Urteil: Fernlöschung von iPhone nach Sicherstellung durch die Polizei

Foto: Weisses iPhone neben einem Stethoskop

Wenn ein iPhone von der Polizei sichergestellt, danach aber aus der Ferne gelöscht wird, hat die Staatsanwaltschaft ein Beweisproblem.

Ein solches Missgeschick wurde im letzten Jahr im Kanton Zürich bekannt. Die Staatsanwaltschaft warf der beschuldigten Person in der Folge den Bruch amtlicher Beschlagnahme (Art. 289 StGB) vor.

Um mehr über den Fall zu erfahren, bestellte ich beim Bezirksgericht Zürich das erstinstanzliche Urteil GG170145-L in dieser Angelegenheit.

Urteil GG17014-L des Bezirksgerichts Zürich vom 15. Dezember 2017

Dokument: Urteil GG170145-L des Bezirksgerichts Zürich vom 15. Dezember 2017 (Auszug)

Das Urteil im Umfang von 41 Seiten befasst sich unter Ziffer 5 mit dem gelöschten iPhone:

Sicherstellung, Beschlagnahme und Fernlöschung

«Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten vor, er habe zwischen dem 19. Mai 2016 und dem 24. April 2017 sein zu Beweiszwecken sichergestelltes und beschlagnahmtes iPhone von einem anderen Gerät aus auf die Werkseinstellungen zurückgesetzt und sämtliche Daten darauf gelöscht beziehungsweise habe er eine Drittperson veranlasst, dies für ihn zu tun. Dadurch habe er eine Amtshandlung – nämlich die Überprüfung der auf dem Gerät gespeicherten Daten – vereitelt, obwohl er gewusst habe, dass diese Amtshandlung in den Befugnissen der Staatsanwaltschaft lag.»

Und:

«Den Untersuchungsakten ist zu entnehmen, dass das iPhone am 19. Mai 2016 sichergestellt […] und mit Beschlagnahmeverfügung vom 17. Juni 2016 […] beschlagnahmt wurde. Weiter wird ersichtlich, dass dies sodann mit Herausgabeverfügung vom 22. Mai 2017 wieder herausgegeben wurde […].»

Staatsanwaltschaft mit Mutmassungen statt Beweisen

«Der Umstand, dass das Mobiltelefon auf die Werkseinstellungen zurückgesetzt worden sei und die Daten gelöscht worden seien, wird bloss in den Eingaben des Verteidigers behauptet […], ergibt sich aber sonst nicht überprüfbar aus den Untersuchungsakten.»

Aber:

«Weiter sind den Untersuchungsakten auch keine weiteren Beweismittel zu entnehmen, welche den von der Staatsanwaltschaft geschilderten Sachverhalt – insbesondere auch hinsichtlich des tatsächlichen Tatbeitrages des Beschuldigten – beweisen könnten, zumal ein eigentliches Dossier 4, wie es in der Anklageschrift erwähnt wird, überhaupt nicht existiert. Auch hinsichtlich des angeblichen Tatzeitpunktes und Tatortes bleibt die Anklageschrift sehr offen und hält blosse Mutmassungen bereit.»

Autsch!

Kein Bruch amtlicher Beschlagnahme, sondern Freispruch

«Bei dieser Sachlage muss der Sachverhalt betreffend Dossier 4 als nicht erstellt gelten und der Beschuldigte ist somit gemäss Dossier 4 vollständig freizusprechen.»

PS: Akteneinsicht statt Urteilsöffentlichkeit im Kanton Zürich

Die Gerichte im Kanton Zürich bekunden leider weiterhin Mühe mit der Justizöffentlichkeit. Urteilsbestellungen werden als kostenpflichtige Akteneinsichtsgesuche behandelt und nicht kostenlos im Rahmen der Urteilsöffentlichkeit beantwortet. Für das vorliegende Urteil stellte das Bezirksgericht Zürich eine «Pauschalgebühr für Anonymisierung, Zustellung etc.» in Höhe von 100 Franken in Rechnung.

Bild: Pixabay / StockSnap, Public Domain-ähnlich.

Ein Kommentar

  1. Gibt mehrere Fälle bei der eine Fernlöschung vorgenommen worden ist. Wird wohl nicht so schwer sein ein Handy abzuschalten bevor eine Fernlöschung ermöglicht wird. Aber Hut ab, an all die Beamten die sich dem Recht lehnen.

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