Im Kanton Zürich soll ein Politiker das Wappenschutzgesetz verletzt haben. Der Grund soll das Twitter-Konto @kantonsrat_zh sein, das der Politiker im Oktober 2014 unter dem Namen «Kantonsrat Zürich» eröffnet hatte. Als Profilbild verwendete der Politiker das Wappen des Kantons Zürich.
In einem Medienbericht wird der Politiker unter anderem wie folgt zitiert:
«‹Die Vorwürfe sind haltlos› […]. Der Kanton Zürich kenne kein Wappenschutzgesetz. ‹Das Zürcher Wappen ist für jeden Zweck frei verwendbar› […]. Zudem sei der ihm vorgeworfene Tatbestand verjährt.»
Faktencheck: Stimmen diese Aussagen?
Darf das Zürcher Wappen tatsächlich beliebig verwendet werden?
«Der Kanton Zürich kenne kein Wappenschutzgesetz. ‹Das Zürcher Wappen ist für jeden Zweck frei verwendbar› […].»
Faktencheck:
Die Aussage, das Wappen des Kantons Zürich sei für jeden Zweck frei verwendbar, ist offensichtlich falsch.
Es ist zwar richtig, dass der Kanton Zürich kein Wappenschutzgesetz kennt. Es besteht aber das Bundesgesetz über den Schutz des Schweizerwappens und anderer öffentlicher Zeichen (Wappenschutzgesetz, WSchG), das unter anderem im Kanton Zürich und für das Zürcher Wappen gilt.
Gemäss Art. 8 Abs. 1 WSchG gilt, dass «[…] die Wappen der Kantone […], die charakteristischen Bestandteile der Kantonswappen im Zusammenhang mit einem Wappenschild sowie mit ihnen verwechselbare Zeichen […] nur von dem Gemeinwesen, zu dem sie gehören, gebraucht werden [dürfen].»
Die Ausnahmen, zum Beispiel für die «Ausschmückung von Festen und Veranstaltungen» (Art. 8 Abs. 4 lit. b WSchG), greifen vorliegend nicht. Auch scheint der Kanton Zürich nicht vorzusehen, dass andere Personen das Wappen gebrauchen dürfen (Art. 8 Abs. 5 WSchG e contrario).
Ist die Strafverfolgung tatsächlich verjährt?
Aussage:
«[…] der ihm vorgeworfene Tatbestand verjährt.»
Faktencheck:
Der vorsätzliche «unzulässige Gebrauch öffentlicher Zeichen» wird von Amtes wegen verfolgt und kann grundsätzlich mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden (Art. 28 Abs. 1 WSchG).
Aufgrund dieser Strafandrohung handelt es sich grundsätzlich um ein Vergehen (Art. 10 Abs. 3 StGB). Die Strafverfolgung verjährt demnach grundsätzlich nach sieben Jahren (Art. 97 Abs. 1 lit. d StGB).
Die Verjährungsfrist von sieben Jahren wird unter anderem ab dem Tag, an dem das mutmasslich strafbare Verhalten aufhört, gezählt. Wie lange der Politiker für das Twitter-Konto verantwortlich war, ist mir nicht bekannt. Da das Twitter-Konto überhaupt erst im Oktober 2014 erstellt wurde, kann eine allfällige Verletzung des Wappenschutzgesetzes in diesem Zusammenhang noch nicht verjährt sein.
Inzwischen kontrolliert Ronny Nicolussi, Medienbeauftragter des Kantonsrats des Kantons Zürich, das Twitter-Konto. Der Generalsekretär des Kantonsrates erklärte gemäss dem erwähnten Medienbericht anscheinend, man könne kein strafwürdiges Verhalten erkennen, im Gegenteil. Und man betreibe des Konto «eher passiv».
Sind die Vorwürfe tatsächlich haltlos?
Aussage:
«Die Vorwürfe sind haltlos […].»
Faktencheck:
Ob die Vorwürfe haltlos sind, kann ich nicht beurteilen. Wenn «die fraglichen Straftatbestände […] eindeutig nicht erfüllt sind», wird die Staatsanwaltschaft die Nichtanhandnahme verfügen und kein Strafverfahren eröffnen (Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO).
Der beschuldigte Politiker gilt bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig (Art. 10 Abs. 1 StGB).
Sollte ein Strafverfahren eröffnet worden sein, wären die Vorwürfe per Definition nicht haltlos gewesen. Die Staatsanwaltschaft müsste ein Strafverfahren aber einstellen, wenn zum Beispiel «kein Straftatbestand erfüllt ist» (Art. 319 Abs. 1 lit. b StPO). Und: «Eine rechtskräftige Einstellungsverfügung kommt einem freisprechenden Endentscheid gleich» (Art. 320 Abs. 4 StPO).
In der vorliegenden Angelegenheit könnte das Wappenschutzgesetz beispielsweise nicht verletzt worden sein, weil es am dafür erforderlichen Vorsatz fehlte. So heisst es im erwähnten Medienbericht, dass der Politiker «den Account einzig eröffnet habe, um ihn unmittelbar danach dem Kantonsrat zur Verfügung zu stellen.»
Gibt es Auffälligkeiten?
Das Twitter-Konto @kantonsrat_zh, das erklärtermassen «eher passiv» betrieben wird, wirkt verwaist, denn es ist kein einziger Tweet sichtbar. Das Konto ist keine würdige Visitenkarte für das Zürcher Kantonsparlament bei Twitter.
Das Profilbild insbesondere liegt nur in geringer Auflösung vor und entspricht nicht dem heutigen Auftritt des Kantonsrates, unter anderem aufgrund der blauen Farbe.
Fragen wirft auf, welche drei Beiträge der Kantonsrat des Kantons Zürich unter seinem offiziellen Twitter-Konto geliket hat:
Es handelt sich um einen Tages-Anzeiger-Artikel über eine «Schwingerhemd-Aktion der SVP», um einen Tweet zur Ablehnung der Volksinitiative für einen pünktlichen und zuverlässigen Bahnhof Stadelhofen und einen Online-Artikel über «faire Gebühren in den Gemeinden».
Die Likes würden zum beschuldigten Politiker passen, der für die Schweizerische Volkspartei (SVP) im Kantonsrat sitzt. Der letzte gelikte Beitrag stammt vom 14. Dezember 2015.
Vorsicht, Wappenschutzgesetz!
Unabhängig von der vorliegenden Angelegenheit ist Vorsicht bei der Verwendung von amtlichen Bezeichnungen und Wappen sowie weiteren öffentlichen Zeichen geboten.
Wappen dürfen grundsätzlich von Privaten nicht verwendet werden. Auch der Gebrauch anderer öffentlicher Zeichen wird durch das Wappenschutzgesetz reguliert.
Ein Strafverfahren oder nur schon eine Behördenanfrage verursacht Aufwand, der mit einem sorgfältigen Blick in das Wappenschutzgesetz vor der geplanten Verwendung vermieden werden kann.