COVID-19: Anwaltsverband fordert Notrecht für Justiz in der Schweiz

Grafik: SARS-CoV-2-Virion

Der Schweizerische Anwaltsverband (SAV) gelangte heute mit einem Schreiben an Justizministerin Karin Keller-Sutter und forderte aufgrund von COVID-19 «dringende Massnahmen im Justizbereich».

Der SAV fordert insbesondere folgende Massnahmen:

  • «Die Justizbehörden des Bundes und der Kantone (Gerichts- und Verwaltungs­behörden) sind anzuweisen, von Amtes wegen sämtliche Verhandlungs­termine, Ein­vernahmen, Besprechungen und Augenscheine schweizweit zu vertagen, solange der bereits ausgerufene Ausnahmezustand besteht. Ausnahmen sind in dringenden Fällen punktuell zu prüfen und vorgängig mit den betroffenen Parteien bzw. Anwälten abzusprechen.
  • Die Gerichts- und Verwaltungsbehörden des Bundes und der Kantone sind anzuweisen, für die gesamte Dauer der beschlossenen Dringlichkeitsmassnahmen sämtliche hängige Verfahren und die diesbezüglichen von ihnen angesetzten Fristen zu sistieren.
  • Die Gerichts- und Verwaltungsbehörden des Bundes und der Kantone sind unverzüglich anzuweisen, für die gesamte Dauer der beschlossenen Dringlichkeitsmassnahmen von Zustellung von Urteilen, Entscheiden und Verfügungen abzusehen. Bei dringenden und nicht aufschiebbaren Entscheiden soll die Zustellung soweit möglich vorangekündigt werden; generell soll in diesen Fällen die tatsächliche Zustellungsmöglichkeit beim Adressaten vorgängig geprüft werden.
  • Es soll via Notrecht in den Kantonen bei sämtlichen kantonalen, gesetzlichen Fristen auf Rechtsstillstand hingewirkt werden; analoge, dringliche Beschlüsse sind auf Bundesebene in Bezug auf die bundesrechtlichen Fristen zu erlassen.»

Hintergrund:

«Aus den Kantonen erhalten wir besorgniserregende Hinweise des in der Justizverwaltung tätigen Personals, über den täglichen, arbeitsbedingten und aus logistischen Gründen oft (zu) nahen Kontakt mit einer zahlreichen und täglich wachsenden, daher schwer zu kontrollierenden Benutzergruppe. Aber auch beim SAV sowie in den kantonalen Anwaltsverbänden sind in nie dagewesenem Ausmass Anfragen von nicht minderbesorgten Anwältinnen und Anwälten und in Anwaltskanzleien tätigem Personal festzustellen, welche von der Kantons- und Bundesregierung einschneidende Massnahmen verlangen.

Infektionsfälle haben sich bereits in einigen Anwaltskanzleien ereignet; eine beachtliche Anzahl von Anwältinnen und Anwälten hat die für den Krankheitsverlauf heikle 65er Altersgrenze überschritten. Die Notwendigkeit, regelmässig persönlich an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen und die nicht mindernotwendige und selbstverständliche Pflicht zur Einhaltung prozessualer Fristen, können bereits heute von einigen Kanzleien nicht mehr wahrgenommen, bzw. gewährleistet werden.

Um dieser Notlage und der Besorgnis seiner Mitglieder Rechnung zu tragen, ersucht Sie der Schweizerische Anwaltsverband stellvertretend auch für sämtliche kantonalen Anwaltsverbände, unverzüglich über Notrecht einschränkende und wirksame Massnahmen zu ergreifen.»

Und:

«Es ist vordringlich, in dieser unsicheren Pandemiesituation auf eine via Notrecht schweizweit einheitliche Massnahmenregelung hinzuwirken. Es ist nur eine Frage der (kurzen) Zeit bis das schweizerische Justizsystem und unser Berufsstand flächendeckend von den Problemen betroffen sein werden. Von den Folgen einer zu späten, angemessenen Reaktion des Bundesrates auf die sich abzeichnende Entwicklung wird letztlich die gesamte Bevölkerung betroffen sein. Diese soll sich weiterhin auf eine funktionierende, den besonderen Umständen angepasste Justiz verlassen können.»

Bei den Behörden auf Bundes- und Kantonsebene laufen gemäss meinem Kenntnisstand entsprechende Gespräche.

Bild: Wikimedia Commons / Centers for Disease Control and Prevention (CDC), Public Domain.

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