Freisprüche im Rapidshare-Verfahren: Urteils­begründung im Volltext

Foto: Akten-Archiv

Im langjährigen Rapidshare-Strafverfahren wurden der Gründer und zwei weitere beschuldigte Personen mit Urteil vom 30. Dezember 2020 durch das Strafgericht Zug freigesprochen. Anfang 2022 wurde dank einem Medienbericht bekannt, dass das Gericht mehr als ein Jahr nach dem Urteil die schriftliche Begründung vorgelegt hatte.

In der Folge bestellte ich beim Strafgericht Zug das begründete Urteil. Nach rund sechs Wochen und einem Umweg über das Obergericht des Kantons Zug wurde mir kürzlich das anonymisierte Urteil zugestellt.

Teil-Einstellung: Keine Strafgerichtshoheit in der Schweiz

Im ausführlich begründeten Urteil stellte das Gericht insbesondere fest, dass es grossmehrheitlich an einer schweizerischen Strafgerichtshoheit fehlte. In der Folge musste das Strafverfahren teilweise eingestellt werden:Dokument: Rapidshare-Urteil vom 30. Dezember 2020 (Auszug)

Übrig blieben mutmassliche Urheberrechtsverletzungen zum Nachteil einer verbleibenden Privatklägerin durch zwei der drei Angeklagten:Dokument: Rapidshare-Urteil vom 30. Dezember 2020 (Auszug)

Freisprüche: Keine Gehilfenschaft zur Urheberrechts­verletzungen

Eine Verurteilung in diesem Rahmen scheiterte am Anklagesachverhalt und an den verfügbaren Beweismitteln:Dokument: Rapidshare-Urteil vom 30. Dezember 2020 (Auszug)

In der Folge wurden alle drei beschuldigten Personen vom Vorwurf der gewerbsmässigen Gehilfenschaft zu mehrfachen Vergehen gegen das schweizerische Urheberrechtsgesetz (URG) freigesprochen:Dokument: Rapidshare-Urteil vom 30. Dezember 2020 (Auszug)

Die Frage einer allfälligen einfachen, nicht gewerbsmässigen Gehilfenschaft zu Urheberrechtsverletzungen stellte sich nicht mehr, weil es unter anderem an entsprechenden Strafanträgen fehlte und die Verfolgungsverjährung bereits vor Jahren eingetreten war:Dokument: Rapidshare-Urteil vom 30. Dezember 2020 (Auszug)

Kostenfolgen: Gekürzte Honorarnoten und Verfahrens­kosten trotz Freisprüchen

Hingegen wurden dem Gründer von Rapidshare und einer weiteren beschuldigen Person die Verfahrenskosten zu jeweils einem Drittel auferlegt:Dokument: Rapidshare-Urteil vom 30. Dezember 2020 (Auszug)

Die erfolgreiche Verteidigung war aufwendig, wie die Honorarnote über CHF 312’898.15 netto (einschliesslich Kleinspesen) jener beschuldigten Person, der keine Verfahrenskosten auferlegt wurden, zeigt:Dokument: Rapidshare-Urteil vom 30. Dezember 2020 (Auszug)

Die Honorarnote wurde – wie in der Schweiz leider üblich – erheblich auf pauschal CHF 75’000.00 brutto (einschliesslich Kleinspesen und Mehrwertsteuer) gekürzt:Dokument: Rapidshare-Urteil vom 30. Dezember 2020 (Auszug)

Die Privatklägerinnen wurden mit – ebenfalls erheblich gekürzten – pauschal CHF 67’000.00 netto (einschliesslich Kleinspesen) entschädigt:Dokument: Rapidshare-Urteil vom 30. Dezember 2020 (Auszug)

Die beiden beschuldigten Personen, denen bereits die Verfahrenskosten auferlegt wurden, müssen auch diese Kosten tragen:Dokument: Rapidshare-Urteil vom 30. Dezember 2020 (Auszug)In finanzieller Hinsicht sollten diese Kosten für die beiden betroffenen Personen keine besondere Belastung darstellen. Gemäss Medienberichten verfügen sie über ein erhebliches Vermögen, darunter das Schloss Eugensberg im Kanton Thurgau.

Die Auflage der Kosten ist dennoch fragwürdig, denn sie kann als «Freispruch zweiter Klasse» beziehungsweise Verdachtsurteil verstanden werden. In einem Rechtsstaat sollte es – weder faktisch noch tatsächlich – keine Freisprüche unterschiedlicher Qualität geben.

Siehe auch:

Bild: Pixabay / Pexels, Public Domain-ähnlich.


Nachtrag: entscheidsuche.ch hat eine Sicherheitskopie veröffentlicht. entscheidsuche.ch möchte Transparenz auch für nicht veröffentlichte Urteile schaffen.

2 Kommentare

  1. Verstehe ich das Urteil richtig: Rapidshare hat als sogenannter OCH (One-Click-Hoster) keinerlei strafbare Urheberrechtsverletzungen in der Schweiz begangen? Das Bereitstellen und Vermieten von Speicherplatz im Internet bildet in der Schweiz also keine automatische Mitschuld an möglichen Urheberrechtsverletzungen?
    Oder ist das ganze für die Beschuldigten nur deshalb «glimpflich» ausgegangen, weil die Verjährung inzwischen eingetreten ist?

    Könnten Sie das Urteil bitte – abgesehen von der bemängelten Honorarnote – für uns einordnen? Was bedeutet das für andere OCH in der Schweiz?

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