Strafbefehl gegen Journalistin: Darf die Arbeitgeberin Einsprache erheben?

Foto: WürfelspielKürzlich erhielt eine bekannte Tages-Anzeiger-Journalistin einen Strafbefehl wegen Verleumdung. In der Folge erklärte die Tamedia Publikationen Deutschschweiz AG (Tamedia), den Strafbefehl «anfechten» zu wollen.

Ein Strafbefehl wird zum rechtskräftigen Urteil, wenn keine gültige Einsprache erhoben wird (Art. 354 Abs. 3 StPO). Die Einsprache muss innert 10 Tagen schriftlich bei der Staatsanwaltschaft erfolgen, welche den Strafbefehl erlassen hatte (Art. 354 Abs. 1 StPO).

Einsprache erheben können im Wesentlichen die «beschuldigte Person» und «weitere Betroffene» (Art. 354 Abs. 1 lit. a u. b StPO).

Geht Tamedia demnach davon aus, eine «weitere Betroffene» zu sein?

Als «weitere Betroffene» gelten Dritte, die durch einen Strafbefehl in ihren Rechten unmittelbar betroffen und in ihren Interessen tangiert sind (Art. 105 Abs. 2 StPO).

Die bundesrechtliche Rechtsprechung in dieser Hinsicht ist streng, wie beispielsweise Bundesgerichtsurteil 6B_80/2013 zeigt (E 1.2):

«Die Beschwerdeführerin […] beruft sich auf Art. 105 Abs. 2 StPO. Nach dieser Bestimmung stehen den unmittelbar betroffenen anderen Verfahrensbeteiligten […] die zur Interessenwahrung erforderlichen Verfahrensrechte einer Partei zu […]. Die Beschwerdeführerin ist durch den Nichteintretensentscheid in ihrer Rechtsstellung nicht unmittelbar betroffen. Eine indirekte oder faktische Betroffenheit genügt nicht […]. Unmittelbare Betroffenheit liegt nach der Doktrin etwa vor, wenn in die Grundrechte oder Grundfreiheiten eingegriffen wird, eine Schweigepflicht auferlegt oder Zwangsmassnahmen angeordnet werden […]. Aus Art. 105 StPO kann die Beschwerdeführerin keine Beschwerdeberechtigung ableiten. […]»

Um die Frage klären zu können, gelangte ich mit nachfolgender Frage an die TX Group AG, die Eigentümerin der Tamedia:

«Mir ist nicht klar, wie die TX Group einen Strafbefehl gegen [die Journalistin] anfechten können sollte. Auf den ersten Blick scheint die TX Group, egal welche Konzerngesellschaft, nicht entsprechend legitimiert zu sein.»

Leider war Tamedia nicht fähig oder willig, die Frage zu klären, wie die Antwort zeigt:

«Besten Dank für Ihre Anfrage. Ich bitte Sie um Verständnis, dass wir uns über unsere offizielle Stellungnahme hinaus aktuell nicht weiter zum Verfahren äussern.»

In der Sache gehe ich davon aus, dass die Journalistin (auch) selbst Einsprache erhoben hat.

Sollte Tamedia ebenfalls Einsprache erhoben haben, würde ich mich über die Klärung der Frage freuen, ob ein Medienkonzern berechtigt ist, Einsprache gegen den Strafbefehl gegen eine angestellte Journalistin zu erheben.

Für den Fall, dass diese Frage bereits geklärt ist, freue ich mich über eine Rückmeldung.


Nachtrag: Inzwischen wurde bekannt, dass die Journalistin durch einen Zürcher Anwaltskollegen gegen den Strafbefehl Einsprache erheben liess. Die Einsprache der Journalistin entspricht den Erwartungen.

Der erwähnte Anwaltskollege vertritt Tamedia wie auch Arbeitnehmer von Tamedia seit Jahren in Verfahren.

Damit geht der Anwaltskollege meines Erachtens ein rechtliches und wirtschaftliches Risiko ein:

Wenn die Interessen zwischen Tamedia als Arbeitgeberin und den vertretenen Arbeitnehmern nicht deckungsgleich sein sollten, würde ein Interessenkonflikt bestehen und der Anwaltskollege dürfte unter anderem nicht mehr für Tamedia tätig sein. Die anwaltsrechtliche Grundlage bildet Art. 12 lit. c BGFA:

«[Anwältinnen und Anwälte] meiden jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer Klientschaft und den Personen, mit denen sie geschäftlich oder privat in Beziehung stehen.»

Die gleiche Bestimmung findet sich sinngemäss in den Schweizerischen Standesregeln, die für Mitglieder des Schweizerischen Anwaltsverbandes (SAV) verbindlich sind.

Bild: Pixabay / F1Digitals, Public Domain-ähnlich.

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