Kabelaufklärung: Erfolgreiche Beschwerde der Digitalen Gesellschaft am Bundesgericht

Bild: Glasfaserkabel

Das Bundesgericht hat eine Beschwerde der Digitalen Gesellschaft gegen die Kabel­aufklärung in der Schweiz vollumfänglich gut­geheissen.

Mit der Kabelaufklärung wird die grenzüberschreitende Kommunikation aller Menschen in der Schweiz durch den schweizerischen Geheimdienst überwacht. Es handelt sich um eine Form von Massenüberwachung ohne Anlass und Verdacht, die mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz (NDG) legalisiert wurde.

Mit Urteil A-6143/2017 vom 4. Juni 2019 war die Vorinstanz, das Bundesverwaltungsgericht, zum Ergebnis gelangt, es gäbe kein Recht auf Beschwerde gegen die Kabel­aufklärung.

Nun hat das Bundesgericht mit seinem Urteil 1C_337/2019 vom 1. Dezember 2020 diesen Entscheid aufgehoben und «die Sache zu materieller Beurteilung an das Bundesverwaltungsgericht» zurückgewiesen Medienmitteilung).

Die Digitale Gesellschaft schreibt zum Erfolg vor Bundesgericht unter anderem:

«Das Bundesgericht anerkennt in seinem wegweisenden Urteil, dass die Kabelaufklärung eine Form der anlasslosen Massenüberwachung darstellt, von der jede Person potenziell betroffen ist. Es anerkennt, dass solche Massenüberwachung in die Grundrechte sehr vieler Personen eingreift und dass den Betroffenen ein wirksamer Rechtsschutz zur Verfügung stehen muss. Das Bundesgericht hält in diesem Zusammenhang ausdrücklich fest, dass bereits das elektronische Rastern von Daten einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt, die durch die Bundesverfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützt sind. Das Gleiche gilt für die Funkaufklärung, womit Kommunikation per Funk überwacht wird.

Die Massnahmen, die mit der Kabelaufklärung verbunden sind, gelten als geheim und werden den Betroffenen auch nachträglich nicht bekannt gegeben. Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch ermöglicht keinen wirksamen Rechtsschutz gegen solche Massnahmen im Einzelfall. ‹Unter diesen Umständen ist es den Beschwerdeführenden nicht möglich, konkrete, sie betreffende Massnahmen der Funk- und Kabelaufklärung anzufechten. Sie sind deshalb darauf angewiesen, das System der Funk- und Kabelaufklärung in der Schweiz überprüfen zu lassen‹, hält das Bundesgericht fest.»

Gemäss dem Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht «nicht nur die gesetzlichen Grundlagen zu berücksichtigen, sondern auch allfällige interne Richtlinien und Weisungen, die effektive Vollzugspraxis der Behörden sowie die tatsächliche Kontrollpraxis der Aufsichtsbehörden.»

Die Digitale Gesellschaft führt bereits ein Verfahren gegen die Vorratsdatenspeicherung in der Schweiz. Die entsprechende Beschwerde liegt inzwischen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

In beiden Verfahren wird die Digitale Gesellschaft von Anwaltskollege Viktor Györffy vertreten.


Nachtrag: Anwaltskollege Konrad Jeker über das Urteil

Anwaltskollege Konrad Jeker schreibt unter dem Titel «Grundrechtswidrige Funk- und Kabelaufklärung?» über das Urteil und gelangt zu folgendem Fazit:

«Beim vorgelegten Tempo werden wir wohl erst in ein paar weiteren Jahren endlich erfahren, wie es sich nun mit den gestellten Fragen verhält und was wir mangels Verfassungsgerichtsbarkeit damit machen werden. […]»

Bild: Flickr / Dennis Knake (QSC AG), «Glasfaser für die Gropiusstadt», CC B-SA 2.0 (generisch)-Lizenz.

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