Keine Abby Road vor dem Bundeshaus: Bundesratsfoto kollidierte mit dem Urheberrecht

Cover: Album «Abbey Road» von The Beatles

Seit Mitte der 1990er-Jahre veröffentlichen die schweizerischen Bundespräsidenten ein mehr oder weniger originelles Foto von Bundesrat und Bundeskanzler.

Die diesjährige Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (SP) wollte das «Abbey Road»-Albumcover der Beatles nachstellen. Dafür sollten die Bundesräte über den Fussgängerstreifen vor dem Bundeshaus gehen.

Der Plan für diese Appropriation Art scheiterte, wie Watson berichtet, am Urheberrecht:

«Doch Anfang Dezember wurde das Projekt jäh gestoppt – auf Intervention der Anwälte [sic!] des Bundes, welche Bedenken bezüglich möglicher Urheberrechtsverletzungen hatten.»

Und:

«Bundesratssprecher André Simonazzi bestätigt diesen Sachverhalt […]: ‹Indem der Bundesrat das Cover des Beatles-Albums imitierte, warf er die Frage des Urheberrechts auf. Wir haben das geklärt. Es stellte sich heraus, dass wir nicht hundert Prozent sicher waren, dass das, was wir taten, legal war. Wir haben also das Vorsorgeprinzip angewandt.› Man wollte keinen Rechtsstreit riskieren: ‹Es wäre nicht ideal gewesen, das Jahr mit einer gerichtlichen Hypothek zu beginnen.›»

In der Folge musste sich Bundesrätin Sommaruga damit begnügen, das Bundesratsfoto 2020 mit Symbolen ihrer musikalischen Vergangenheit – sie ist ausgebildete Pianistin – zu versehen. So sind im Hintergrund beispielsweise ein Cellokasten und ein Waldhornkoffer zu sehen.

Foto: Bundesratsfoto 2020
Ironischerweise hatte sich Bundesrätin Sommaruga zu ihrer Zeit als Justizministerin für ein verschärftes Urheberrecht in der Schweiz eingesetzt.

Siehe auch: Die Bundesbeatles – So hätte es aussehen können (Tages-Anzeiger).

Bilder: Cover «Abby Road» – Apple Records / The Beatles; Bundesratsfoto 2020 – Wikimedia Commons / Annette Boutellier und Yoshiko Kusano.

5 Kommentare

  1. Wie lautet Ihre eigene Einschätzung, unter welchen Umständen läge hier ein Problem vor? Eigentlich schwer zu glauben, dass hier keine der Schranken des Urheberrechts zur Anwendung käme.

    1. @Paul:

      «Welche Nutzung soll durch Urheberrecht geschützt, welche untersagt werden? Welche Kriterien soll der Richter in seine Beurteilung einbeziehen? Folgt eine Rechtsprechung weiter dem kontinentaleuropäischen Ordnungssystem, das eine Nutzung von Vorbestehendem nach einem Ausnahmenkatalog (Zitat, Parodie usw.) restriktiv beurteilt, befinden wir uns bald auf dem Holzweg. Das amerikanische System des sogenannten Fair Use ist hier aufgeschlossener: Eine Nutzung von Vorbestehendem ist dann frei, wenn die Aussage des ersten Werks quasi transformiert wird in eine neue Bildaussage […].»

      https://www.nzz.ch/feuilleton/art-basel/appropriation-art-gehoert-ins-museum-nicht-in-den-gerichtssaal-1.18560658

      1. Schön und gut, die Sache ist natürlich kompliziert, aber der Artikel aus der NZZ hilft da nicht viel weiter. Er ist eigentlich eine Sammlung prominenter Fälle, der die zur Anwendung kommenden Kriterien nur pauschal streift. Die Alternative «Fair Use» wird ebenfalls an Kriterien geknüpft sein, die irgendwie beurteilt werden müssen, davon erfährt man aber nichts.

        Interessant wäre doch, ob es sich hier um eine reine (Über-)Vorsichtsmassnahme handelt, oder ob ein plausibles Risiko bestanden hätte. Da Frau Sommaruga als ehemalige EJPD-Chefin die aktuelle Urheberrechtsrevision mitverantwortet, natürlich irgendwie noch interessanter.

  2. Sind jetzt alle Photos, in denen Personen über den Fussgängerstreifen gehen, verboten? Würde es eine Rolle spielen, wenn die Streifen gelb sind? Oder man geht von rechts nach links? Oder man nimmt vier Hunde (Fellfarbe gemäss Haarfarbe der Beatles ;) ) und lässt diese über die Streifen gehen: wäre das auch eine Urheberrechtsverletzung? Warten wir einfach 70 Jahre ab, dann darf man. So wie heute jeder die Mona Lisa nachmachen darf ohne gleich vor den Kadi gezerrt zu werden.

    1. @Luigi Rotta:

      «Sind jetzt alle Photos, in denen Personen über den Fussgängerstreifen gehen, verboten?»

      Nein. Beim Bund wollte man offensichtlich keinerlei Risiko eingehen – und lieferte damit unfreiwillig ein Beispiel dafür, was ein restriktives Urheberrecht im Alltag bedeutet, gerade auch mit Blick auf das kulturelle Erbe.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Felder mit * sind Pflichtfelder.