Politiker fordern Ausweiskontrollen gegen Pornografie im Internet

Foto: Panzersperre

Mit seiner Motion 20.3374 unter dem Stichwort «#banporn4kids#» fordert Nationalrat Niklaus-Samuel Gugger, «unter 16-jährige wirksam vor pornografischen Inhalten auf [sic!] dem Internet [zu] schützen».

Das Anbieten, Überlassen, Zeigen oder Zugänglichmachen von legaler Pornografie an Personen unter 16 Jahren ist in der Schweiz verboten (Art. 197 Abs. 1 StGB). Aus heutiger Gesicht entfällt bei Websites mit pornografischen Inhalten die Strafbarkeit, wenn die Besucher nach ihrem Alter gefragt werden. Die entsprechende Angebote sind – auch für Jugendliche! – legal.

Das Schweizer Parlament hat den Text der Motion von Gugger, der Mitglied der christlich-konservativen Evangelischen Volkspartei (EVP) ist, noch nicht veröffentlicht. Gemäss einem Medienbericht genügt Gugger die heutige Umsetzung allein mit einer Altersabfrage nicht:

«Eine Altersprüfung, sei es via Krankenkassennummer, Kreditkarte oder ID, ist problemlos möglich. Das müssen die Betreiber dieser Seite einführen und der Bund muss dies kontrollieren […].»

Das Anliegen findet unter anderem die Unterstützung von politischen Schwergewichten wie den Nationalräten Balthasar Glättli (Grüne) und Albert Rösti (Schweizerische Volkspartei, SVP).

Eine wirksame Alterskontrolle via Kreditkarte oder Krankenkassennummer ist nicht möglich. Es bleibt deshalb die Alterskontrolle per Video und allenfalls einem amtlichen Ausweis oder mit einer allfälligen künftigen E-ID.

Ausweiskontrollen: Mehr Massenüberwachung, mehr Netzsperren

Mit einer Pflicht für Ausweiskontrollen könnte Pornografie auf einschlägigen Websites nicht mehr anonym konsumiert werden. Die Website-Betreiber und damit auch Sicherheitsbehörden wie Geheimdienste und Staatsanwaltschaften wüssten, wer wann und wo welche Inhalte konsumiert hat. Die Nutzer im schweizerischen Internet müssten mit noch mehr Massenüberwachung und noch weniger Datenschutz leben.

Es ist absehbar, dass es nicht bei digitalen Ausweiskontrollen in Bezug auf Pornografie bleiben würde. Die gleiche Thematik gibt es beispielsweise bei Alkohol und Geldspielen.

Gleichzeitig wären Ausweiskontrollen in Bezug auf Pornografie einfach zu umgehen. Wer Pornografie weiterhin anonym konsumieren möchte, würde auf ausländische Websites ausweichen.

Insofern ist weiter absehbar, dass man versuchen würde, digitale Ausweiskontrollen mit Netzsperren durchzusetzen. Als Vorbild könnten die Netzsperren gegen – aus schweizerischer Sicht – nicht bewilligte Geldspiele im Internet dienen.

Da die bestehenden Netzsperren gegen Geldspiele einfach zu umgehen sind, wäre damit zu rechnen, dass die Zensurfilter ausgebaut würden, um beispielsweise die abgerufenen Inhalte und nicht bloss die abgerufenen Websites erkennen zu können. Die entsprechende Technologie kommt in totalitären Staaten längst zum Einsatz.

Ob der Zugang zu Internet-Pornografie für Jugendliche unter 16 Jahren überhaupt ein relevantes Problem ist, erklären die erwähnten Nationalräte – soweit ersichtlich – nicht.

Nationalrat Gugger hatte Ende 2018 bereits eine Ausweispflicht für die Eröffnung von E-Mail-Konten gefordert.

Bild: Pixabay / meineresterampe , Panzersperre, Public Domain-ähnlich.


Nachtrag

Inzwischen hat das Schweizer Parlament den Text der Motion 20.3374 veröffentlicht:

«Der Bundesrat wird beauftragt, der Bundesversammlung die gesetzlichen Anpassungen vorzulegen, die Fernmeldedienstanbieter verpflichten, Zugangsperren über Anbieter zu verfügen, welche pornografische Inhalte im Sinne von Artikel 197 Absatz 1 StGB verbreiten, ohne hinreichende technische Vorkehrungen zum Schutz von Personen unter 16 Jahren zu treffen.»

Und:

«Die Verfügbarkeit und die Verbreitung pornografischer Darstellungen im Internet hat während der Coronakrise um ein Vielfaches zugenommen. So bieten einige der grössten Anbieter pornografischen Inhalts mittlerweile kostenlose Premiumdienste an. Gemäss Artikel 197 Absatz 1 StGB wird wer pornografische Inhalte unter 16-Jährigen anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht oder diese an sie verbreitet, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Dies gilt auch für die Verbreitung durch Fernmeldeeinrichtungen wie das Internet. Solche Anbieter umgehen Artikel 197 Absatz 1 indem sie den Nutzer in einer Warnmeldung dazu auffordern, sein Mindestalter mit einem Klick zu bestätigen. Das blosse Wegklicken einer Warnung gewährleistet weder einen hinreichenden Jugendschutz noch eine wirksame Durchsetzung des Artikels 197 Absatz 1. StGB [sic!].

Der Schutz von Minderjährigen wurde im Internet bislang wegen verschiedenen Ausreden nicht umgesetzt:

  1. die technische Umsetzung sei zu schwierig, zu aufwändig und unverhältnismässig und sei für geschickte Nutzerinnen und Nutzer zu leicht zu umgehen. Es gibt aber in der Realität zahlreiche technische Möglichkeiten, das Alter der Nutzer zu bestimmen und den Jugendschutz im Internet wirksamer durchzusetzen.
  2. Die Schulung der Medienkompetenz sei wichtiger als der Jugendschutz. Das stimmt so nicht, Prävention ist eine wertvolle Ergänzung, aber kein Ersatz. Der Umsatz der Pornoindustrie ist riesig, sie setzt alles daran, dass die Unternehmen den Jugendschutz umgehen. Für das Wohlergehen unserer Kinder und Jugendlichen ist es wichtig und verhältnismässig, das geltende Recht durchzusetzen.»

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