Urteil: Ringier verletzte Persönlichkeit von Jolanda Spiess-Hegglin mit «Blick»-Artikel über Zuger Landammannfeier

Foto: Panorama der Altstadt von Zug

Mit Entscheid A1 2017 55 vom 8. Mai 2019 stellt das Kantonsgericht des Kantons Zug fest, dass der Medienkonzern Ringier mit dem Blick-Artikel «Sex-Skandal an Zuger Landammann-Feier» die Persönlichkeit der damaligen Politikerin Jolanda Spiess-Hegglin widerrechtlich verletzte.

Ringier wird in der Folge verpflichtet, eine Genugtuung von CHF 20’000.00 zu bezahlen. Der Blick-Artikel war nicht gerechtfertigt sowie schwer persönlichkeitsverletzend (Art. 28 Abs. 2 ZGB).

Ringier hatte den Blick-Artikel am 24. Dezember 2014 gedruckt und online veröffentlicht. Hintergrund der Berichterstattung waren Vorkommnisse an der Landammannfeier 2014, einem Fest der Zuger Kantonsregierung mit geladenen Gästen. Die Berichterstattung erfolgte identifizierend, denn Spiess-Hegglin wurde namentlich genannt und mit Bild gezeigt.

Entscheid A1 2017 55 des Kantonsgerichts des Kantons Zug vom 8. Mai 2019

Inzwischen liegt der begründete Entscheid im Volltext vor. Darin widerspricht das Gericht unter anderem gängigen Argumenten, wie sie von Medien immer wieder vorgebracht werden, um die Berichterstattung über Personen zu rechtfertigen (Erwägung 2.3.2):

«[…] Genauso wenig ist relevant, ob der Sexualkontakt im Geheimen erfolgte oder nicht. Der Umstand, dass ein (mögliches) Opfer an einem öffentlichen Ort geschändet wird, bedeutet nicht, dass der Lebensvorgang deshalb den Intim- und Geheimbereich verlassen würde. Ob die Klägerin diesen Vorgang im Nachgang zum streitgegenständlichen Artikel in die Öffentlichkeit ‹gezerrt› hat […], ist ebenfalls irrelevant. […] Schliesslich ändert […] auch die Frageform in der Berichterstattung […] nichts am Umstand der Persönlichkeitsverletzung […].»

Und (E. 2.4.4):

«Unbegründet ist sodann auch der Einwand […], dass der Name der Klägerin am 24. Dezember 2014 von der Sprecherin der Zuger Polizei gegenüber auch ausländischen Medien genannt worden sei …]. Denn erstens behauptet die Beklagte nicht, dass diese Namensnennung zeitlich vor der Publikation des streitgegenständlichen Berichts erfolgt ist. Zweitens hätte selbst eine dort allenfalls erfolgte Namensnennung die Namenspublikation noch nicht gerechtfertigt. Genauso unerheblich ist, ob ein anderes Medium den Namen vorher genannt hat. […]»

Und weiter (E. 2.5.3):

«Dass die Klägerin zwischenzeitlich selber oft an die Öffentlichkeit getreten ist oder tritt, führt noch nicht dazu, dass das Interesse an der Feststellung der Widerrechtlichkeit entfällt. Denn mit der erstmaligen Veröffentlichung des Namens der Klägerin durch die Beklagte war das Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Diese Verletzung konnte und kann nicht rückgängig gemacht werden. Daran ändert auch das nachträgliche Verhalten der Klägerin nichts, und zwar unabhängig davon, ob dieses Verhalten – objektiv betrachtet – für die Klägerin zielführend war oder nicht. Zwar ist davon auszugehen, dass das Verhalten der Klägerin dazu beigetragen hatte, dass diese Geschichte stets aufgefrischt wurde. Doch selbst wenn sich die Klägerin zurückhaltender […]verhalten hätte […], würde die Klägerin in der Öffentlichkeit noch immer mit dem Bild einer (möglicherweise) geschändeten Person in Verbindung gebracht werden, insbesondere, wenn berücksichtigt wird, wie prägnant die Beklagte am 24. Dezember 2014 berichtete […].»

Der Entscheid umfasst 30 Seiten. Beim Kantonsgericht handelt es sich im Kanton Zug um die erste Instanz.

Das Begehren, Ringier müsse sich entschuldigen, wurde abgewiesen, weil das Gericht dafür keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage sah. Auf das Begehren, Ringier dürfe Jolanda Spiess-Hegglin im Zusammenhang mit dem Blick-Artikel vom 24. Dezember 2014 nicht mehr namentlich nennen oder Bilder von ihr veröffentlichen, wurde mangels aktuellem Rechtsschutzinteresse nicht eingetreten. Die geforderte Genugtuung von CHF 25’000.00 kürzte das Gericht auf CHF 20’000.00.

Erfolg für Jolanda Spiess-Hegglin, Berufung durch beide Parteien

Der Entscheid ist ein Erfolg für Jolanda Spiess-Hegglin, die in diesem Verfahren von Anwaltskollegin Rena Zulauf vertreten wird.

Ringier wurde mit dem Entscheid verpflichtet, die Gerichtskosten von CHF 6’000.00 sowie die Kosten für das vorgängige Schlichtungsverfahren von CHF 450.00 zu bezahlen. Ringier wurde weiter verpflichtet, Spiess-Hegglin eine Parteientschädigung von CHF 21’190.00 für ihre Anwaltskosten zu bezahlen.

Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig, denn beide Parteien haben Berufung erhoben. Spiess-Hegglin hält daran fest, dass der Blick zur Veröffentlichung einer Entschuldigung verpflichtet werden soll und fand inzwischen genügend finanzielle Unterstützung für das weitere Verfahren.

Ringier bestreitet, die Persönlichkeit von Spiess-Hegglin verletzt zu haben und möchte keine Genugtuung bezahlen. Die Ausgangslage für Ringier, vertreten durch Anwaltskollege Matthias Schwaibold, ist anspruchsvoll.

Den eingeklagten Artikel sowie viele weitere Artikel im Zusammenhang mit der Landammannfeier 2014 hatte Ringier bereits vor dem Entscheid gelöscht – auch in der Schweizer Mediendatenbank (SMD). Der Schweizer Presserat kritisierte die Löschaktion als Verfälschung der historischen Wahrheit.

Bild: Wikimedia Commons / Tim Dellmann, «Panorama of Historical Zug», CC BY-SA 3.0 (nicht portiert)-Lizenz.

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