Arbeitsmethoden, der Auffassung von Verpflichtungen und den Prioritäten gibt es erhebliche Differenzen. Im Vertrag und im Pflichtenheft sind zwar die Details der erwarteten Ergebnisse beschrieben, aber eine Definition der Arbeitsmethoden fehlt. Der Lernprozess für die Zusammenarbeit ist offensichtlich noch nicht abgeschlossen. […]»

Und:

«Notfallpläne und ein Eskalationsprozess auf Stufe Auftraggeber wurden aktiviert. Die EFK hält diese Massnahmen für gerechtfertigt, denn sie erachtet eine weitere Verschlechterung der Risikosituation für denkbar. Angesicht der angespannten Situation mit dem Lieferanten muss die BK alle Szenarien in Betracht ziehen und sich entsprechend vorbereiten. Aktives Risikomanagement ist heute wichtiger denn je.»

Der weitgehende Ausfall einer Infrastruktur, die zentral für den schweizerischen Rechtsstaat ist, steht auch symbolisch für das anhaltende Scheitern der Schweiz an der Digitalisierung.

Ähnliche Probleme mit Qualität und Zuverlässigkeit gibt es auch beim Zentralen Firmenindex (ZEFIX) und beim Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB).

Immerhin: Die Schweiz ist dennoch kein rechtsfreier Raum, wie die Digitale Gesellschaft vermutete. Der Zugriff über das Inhaltsverzeichnis – beispielsweise für das nationale Recht beziehungsweise Landesrecht – funktioniert noch. Auf diesem Weg kann man das erwähnte StGB unter doch noch abrufen – einschliesslich Art. 173 StGB

Bild: Pixabay / Zichrini, Pixabay-Lizenz.


Nachtrag: Seit Anfang der Woche vom 8. April 2019 ist die SR – soweit ersichtlich – wieder im gewohnten Rahmen verfügbar.

3 Kommentare

  1. Da werden wieder mal unsere Steuergelder verschwendet. Wer die Griechen und ihre (Arbeits-)Moral kennt, der weiss, das kann nie und nimmer gut gehen. Glaube kaum, dass das echte Bio-Schweizer, sofern beim BIT noch welche zu finden sind, 16 Jahre aushalten. Vielmehr ergibt dies 16 Jahre Kleinkrieg, sofern die Griechen nicht schon vorher das Handtuch werfen oder das BIT ein Verfahren anstrebt. In dem Fall könnten Sie sich, Herr Steiger, mit einem Angebot im mittleren Bereich* als Vermittler und Anwalt anbieten. :-) Man bedenke nur den Support, der anfänglich bei jeder Umstellung/Neueinführung Nerven kostet und nicht nur…

    Ein bekannter Rat an das KAV, BIT etc.: Am besten man wähle das mittlere Angebot*, dann liegt man bestimmt richtig. Und vor allem, man denke ein bisschen weiter, als nur bis zur Nasenspitze. Aber das ist wohl ein frommer Wunsch, der nachweislich ’staubige Beamtenstuben und -hirne› nur schlecht erreicht.

  2. Wer unterschreibt einen Vertrag mit «optionale Leistungen auf über 16 Jahre wie Support, Wartung, Weiterentwicklung und Schulung» – oder waren dies Teile, die die Offerte billig (nicht preiswert) machten?

    Danke für die Info aus Absurdistan

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