Ab 2021 gelten verschärfte Regeln für das Telefonmarketing in der Schweiz.
Die Verschärfungen gehen auf die Revision des schweizerischen Fernmeldegesetzes (FMG) zurück. Dabei wurden unter anderem die dazugehörigen Verordnungen sowie das Lauterkeitsgesetz (UWG) revidiert.
Wer Werbeanrufe legal tätigen möchte, muss in Zukunft folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Werbeanrufe dürfen nur auf Telefonnummern erfolgen, deren Inhaberinnen und Inhaber solchen Anrufen nicht widersprochen haben (kein «Opt-out»), zum Beispiel mit einem Telefonbucheintrag mit SternD (Art. 3 Abs. 1 lit. u revUWG)
- Bei Telefonnummern, die nicht im Telefonbuch eingetragen sind, muss von einem «Opt-out» ausgegangen werden, es sei denn, es besteht eine Geschäftsbeziehung mit der Inhaberin oder dem Inhaber der Telefonnummer (Art. 3 Abs. 1 lit. u revUWG)
- Werbeanrufe müssen immer unter Anzeige einer Rufnummer («Caller ID»), die im Telefonbuch eingetragen und zu deren Nutzung man berechtigt ist (kein «Spoofing»), erfolgen (Art. 3 Abs. 1 lit. v revUWG)
Folgen von «Telefon-Spam»: Bestrafung, Filterung, Sperrung, …
Wer die oben genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, kann insbesondere auf Antrag und bei Vorsatz wegen unlauterem Wettbewerb mit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden (Art. 23 Abs. 1 UWG).
Das gilt genauso für alle, die sich auf Informationen stützen, die mit unlauteren Werbeanrufen beschafft wurden. Ein Auftraggeber in der Schweiz soll damit beispielsweise nicht mehr ein Callcenter im Ausland beauftragen können, um sich der rechtlichen Verantwortung zu entziehen (Art. 3 Abs. 1 lit. w revUWG).
Für die Bekämpfung von unerwünschten Werbeanrufe, die trotzdem erfolgen, müssen die Anbieterinnen von Fernmeldediensten ab dem 1. Juli 2021 ihren Kundinnen und Kunden geeignete Mittel gemäss dem Stand der Technik kostenlos zur Verfügung stellen (Art. 45a Abs. 1 revFMG i.V.m. Art. 83 Abs. 1 u. 2 revFDV). Damit sind Filter gegen Werbeanrufe gemeint, wie sie bislang von einigen Anbieterinnen freiwillig angeboten wurden, zum Teil als App wie das Beispiel der local.ch-App zeigt.
Gerichte und Staatsanwaltschaften sind berechtigt, Rufnummern sperren oder widerrufen zu lassen
Die Anbieterinnen sind ausdrücklich berechtigt, unlautere Werbung zu unterdrücken (Art. 83 Abs. 3 revFDV). Kundinnen und Kunden müssen die Möglichkeit haben, unerwünschte Werbung zu melden (Art. 83 Abs. 5 revFDV).
Darüber hinaus sind Gerichte und Staatsanwaltschaften berechtigt, Rufnummern, die im Zusammenhang mit unlauterem Wettbewerb verwendet wurden, sperren oder widerrufen zu lassen (Art. 26a Abs. 1 revUWG). Das Gleiche gilt für Domainnamen. Damit sind nicht allein unerwünschte Werbeanrufe betroffen, sondern zum Beispiel auch andere unlautere Verkaufs- und Werbemethoden wie irreführende Werbung, Lockvogelangebote und Verletzungen der Preisbekanntgabeverordnung (PBV).
Bei der erwähnte Ausnahme für Werbeanrufe bei einer bestehende Geschäftsbeziehung ist unklar, was genau darunter zu verstehen ist. Der Begriff wird in Verfahren wegen unlauterem Wettbewerb definiert werden müssen. Vorläufig besteht Rechtsunsicherheit.
Für Werbeanrufe von (oder für) Krankenversicherungen tritt am 1. Januar 2021 ausserdem die neue Branchenvereinbarung in Kraft. Die Vereinbarung ist bislang freiwillig, könnte aber vom Bundesrat in Kürze für allgemeinverbindlich erklärt werden und würde dann für alle Krankenversicherungen gelten.
Immer eingehalten werden muss das Datenschutzrecht, denn Telefonmarketing ist immer mit der Bearbeitung von Personendaten verbunden. Dazu gehört unter anderem die angemessener Information der betroffenen Personen, insbesondere mit einer aktuellen und vollständigen Datenschutzerklärung. Das Datenschutzgesetz (DSG) wurde soeben revidiert und tritt voraussichtlich 2022 in Kraft. In Zukunft drohen unter anderem persönliche Bussen von bis zu 250’000 Franken bei Datenschutzverletzungen.
Checkliste für rechtssichere Werbeanrufe
Wer die nachfolgenden Punkte beachtet, kann in der Schweiz auch in Zukunft rechtssicher Telefonmarketing betreiben:
- Eigene Werbeanrufe nur auf Rufnummern, bei denen man eine vorhandene Geschäftsbeziehung, einen nicht vorhandenen Stern im Telefonbuch oder eine ausdrückliche Einwilligung nachweisen kann
- Werbeanrufe nur mit «Caller ID» beziehungsweise Telefonnummer, die im Telefonbuch eingetragen ist sowie verwendet werden darf (kein «Spoofing»)
- Verzicht auf unlautere Verkaufs- und Werbemethoden bei grundsätzlichen zulässigen Werbeanrufen, zum Beispiel Verzicht auf besonders aggressiven Verkaufsmethoden
- Datenschutzrecht einhalten, unter anderem mit angemessener Information der angerufenen Personen
- Werbeanrufe mit Hilfe von Dritten wie beispielsweise Callcentern nur, wenn diese verbindlich gewährleisten, die oben genannten Punkte einzuhalten
Telefonnummern von potenziellen Kundinnen und Kunden werden häufig online mit Gewinnspielen, Umfragen und Versicherungsvergleichen gesammelt. Wer Telefonnummern auf diesem Weg sammelt oder derart gesammelte Telefonnummern verwendet, sollte darauf achten, dass eine ausdrückliche und dokumentierte Einwilligung in die Werbeanrufe vorliegt.
Fazit: Permission Marketing for the Win!
Beim E-Mail-Marketing ist Permission Marketing längst Standard. Erfolgreiche Werbende nerven nicht mit «Spam», sondern motivieren die potenziellen Empfängerinnen und Empfänger, ihre Einwilligung (Permission) freiwillig zu erteilen.
Ein gängiges Beispiel sind Newsletter, die einen Mehrwert bieten. Der Anreiz für E-Mail-Permission Marketing ist in erster Linie der grössere Erfolg und nicht die Gefahr einer Bestrafung für den Versand «Spam».
Permission Marketing bei Werbeanrufen lohnt sich, weil viele Menschen keine Anrufe von Personen annehmen, die sie nicht kennen.
Das Gleiche gilt spätestens ab 2021 für Telefonmarketing in der Schweiz. Dabei sollte der Begriff der vorhandenen Geschäftsbeziehung nicht überstrapaziert werden. Versuche, die neuen Bestimmungen zu umgehen, zum Beispiel mit Telefon-«Umfragen» oder einer Vorankündigung per Briefpost, sind nicht empfehlenswert.
Permission Marketing bei Werbeanrufen lohnt sich letztlich, weil zumindest die meisten jüngeren Menschen keine Anrufe von Personen annehmen, die sie nicht kennen. Selbst bereits bekannten Personen gilt es als anständig, nicht einfach mal so anzurufen, sondern vorab einen passenden Zeitpunkt per Instant Messaging zu vereinbaren.
Siehe auch: Das Ende der Callcenter-Anrufe? (Telebasel)
Leider kommen solche Anrufe immer noch, heute im Namen der Schweizer Budgetoptimierung von der Nummer 077 986 04 44. Was kann man aktiv dagegen unternehmen? Meldung beim Seco?
@Andreas Mühlemann:
Eine Meldung beim SECO ist eine Möglichkeit, ja: https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Werbe_Geschaeftsmethoden/Unlauterer_Wettbewerb/Beschwerde_melden/beschwerde_werbeanruf.html
Sie wären auch berechtigt, Strafantrag zu stellen. Bei Bedarf können wir Sie gerne beraten und vertreten. Wie das Ergebnis aussehen könnte, zeigt ein Fall von Fax-Werbung, den ich vor einiger Zeit dokumentiert hatte.