Datenschutz-Posse: Social Media-Verbot für deutsche Behörden?

Foto: Toter Vogel

Datenschutz-Posse in Deutschland: Der Datenschutzbeauftragte des Bundeslandes Baden-Württemberg hat angekündigt, Twitter zu verlassen.

Das Twitter-Konto @lfdi_bw werde am 31. Januar 2020 gelöscht. Als Grund nennt der staatliche Datenschützer das Urteil 6 C 15.18 des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. September 2019.

Mit diesem Urteil hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden, dass deutsche Datenschutz-Aufsichtsbehörden berechtigt sind, die Abschaltung von Facebook-Seiten anzuordnen, «falls die von Facebook zur Verfügung gestellte digitale Infrastruktur schwerwiegende datenschutzrechtliche Mängel aufweist.»

Dieses Urteil wiederum geht auf Urteil C-210/16 des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zurück, wonach die Betreiber von Facebook-Seiten gemeinsam mit Facebook datenschutzrechtlich verantwortlich sind (Art. 26 DSGVO).

Totales Social Media-Verbot in Deutschland?

In der journalistischen Übersetzung vom SWR:

«[…] Die Plattform sei nicht mehr mit seiner Tätigkeit als Datenschützer vereinbar. Twitter sammele im Hintergrund Nutzerdaten. Er könne aber nicht Datenschutzbeauftragter beziehungsweise Aufsichtsbehörde sein und gleichzeitig Nutzer eines womöglich datenschutzrechtlich problematischen Netzwerkes.»

Aber damit nicht genug, denn der Datenschutzbeauftragte möchte – allenfalls mit Zwang – alle deutschen Behörden von Twitter und überhaupt von Social Media-Plattformen verbannen, nimmt aber auch Unternehmen in sein Visier:

«Für Brink müssen sich alle öffentlichen Stellen und Privatunternehmen überlegen, ob sie nicht seinem Beispiel folgen und sich aus den Netzwerken zurückziehen. Er kündigte an, im kommenden Jahr Gespräche mit Behörden zu führen und sich zuallererst an die Ministerien, aber auch etwa an die Polizei und letztlich an Unternehmen zu wenden.»

Und:

«Wenn nicht alle öffentlichen Stellen unsere Einschätzung teilen, müssen wir möglicherweise von unseren Aufsichtsbefugnissen Gebrauch machen und anordnen, dass zum Beispiel Behörden soziale Medien verlassen.»

Der LfDI hatte umfangreiche Hinweise im Zusammenhang mit Twitter veröffentlicht: Nutzungskonzept, Folgenabschätzung, Datenschutzerklärung, Disclaimer, Netiquette.

Deutsches Scheitern an der Digitalisierung: Und in der Schweiz?

Der baden-württembergische Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LfDI) hatte Twitter genutzt, um Öffentlichkeitsarbeit und Öffentlichkeitsaufklärung zu betreiben.

Sein Rückzug, begleitet von der Forderung, alle deutschen Behörden und allenfalls auch Unternehmen müssten gleichziehen, ist ein weiteres Beispiel für das andauernde deutsche und damit auch EU-europäische Scheitern an der Digitalisierung.

In der Schweiz sind unter anderem Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) und der Datenschutzbeauftragte des Kantons Zürich auf Twitter präsent. Auch weitere schweizerische Behörden und ihre Vertreter nutzen Twitter, so zum Beispiel Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga, das Bundesamt für Polizei und die Stadtpolizei Zürich.

Ich wäre überrascht, wenn diese Behörden auf Twitter als wichtigen Kommunikationskanal verzichten würden. Bislang gehen schweizerische Behörden offensichtlich davon aus, gemäss dem anwendbaren schweizerischen Recht – zum Beispiel gemäss dem Datenschutzgesetz (DSG) und dem Gesetz über die Information und den Datenschutz (IDG) im Kanton Zürich – auf Social Media-Plattformen wie Twitter präsent sein zu dürfen. Gut so!

Bild: Pixabay / byrev , Public Domain-ähnlich.

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