Im langjährigen Rapidshare-Strafverfahren wurden der Gründer und zwei weitere beschuldigte Personen mit Urteil vom 30. Dezember 2020 durch das Strafgericht Zug freigesprochen. Anfang 2022 wurde dank einem Medienbericht bekannt, dass das Gericht mehr als ein Jahr nach dem Urteil die schriftliche Begründung vorgelegt hatte.
In der Folge bestellte ich beim Strafgericht Zug das begründete Urteil. Nach rund sechs Wochen und einem Umweg über das Obergericht des Kantons Zug wurde mir kürzlich das anonymisierte Urteil zugestellt.
Teil-Einstellung: Keine Strafgerichtshoheit in der Schweiz
Im ausführlich begründeten Urteil stellte das Gericht insbesondere fest, dass es grossmehrheitlich an einer schweizerischen Strafgerichtshoheit fehlte. In der Folge musste das Strafverfahren teilweise eingestellt werden:
Übrig blieben mutmassliche Urheberrechtsverletzungen zum Nachteil einer verbleibenden Privatklägerin durch zwei der drei Angeklagten:
Freisprüche: Keine Gehilfenschaft zur Urheberrechtsverletzungen
Eine Verurteilung in diesem Rahmen scheiterte am Anklagesachverhalt und an den verfügbaren Beweismitteln:
In der Folge wurden alle drei beschuldigten Personen vom Vorwurf der gewerbsmässigen Gehilfenschaft zu mehrfachen Vergehen gegen das schweizerische Urheberrechtsgesetz (URG) freigesprochen:
Die Frage einer allfälligen einfachen, nicht gewerbsmässigen Gehilfenschaft zu Urheberrechtsverletzungen stellte sich nicht mehr, weil es unter anderem an entsprechenden Strafanträgen fehlte und die Verfolgungsverjährung bereits vor Jahren eingetreten war:
Kostenfolgen: Gekürzte Honorarnoten und Verfahrenskosten trotz Freisprüchen
Hingegen wurden dem Gründer von Rapidshare und einer weiteren beschuldigen Person die Verfahrenskosten zu jeweils einem Drittel auferlegt:
Die erfolgreiche Verteidigung war aufwendig, wie die Honorarnote über CHF 312’898.15 netto (einschliesslich Kleinspesen) jener beschuldigten Person, der keine Verfahrenskosten auferlegt wurden, zeigt:
Die Honorarnote wurde – wie in der Schweiz leider üblich – erheblich auf pauschal CHF 75’000.00 brutto (einschliesslich Kleinspesen und Mehrwertsteuer) gekürzt:
Die Privatklägerinnen wurden mit – ebenfalls erheblich gekürzten – pauschal CHF 67’000.00 netto (einschliesslich Kleinspesen) entschädigt:
Die beiden beschuldigten Personen, denen bereits die Verfahrenskosten auferlegt wurden, müssen auch diese Kosten tragen:
Die Auflage der Kosten ist dennoch fragwürdig, denn sie kann als «Freispruch zweiter Klasse» beziehungsweise Verdachtsurteil verstanden werden. In einem Rechtsstaat sollte es – weder faktisch noch tatsächlich – keine Freisprüche unterschiedlicher Qualität geben.
Siehe auch:
- Rapidshare wegen Gehilfenschaft zu Urheberrechtsverletzungen vor Gericht
- Freisprüche im Rapidshare-Strafverfahren in der Schweiz
Bild: Pixabay / Pexels, Public Domain-ähnlich.
Nachtrag: entscheidsuche.ch hat eine Sicherheitskopie veröffentlicht. entscheidsuche.ch möchte Transparenz auch für nicht veröffentlichte Urteile schaffen.
Verstehe ich das Urteil richtig: Rapidshare hat als sogenannter OCH (One-Click-Hoster) keinerlei strafbare Urheberrechtsverletzungen in der Schweiz begangen? Das Bereitstellen und Vermieten von Speicherplatz im Internet bildet in der Schweiz also keine automatische Mitschuld an möglichen Urheberrechtsverletzungen?
Oder ist das ganze für die Beschuldigten nur deshalb «glimpflich» ausgegangen, weil die Verjährung inzwischen eingetreten ist?
Könnten Sie das Urteil bitte – abgesehen von der bemängelten Honorarnote – für uns einordnen? Was bedeutet das für andere OCH in der Schweiz?
@Renato Tobler:
Ich habe das Urteil beschafft und veröffentlicht, damit interessierte Personen den Volltext selbst lesen können. Ich werde auf absehbare Zeit keine vertiefte Einordnung veröffentlichen können.