Verleumderischer Tweet: Strafbefehl für Journalistin wegen Vorwurf der falschen Anschuldigung

Foto: Vogel mit einer Maus im SchnabelWer jemandem ein strafbares Verhalten vorwirft, ohne dieses Verhalten beweisen zu können, begeht grundsätzlich eine strafbare Ehrverletzung. Dieser «Klassiker» unter den Ehrverletzungen wurde nun einer bekannten Tages-Anzeiger-Journalistin zum Verhängnis.

Die Journalistin aus Basel hatte bei Twitter, wo ihr über 23’000 Personen folgen, Jolanda Spiess-Hegglin, einer bekannten Aktivistin gegen Hatespeech, vorgeworfen, seit fünfeinhalb Jahren einen Unschuldigen der Vergewaltigung zu bezichtigen. Der Tweet lautete insbesondere wie folgt:

«Sie entscheidet sich proaktiv, seit 5.5 Jahren, öffentlich über den Fall zu sprechen und einen Unschuldigen der Vergewaltigung zu bezichtigen.»

Dafür wurde die Journalistin nun von der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt im Strafverfahren VT.2020.8056 wegen Verleumdung (Art. 174 StGB) mit einer bedingten Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu CHF 200.00 sowie einer zu bezahlenden Busse von CHF 1’500.00 bestraft. Die Probezeit für die bedingt ausgesprochene Geldstrafe beträgt zwei Jahre. Nach Eintritt der Rechtskraft erfolgt ein Eintrag im Strafregister.

«Verleumdung» bedeutet, dass die Ehrverletzung wider besseres Wissen begangen wurde. Ansonsten hätte es sich um «üble Nachrede» (Art. 173 StGB) gehandelt.

Die Staatsanwaltschaft erklärte das Vorliegen einer Ehrverletzung unter anderem wie folgt:

«Mit diesem Text […] bezichtigte [die Journalistin die Hatespeech-Aktivistin] öffentlich eines unehrenhaften Verhaltens, indem sie die Genannte beschuldigte, […] mithin seit fünfeinhalb Jahren planmässig und wiederholt strafbare Handlungen gemäss Art. 303 StGB (falsche Anschuldigung) zum Nachteil eines Unschuldigen […] zu begehen. Dies, obwohl der Vorwurf der Falschanschuldigung in Tat und Wahrheit bereits durch die Strafverfolgungsbehörden abschliessend untersucht und […] widerlegt worden war.»

Die Tathandlung wider besseres Wissen erklärte die Staatsanwaltschaft unter anderem wie folgt:

«Da der Beschuldigten dieser Umstand […] bewusst war, veröffentlichte sie den inkriminierten Tweet wider besseres Wissen.»

Dieses Bewusstsein ergab sich – so die Staatsanwaltschaft – insbesondere daraus, dass die Journalistin den Prozess gegen einen anderen Journalisten wegen ähnlicher Äusserungen gegen Spiess-Hegglin in einem öffentlichen Videobeitrag auf der Online-Plattorm einer grossen Tageszeitung kommentiert hatte.

Der Strafbefehl vom 19. Juli 2021 ist noch nicht rechtskräftig. Die Journalistin, die sich bislang anscheinend nicht verteidigen liess, kann innerhalb von 10 Tagen Einsprache erheben. Die Journalistin könnte mit einer Einsprache letztlich die Beurteilung durch ein Strafgericht erzwingen.


Nachtrag: Inzwischen hat die Journalistin Einsprache gegen den Strafbefehl erhoben.

Bild: Pixabay / Alexa_Fotos, Public Domain-ähnlich.

Ein Kommentar

  1. Die zitierten Begründungen ähneln Zirkelschlüssen. Dies hat dennoch seine Richtigkeit: Die StA hat den Strafbefehl – ausser in Sonderfällen – nicht zu begründen.
    Hier handelt es sich um Darstellungen des inkriminierenden Sachverhaltes (Art. 353 Abs. 1 lit. c StPO) – nicht um Begründungen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Felder mit * sind Pflichtfelder.