Wuchtiges Symbol der Staatsmacht: Erste Eindrücke vom neuen Polizei- und Justizzentrum

Foto: Polizei- und Justizzentrum (PJZ) in ZürichIn den nächsten Monaten wird in Zürich das neue Polizei- und Justizzentrum (PJZ) in Betrieb genommen. Im PJZ befinden sich über 2’000 Arbeitsplätze für Polizisten, Richterinnen und Staatsanwälte. Dazu kommt das neue Gefängnis Zürich West.

Ich hatte Gelegenheit, das PJZ kurz vor der Inbetriebnahme zu besichtigen. Nach der Besichtigung notierte ich mir folgende Eindrücke:

  • Das PJZ ist ein wuchtiges Symbol der Staatsmacht im Kanton Zürich. Wer vor dem riesigen Gebäude steht, erhält deutlich die Macht der kantonalen Sicherheitsbehörden vermittelt. Das 280 m lange (oder eher breite) Gebäude wirkt abweisend und massiv.
  • Wer zu einem Termin im PJZ eingeladen wird, zum Beispiel für eine Einvernahme, erhält einen QR-Code für die automatisierte Anmeldung. Für jene, die keinen QR-Code vorweisen können, gibt es einen Schalter.
  • Für alle Besucherinnen, auch für Strafverteidiger und andere Rechtsanwälte, führt der Zutritt über eine Sicherheitskontrolle, wie man sie an Flughäfen kennt. Schuhe und Gurt, bei Frauen allenfalls der BH, müssen ausgezogen werden und das Gepäck wird durchleuchtet. Immerhin werden Sackmesser, anders als am Flughafen, nicht eingezogen und vernichtet, sondern nur während dem Besuch im PJZ einbehalten.
  • Mit dieser Sicherheitskontrolle zeigt der Polizeistaat damit deutlich sein Misstrauen gegenüber Anwälten. Vertrauen hingegen geniessen die Beamtinnen, die im PJZ arbeiten, denn sie müssen sich keiner Sicherheitskontrolle unterziehen.
  • Besucherinnen halten sich in einem mehrstöckigen Bereich auf, der vom übrigen Gebäude getrennt ist. Im Besucherbereich gibt es Sitzgelegenheiten, Hahnenwasser und Verpflegungsautomaten sowie WCs. Für Raucherinnen bestehen abgetrennte Räumlichkeiten. Für Besprechungen, Einnahmen und sonstige Termine werden Besucher in ihrem Bereich abgeholt.
  • Das Gebäude wirkte im Innern mehrheitlich trist, auch weil es in vielen Bereichen kein direktes Tageslicht gibt. Das Gebäude erinnert an das Bezirksgebäude in Dietikon, ist aber wesentlich grösser. Einige Räume haben gar kein Tageslicht, darunter Räume, die für Einvernahmen genutzt werden. Ein Teil der Räume ist für Video-Konferenzen ausgerüstet. Es dürfte anstrengend werden, Stunden in kahlen Beton-Räumen ohne Tageslicht zu verbringen. Wie frisch die Luft ist, wird sich zeigen müssen.
  • Kein Tageslicht hatten auch die kargen und mutmasslich Vandalismus-sicheren Abstandszellen, die wir besichtigen konnten. In diesen kleinen Zellen, ich schätze die Grösse auf etwa 1.5 m2, müssen Personen, die festgenommen wurden, warten. In den Abstandszellen gibt es eine WC-Schüssel, was einerseits eine Verbesserung darstellt, andererseits aber die Abstandszellen eher wie kleine Einzel-WCs als Warteräumlichkeiten wirken lässt.
  • Der Mobilfunk-Empfang im Gebäude ist nur für Swisscom-Nutzer gewährleistet. Immerhin soll es ein Public WLAN geben. Wer dem Sicherheitsstaat nicht vertrauen möchte, wird seinen Internet-Zugang mit Vorteil über ein VPN führen.
  • In den Bereichen der Staatsanwaltschaften arbeiten Staatsanwälte in einzelnen Büroräumen mit direktem Tageslicht an der Aussenfassade. Alle anderen Mitarbeiterinnen arbeiten im Innern in Grossraumbüros, die aufgrund von Raumteilern aber nicht als solche bezeichnet werden. Assistenzstaatsanwälte sollen die Einzelbüros von Staatsanwälten, die nicht anwesend sind, nutzen dürfen. Es soll eine «Clean Desk Policy» gelten.
  • Für Einvernahmen und sonstige Termine müssen Polizistinnen und Staatsanwälte dafür vorgesehene Räume reservieren. Da die Zahl dieser Räume beschränkt ist, dürfte die Gewohnheit, dass Einvernahmen grossmehrheitlich am Dienstag und am Donnerstag am Vormittag stattfinden, ein Ende finden. In jedem Fall finden Termine nicht mehr in den persönlichen Einzelbüros von Polizisten und Staatsanwältinnen statt.
  • Das neue Gefängnis Zürich West (GZW) bildet ein weitgehend abgetrenntes Gebäude im Gebäude. Der Zugang erfolgt nicht über den Haupteingang, sondern separat auf der Rückseite. Im Gebäude gibt es aber Schleusen zwischen dem GZW und dem PJZ. Der Testbetrieb mit Freiwilligen fand vom 24. bis 27. März 2022 statt. Die teilnehmenden Medien dürfen seit Mittwoch, 16.00 Uhr über den Testbetrieb berichten (Beispiel: «Du erhältst 1 (!) Kondom», Watson).
  • Im Gebäude befinden sich nicht nur Polizei und Staatsanwaltschaft, sondern auch das Zwangsmassnahmengericht (ZMG), sofern Personen in Haft betroffen sind. Diese Nähe zwischen Exekutive und Judikative ist bequem für die beteiligten Behörden, wirft aber die Frage nach der richterlichen Unabhängigkeit auf.
  • Die gleiche Frage stellt sich bei der Abteilung «Besondere Untersuchungen», die gegen Polizistinnen, Staatsanwälte und andere Beamte ermittelt. Diese Abteilung befindet sich – trotz erheblicher Kritik – nun auch im PJZ.
  • Die Nähe zwischen den Behörden im Gebäude wird auch im Personalrestaurant gepflegt werden können. Die Kantine ist für Besucher nicht zugänglich. Anwältinnen, die im Gebäude arbeiten, werden sich Verpflegungsmöglichkeiten in der Nachbarschaft suchen müssen.
  • Parkplätze für Besucherinnen sind nicht vorgesehen. Es gibt lediglich 36 öffentliche Parkplätze mit Parkuhr. Das könnte für Pikett-Strafverteidiger zu einem Problem werden, die nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Velo anreisen können. Zur desolaten Velo-Infrastruktur in Zürich passt, dass die Velo-Parkplätze für Besucherinnen nicht gedeckt sind.
  • Höhepunkt der «Kunst am Bau» ist eine riesige weisse Skulptur aus metallenen Disteln in der nicht öffentlich zugänglichen Eingangshalle im PJZ. Zwei weitere metallene Disteln sollen vor dem PJZ platziert werden, um den abweisenden Eindruck aufzulockern.

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4 Kommentare

  1. Für mich ist dieser Prunkbau ein Symbol des Staatsversagens. Die Kriminalität ist in der Schweiz auf einem hohen Niveau. Das zeigt sich an den Statistiken der UNODC. Jedes Jahr werden mehr als 1% der Bevölkerung strafrechtlich verurteilt, fast das doppelte vom europäischen Durchschnitt. Die Schweiz verurteilt mehr als doppelt soviele Jugendliche und Ausländer als die meisten europäischen Länder (gemessen an der Bevölkerung). Auffällig ist der Unterschied zu Osteuropa. Die Schweiz hat beispielsweise dreimal mehr Raubüberfälle als Russland oder Albanien. Oder fast doppelt soviele Diebstähle wie der Europa-Durchschnitt. Diese miserable Leistung steht in einem schlechten Verhältnis zu den sehr hohen Kosten der Schweizer Justiz. Allein die Stadtpolizei Zürich verschlingt über 300 Millionen Franken pro Jahr. Gemessen an der Bevölkerung, ist das etwa 50% mehr als Russland’s gesamtes Militärbudget. Warum geben wir so viel Geld aus, wenn es ja doch nicht viel bringt?

    Es braucht Massnahmen. Klare Aufträge für die hochwohlgeborene Schweizer Exekutive und Judikative. Sowie eine leistungsabhängige Entlöhnung. Wenn die gesetzten Ziele nicht erreicht werden, sollen die gnädigen Damen und Herren in der Politik, der Staatsbürokratie und den Gerichten deutlich weniger Geld erhalten.

    Schliesslich drängt sich eine Verschärfung des Strafrechts auf. Der Strafvollzug sollte nicht in der überteuerten Schweiz, sondern am besten in den osteuropäischen Ländern stattfinden. Dänemark praktiziert dieses Outsourcing bereits heute. In Osteuropa haben die Gefängnisse aufgrund der tieferen Kriminalität freie Kapazitäten. Zweitens ist der osteuropäische Strafvollzug etwa 50-70% günstiger als in der Schweiz. Und drittens ist der Strafvollzug abschreckender als in der Kuschelschweiz. Wenn die UBS ihre IT nach Polen auslagern kann, dann sollte das wohl auch für langjährige Haftstrafen möglich sein. Mit diesen Massnahmen sollte es gelingen, das kriminelle Gesindel aus dem Land zu vertreiben und den Sumpf der kriminellen Schweizer Unterwelt auszutrocknen.

    1. Strafvollzug kostet:

      Privatisiertes Gefängnis in den USA: 30.-/Gefangener/Tag
      Arbeitslager China: -4.- (Staat verdient Geld)
      Schweiz: ab 960.- (ohne „therapeutische Massnahmen“), also mehr als eine Suite im Dolder!

      Das ist krank und da stimmt schon länger als der Fall „Carlos“ einiges nicht mehr. Irgend wo zwischen 0.- und 960.- liegt ein Mittelweg drin. Ausländische Kriminelle sollen die Haftstrafen grundsätzlich in ihrem Heimatland absitzen müssen.

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