Auswertung der Daten von Asylsuchenden: Meine ungekürzte Stellungnahme

Foto: Beschädigtes iPhone

Die Daten von Asylsuchenden – auf Computern und Smartphones sowie auf Datenträgern und in der Cloud – sollen in der Schweiz ausgewertet werden dürfen, um die Identität feststellen können.

Letzte Woche berichteten die Medien über diese Forderung von Nationalrat Gregor Rutz (SVP) gemäss der parlamentarischen Initiative 17.423 «Mitwirkungspflicht im Asylverfahren – Überprüfungsmöglichkeit bei Mobiltelefonen».

In Tamedia-Publikationen, unter anderem im Bund, wurde ich als Kritiker wie folgt indirekt zitiert (mit Hervorhebung):

«Kritisch äussert sich auch Martin Steiger. Der Rechtsanwalt und Datenschutzexperte bezweifelt, dass die Auswertung von elektronischen Datenträgern und Geräten zielführend sei. Den Eingriff in die Grund- und Menschenrechte hält er deshalb nicht für gerechtfertigt. Eine Pilotstudie des SEM hat indes gezeigt: In 15 Prozent der Fälle wurden nützliche Hinweise zur Identität oder zum Reiseweg der betroffenen Personen auf den Handys gefunden. Die Befürworter der Neuerung werten das als Beleg dafür, dass die Verschärfung den erhofften Nutzen bringe.»

Ich wurde in der Folge gefragt, wieso ich die Vorlage derart zurückhaltend kritisiert hätte.

Die Frage geht fälschlicherweise davon aus, dass mein Zitat vollständig veröffentlicht wurde.

Das Zitat, das mir zur Autorisierung vorgelegt wurde, lautete wie folgt (mit Hervorhebung des tatsächlich veröffentlichten Zitats):

«Kritisch äussert sich auch Martin Steiger. Der Rechtsanwalt und Datenschutzexperte bezweifelt, dass die Auswertung von elektronischen Datenträgern und Geräten zielführend sei. Den Eingriff in in die Grund- und Menschenrechte hält er deshalb nicht für gerechtfertigt. ‹Für Asylsuchende, die keinen Zugriff auf ihre Daten ermöglichen wollen, wäre es einfach, den Zugriff zu verhindern›, sagt Steiger. Sie könnten beispielsweise ein defektes oder gesäubertes Gerät vorlegen, auf den Verlust ihrer Geräte verweisen oder vorbringen, sie hätten das Passwort vergessen. Betroffen wären damit laut Steiger just jene Asylsuchenden, die sich gegen den Eingriff in ihre digitale Privatsphäre nicht wehren können oder wollen. Keine Lösung ist für Steiger ein Zwang zur Abgabe, wie ihn die SVP fordert. Der Eingriff in die Grund- und Menschenrechte wäre dann ‹noch schwerwiegender›. Asylsuchende, so Steiger, seien keine Beschuldigten in einem Strafverfahren.»

Dieses Zitat wiederum wurde vom Journalisten aus einer etwa 80 Prozent längeren E-Mail-Antwort formuliert, mit der ich auf die ursprüngliche Medienanfrage reagiert hatte.

(Bei telefonischen Anfragen ist eine gängige Variante, dass man längere Zeit telefoniert und die Journalistin daraus ein Zitat oder allenfalls auch ein Interview formuliert.)

Als Kontext erhielt ich den vorangehenden Absatz mit Zitaten von Silvia Böhlen, Sprecherin beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB).

Zur erwähnten Pilotstudie des Staatssekretariates für Migration (SEM), mit der meine Aussage im veröffentlichten Zitat widerlegt werden soll, konnte ich mich nicht äussern.

Ich hätte vermutlich darauf hingewiesen, dass ein Eingriff mit einer Erfolgsquote von 15 Prozent offensichtlich nicht verhältnismässig beziehungsweise zielführend ist. Ausserdem geht die Vorlage, wie sie nun vom Nationalrat angenommen wurde, wesentlich über die Auswertung von Smartphones hinaus. Die geplante Asylgesetz-Revision umfasst viele weitere Datenquellen bis hin zu Cloud-Diensten.

Die erwähnte Pilotstudie wurde vom SEM vom 20. November 2017 bis am 2. Mai 2018 in zwei Asylzentren durchgeführt. Der entsprechende Bericht vom 27. Juli 2018 wurde vom SEM am 18. August 2020 unter dem Titel «Saisie et évaluation des supports de données électroniques avec consentement des requérants d’asile» veröffentlicht.

Siehe auch: Handyauslesung bei Asylsuchenden (Gesellschaft für Freiheitsrechte, GFF, Deutschland)

Bild: Pixabay / Skitterphoto, Public Domain-ähnlich.

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