Das neue E-ID-Gesetz soll in der Schweiz die «Rahmenbedingungen für die Anerkennung von elektronischen Identifizierungsmitteln und von deren Anbietern schaffen.»
Das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (BGEID) wurde am 27. September 2019 von Nationalrat und Ständerat angenommen.
Das E-ID-Gesetz sieht «elektronische Identifizierungsmittel» vor, die «staatlich anerkannt» sind, aber nicht vom Staat herausgegeben werden – anders als traditionelle Identifizierungsmittel wie Pass und Identitätskarte.
Ob das E-ID-Gesetz in dieser Form in Kraft treten wird, entscheidet sich voraussichtlich in einer Volksabstimmung:
Diese Woche haben die Gegner einer solchen E-ID, darunter die Digitale Gesellschaft und PublicBeta, mit dem Sammeln von Unterschriften begonnen, um das Referendum gegen das E-ID-Gesetz ergreifen zu können.
Wenn es gelingt, bis am 16. Januar 2020 mindestens 50’000 gültige Unterschriften zu sammeln, wird eine Referendumsabstimmung über das neue E-ID-Gesetz stattfinden.
Kritik: «Historischer Systemwechsel»
Die Gegner kritisieren, dass der «digitale Schweizer Pass […] von privaten Unternehmen ausgestellt werden» soll. Sie sehen im E-ID-Gesetz einen «historischen Systemwechsel»:
«Private Unternehmen sollen in Zukunft den digitalen Schweizer Pass (E-ID) ausstellen und sensible private Daten verwalten. An die Stelle des staatlichen Passbüros treten Grossbanken, Versicherungsgesellschaften und staatsnahe Konzerne.»
Das E-ID-Gesetz soll insbesondere der SwissSign Group ermöglichen, die bestehende SwissID, die Nachfolgerin der gescheiterten SuisseID, staatlich anerkennen zu lassen.
Die SwissID wird bereits von zahlreichen Unternehmen verwendet, unter anderem vom Medienkonzern Ringier sowie von den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und von der Schweizerischen Post. Auch die Tracking-Allianz für Online-Medien könnte in Zukunft auf die SwissID setzen.
E-ID-Gesetz: Wer stellt die E-ID aus?
Die SwissSign Group ist ein Konsortium von Banken und Versicherungen sowie Staatsunternehmen. In einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) bezeichnet die SwissSign Group die Kritik der Gegner als «Stimmungsmache» mit «polemischen Äusserungen»:
«Welche Äusserungen meinen Sie?
Dass die E-ID von privaten Firmen herausgegeben wird. Oder die Aussage, dass die Nutzer ihre E-ID bei der UBS beziehen müssen. Solche Aussagen sind falsch. Wer eine E-ID will, muss diese beim Bund beantragen. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) gibt dann das Okay und übermittelt uns die Daten der Person. Diese Identitätsdaten müssen zudem beim Bund regelmässig aktualisiert werden. Der Staat alleine entscheidet, ob jemand eine E-ID beziehen kann oder nicht. Herausgabe und Datenhoheit liegen also beim Staat.»
Ich halte diese Argumentation im Hinblick auf eine allfällige Volksabstimmung für riskant, denn gemäss dem E-ID-Gesetz würde die E-ID tatsächlich von – staatlich anerkannten – Unternehmen wie der SwissSign Group herausgegeben (Art. 6 Abs. 1 u. 4 BGEID):
«Wer eine E-ID will, beantragt deren Ausstellung über einen IdP bei fedpol. […] Der IdP ordnet die Personenidentifizierungsdaten der E-ID zu und stellt die E-ID der antragstellenden Person aus.»
IdP steht für Identity-Provider, das heisst für Anbieterinnen von elektronischen Identitätsdiensten (Art. 1 lit. b BGEID). Eine solche Anbieterin wäre beispielsweise die SwissSign Group mit ihrer SwissID.
Gemäss E-ID-Gesetz stellt «[d]er IdP […] die E-ID […] aus.» Der Bund beziehungsweise das Bundesamt für Bundespolizei (Fedpol) – eine Mischung aus Geheimdienst und Polizeibehörde – ist zwar beteiligt, aber die E-ID wird bei einem IdP beantragt und vom IdP ausgestellt.
SwissSign Group: Abstimmungskampf als «Chance»
Der Zusammenschluss, der das Referendum gegen das E-ID-Gesetz trägt, fordert, dass «der digitale Pass vom Staat an die Bevölkerung herausgegeben wird.»
Glaubt man einer repräsentativen Befragung vom Mai 2019, teilten 87 Prozent der Schweizer Bevölkerung diese Forderung. Umgekehrt befürworteten lediglich zwei Prozent der Bevölkerung eine staatlich anerkannte E-ID, die von privaten Unternehmen wie der SwissSign Group herausgegeben wird.
Die SwissSign Group sieht in einem allfälligen Abstimmungskampf «auch eine Chance»:
«[…] Wir könnten im Abstimmungskampf die Vorteile der gewählten Aufgabenteilung zwischen Staat und Privaten klar aufzeigen. Es ist allerdings auch eine Herausforderung, ein so komplexes Thema zu erklären. […]»
Eine weitere Herausforderung dürfte sein, dass es im digitalen Alltag fast nie erforderlich ist, sich auszuweisen. In dieser Hinsicht ist unklar, wie das E-ID-Geschäftsmodell der SwissSign Group funktionieren soll:
«Die Online-Dienste, die unser Log-in mit der E-ID anbieten, bezahlen uns für die Identifikation. […] Wir schreiben bei der Swiss ID den Anbietern von Online-Diensten sowieso vor, dass sie nur dann verifizierte Daten anfordern dürfen, wenn diese für den Geschäftsabschluss nötig sind. […]»
Für den Fall, dass E-ID-Gesetz in Kraft treten, die SwissSign Group aber dennoch – kommerziell oder anderweitig – scheitern sollte, könnte sich der Bund an der SwissSign Group beteiligen («Bailout»), das E-ID-System übernehmen oder ein eigenes E-ID-System betreiben (Art. 10 Abs. 1 u. 14 Abs. 5 BGEID).
Siehe auch: Datenschutz bei der elektronischen Identität in der Schweiz.
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