Für den Testbetrieb im neuen Gefängnis Zürich West werden Freiwillige gesucht. Interessierte Personen können sich ab Samstag, 5. Februar 2022 um 0 Uhr bewerben.
Der Testbetrieb findet vom 24. bis 27. März 2022 statt. Das Gefängnis Zürich West (GZW) gehört zum neuen Polizei- und Justizzentrum (PJZ) in Zürich.
Wer teilnehmen möchte, muss insbesondere mindestens 18 Jahre alt sein, im Kanton Zürich wohnen oder in der kantonalen Verwaltung arbeiten, sowie einer Sicherheitsprüfung zustimmen. Die Teilnahme als Testperson wird nicht entschädigt.
Der Kanton Zürich versucht, jegliche Haftung auszuschliessen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer hingegen müssen die volle Verantwortung für sein Handeln im Testbetrieb übernehmen.
Auf der offiziellen Bewerbungs-Website (Screenshot) beantwortet eine FAQ mit reichlich Beamtenhumor mutmasslich häufig gestellte Fragen, unter anderem:
«Warum wird ein Testbetrieb durchgeführt?
Bei diesem Testbetrieb gibt es nur Gewinner. Als Teilnehmerin oder Teilnehmer können Sie in einer sicheren Umgebung die Erfahrung machen, wie es sich ungefähr für eine real festgenommene Person anfühlen könnte, plötzlich eingesperrt zu sein. Machen Sie selbst den Vergleich zwischen Fiktion aus diversen Serien und der Realität in der Schweiz. Für uns als Betrieb ist es die Gelegenheit, für uns wichtige Prozesse zu testen und gegebenenfalls anpassen zu können, bevor es im April dann wirklich ernst wird.»
Oder:
«Erhalte ich eine Entschädigung für meine Teilnahme?
Wenn Sie damit Geld meinen, ist die Antwort klar. Nein. Sie erhalten kein Geld von uns. Ihre Entschädigung ist die exklusive Möglichkeit, dabei sein zu dürfen. Weiterhin sind Kost und Logis frei. Ein Hotel sind wir nicht. Deshalb verlangen wir von Ihnen auch kein Geld für Ihren Aufenthalt ;-)»
Grundsätzlich gilt die Hausordnung für die Untersuchungsgefängnisse Zürich. Allerdings, so die Ankündigung in einer früheren E-Mail:
«Einige Teile davon werden nicht wie dort beschrieben, zum Tragen kommen. In anderen Bereichen werden wir deutlich schärfer vorgehen, als es im normalen Gefängnisalltag üblich ist.»
Jedenfalls:
«Uns ist es sehr wichtig, dass Sie sich während des Testbetriebs möglichst sicher fühlen können. In allen Zellen können Sie zu jeder Zeit über einen Rufknopf mit dem Gefängnispersonal in Kontakt treten. Insbesondere Provokationen und das bewusste Eskalieren von Situationen, (gespielte) Übergriffe und Angriffe sowie Sachbeschädigungen gefährden andere Testteilnehmerinnen und Teilnehmer und auch unser Team. Solches Verhalten führt zum Ausschluss vom Testbetrieb und kann für die betroffenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer rechtliche Konsequenzen haben.»
Teilnahme am Testbetrieb: Interessant, aber keine Untersuchungshaft
Die Teilnahme an diesem Testbetrieb dürfte ohne Zweifel interessant sein. Das Versprechen, die Teilnahme ermögliche einen «Vergleich zwischen Fiktion aus diversen Serien und der Realität in der Schweiz», wird allerdings nicht zu halten sein.
Die freiwillige Teilnahme, die jederzeit abgebrochen werden kann, ist nicht mit dem Haftschock bei unfreiwilliger und überraschender Untersuchungshaft vergleichbar:
«GewohnheitsverbrecherInnen mögen mit einer Verhaftung lockerer umgehen. Es gehört zu ihrem Berufsrisiko. Wer aber das erste Mal in Untersuchungshaft gesetzt wird, erleidet oftmals einen Schock, der umgangssprachlich ‹Haftschock› genannt wird. Es sind meist Menschen, denen ein relativ harmloses Vergehen angelastet wird. […]»
Und:
«Im Gefängnis sei die Selbstmordrate vier- bis zehnmal höher als in Freiheit […]. Untersuchungshäftlinge werden durch ihre Verhaftung meist abrupt aus ihrem sozialen Umfeld gerissen. Anders als im normalen Strafvollzug können sie sich nicht selbst von der Arbeit abmelden oder die Betreuung ihrer Kinder planen. […] Der Schock der Verhaftung, die Isolation vom sozialen Umfeld, Zukunftsängste und auch Schamgefühle, sei es über die eigene Schuld oder (im Fall einer unrechtmässigen Verhaftung) über das erlittene Unrecht, können die Psyche enorm belasten und zu einer sogenannten Haftpsychose führen.»
(Andreas Fagetti / Noëmi Landolt: U-Haft kann lebensgefährlich sein, WOZ, 11. September 2014)
Nachtrag: Corona-Status? Halal oder vegetarisch? Leibesvisitation oder nicht?
Inzwischen wurde das Bewerbungsformular aufgeschaltet:
Bewerberinnen und Bewerber müssen unter anderem ihr Geschlecht angeben (männlich, weiblich oder «divers») und ihren Corona-Status nennen («Ich bin nicht geimpft, genesen oder getestet»), «vollständig geimpft», «genesen» oder «getestet») nennen. Was aus dem Corona-Status zum Zeitpunkt der Bewerbung abgeleitet werden soll, ist für mich nicht klar.
Bewerberinnen und Bewerber können ausserdem auswählen, an welchen Tagen während dem Testbetrieb sie verfügbar sind und ob sie übernachten wollen. Auch der Raucher-Status, die gewünschte Verpflegung (Fleisch, halal oder vegetarisch) und die Bereitschaft, mit Medien in Kontakt zu kommen, werden abfragt:
«Am Testbetrieb nehmen verschiedene Medienschaffende teil, welche auch Interviews für Zeitungen, Radio und Fernsehen machen möchten. Dazu kommen Filmaufnahmen, auf denen Sie zu sehen und erkennbar sein könnten. Manche finden das toll, andere wollen das auf gar keinen Fall. Für den Fall, dass Sie auf gar keinen Fall mit Medien in Kontakt kommen wollen, werden Sie in einem anderen Bereich des Gefängnisses untergebracht. »
Beim Eintritt erfolgt eine Sicherheitskontrolle, wobei die Leibesvisitation optional ist. Die Beschreibung lässt vermuten, dass viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf eine solche Leibesvisitation verzichten werden:
«Echte festgenommene Personen werden beim Eintritt in das Gefängnis einer Leibesvisitation unterzogen, bei der sie sich auf Anweisung in mehreren Schritten entkleiden und wieder ankleiden müssen. Weiterhin werden Sie durch das Personal aufgefordert, bestimmte Körperstellen sichtbar zu machen. Die Leibesvisitation wird grundsätzlich durch gleichgeschlechtliches Personal vorgenommen. Ein Körperkontakt zwischen Ihnen und dem Personal findet nicht statt. Es kann jedoch vorkommen, dass sich eine Person des anderen Geschlechts im selben Raum befindet. Auch in diesem Fall gewährleisten wir selbstverständlich Ihre Privatsphäre durch entsprechende Massnahmen (Sichtschutz). Im Rahmen des Testbetriebs ist dieser Schritt optional. In jedem Fall findet eine Kontrolle statt, die ähnlich wie am Flughafen abläuft.»
Sehr geehrte Damen und Herren
Ich würde sehr gerne den Freiwilligeneinsatz im Gefängnis Zürich West machen. Ich könnte an allen vier Tagen den Einsatz tätigen. Leider könnte ich das Formular nicht ausfüllen. Ich kann Ihnen aber sämtliche Unterlagen auch so zukommen lassen, die Sie benötigen. Ich freue mich sehr von Ihnen zu hören!
Freundliche Grüsse ███████████████, 8002 Zürich
Ich bin ██████████ 36 Jahre alt
Zeit 8 Jahre wohne ich in München ich komme aus Afghanistan ich hab zwei Kinder ich möchte gerne Einmal in mein Leben Gefängnis zu sehen hab ich noch nie in mein Leben in Gefängnis.
Mit freundlichen Grüßen
Danish